Читать книгу Ophelia im Hudson River - Annette Meyers - Страница 16
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Оглавление»Hi, Sheil, es ist sechs Uhr. Ruf mich doch an, wenn du nach Hause kommst.«
Metzger zuckte zusammen. »Judy«, sagte er.
Piep.
»Ms. Gelber. Hier ist das Vorzimmer von Dr. Fochios. Wir möchten Sie gern an Ihren Termin heute nachmittag um fünf Uhr erinnern.«
Piep.
Sie standen in Sheila Gelbers Schlafzimmer. Metzger hatte den Anrufbeantworter wieder eingeschaltet und die Kassette eingelegt. Sheilas rosafarbener Frottierbademantel lag am Fuß ihres Bettes, als ob sie bald zurückkäme.
»Sheila?« Eine tiefe männliche Stimme. »Ich bin es wieder, du Fotze. Ich weiß, da du da oben im vierten Stock sitzt und darüber nachdenkst, wie ich es dir besorgen werde.« Die Stimme klang heiser, keuchend und verfälscht, als ob sie mechanisch verzerrt worden wäre. »Der Tag kommt jetzt immer näher. Es kann jeden Tag geschehen ... jeden Tag ...«
Piep.
Zunächst sagte keiner ein Wort.
»Meine Güte.« Metzger war käseweiß geworden. »Warum hat sie denn nie etwas gesagt?« Er hörte das Band bis zum Schluß ab. Es gab keine weiteren Botschaften. Er drehte die Kassette um und hörte auch die andere Seite ab. Nichts. Dann holte er sie aus dem Gerät und verstaute sie in seiner Tasche.
»Wann werden die Ergebnisse der Autopsie vorliegen?« fragte Wetzon und dachte die ganze Zeit: Können wir jetzt endlich gehen? Bitte, lieber Gott, mach, daß wir gehen können ...«
»Sie wurde wegen des Feuers im Dominican Social Club zurückgestellt. Sheilas Tod sah nicht zwingend nach Mord aus. Es gab keinen dringenden Anlaß ...« Metzgers Stimme verlor sich. Er schluckte hörbar.
»Jetzt gibt es einen«, sagte Silvestri. »Ich werde morgen früh hingehen und die Gerichtsmedizin etwas unter Druck setzen.« Er machte sich so plötzlich von Wetzon los, daß sie regelrecht erschrak. Sie fühlte sich ausgesetzt, oder noch schlimmer: unsichtbar. Er sah krank aus.
Wetzon streckte die Hand nach ihm aus, doch er ignorierte sie. Seine Augen nahmen den Raum in sich auf, den Bademantel über dem Bett, die flauschigen Hausschuhe, die unter dem Bett hervorlugten, die Fotos auf der Kommode. Das Tablett mit dem Make-up – von Clinique – und dem Parfüm. Er öffnete die Jalousien und blickte auf die Straße hinab, dann schloß er sie wieder.
Wetzon verließ das Zimmer, wanderte zunächst ins Wohnzimmer und dann in die Küche. Sie öffnete die Schränke – es gab nicht allzu viele – und betrachtete die Gläser und das Porzellan. Das Silber befand sich in einer Schublade unter der Arbeitsplatte. Ein großer, flacher Metallschrank, der ebenso weiß gestrichen war wie der Rest, stellte eine Art Speisekammer dar. Dosentomaten, Nudeln von einer unbekannten Firma. Sie sah genauer hin. Sie waren aus Reismehl. Auf dem Brett über der Pasta stand ein Paket mit braunem Reismehl, eines mit Tapioka-Mehl, dann Maismehl, Polenta, Kartoffelstärke und Milchpulver.
»Was treibst du da, Les?« Silvestri stand im Türrahmen, in der Hand den Umschlag vom Eßtisch. Der Form nach zu urteilen, war er nicht länger leer. Silvestri klang verärgert.
»Weißt du, man erfährt eine Menge über Menschen, wenn man in ihre Schränke und Kühlschränke schaut.«
»Ach ja? Und was hast du gelernt, Sherlock?«
»Laßt uns gehen«, rief Metzger.
Sie schloß die Schranktüren. »Vergiß es, Silvestri.«
»Nicht um alles in der Welt. Ich bin ganz Ohr. Ich würde gern mehr darüber erfahren.«
Sie haßte ihn, wenn er so mit ihr redete, aber sie antwortete trotzdem: »Na gut. Deine Sheila war ein Naturkost-Freak.«
»War sie nicht.« Er schien sich über ihre Einmischung zu ärgern, als ob Sheila Gelber noch immer ihm gehörte. Und sie fragte sich, ob er mit seiner Antwort meinte, daß sie kein Naturkost-Freak war oder nicht seine Sheila.
»Ach was?« sagte Wetzon scharf. »Du hast sie also vor kurzem noch gesehen?« Als er sich umwandte und hinausging, folgte sie ihm. »Menschen verändern sich, weißt du.«
»Kommt schon, Kinder.« Metzger war offensichtlich beunruhigt. »Das hier ist nicht der richtige Zeitpunkt für einen Streit. Seid doch einfach nur glücklich, daß Ihr einander habt. Stimmt’s nicht, Leslie?« Er klopfte ihr auf die Schulter und warf Silvestri über ihren Kopf hinweg einen Blick zu.
Die Nacht war besonders kalt, zumindest kam es Wetzon so vor. Vielleicht war es ja auch Silvestris Rückzug und die Tatsache, daß er eine Mauer zwischen ihnen errichtet hatte. Wie auch immer, sie war verletzt und wütend. In eisigem Schweigen fuhren sie durch den Park zurück.
Silvestri fuhr zweimal um den Block, parkte dann den Toyota rückwärts in eine Lücke in der Nähe der Amsterdam Street und schaltete den Motor aus. Er machte keine Anstalten, auszusteigen.
»Kommst du mit rauf?« fragte Wetzon. Er hatte seine Wohnung in Chelsea behalten, weil sie der Mietpreisbindung unterlag und deshalb beispiellos billig war, zumindest hatte er das immer als Grund angegeben. Aber Wetzon glaubte, daß er sich ein Hintertürchen zur Flucht offenhalten wollte, damit er irgendwohin konnte, falls sie sich trennten. Normalerweise nutzte er die Wohnung nur für seine Pokerabende.
»Warum sollte ich denn nicht?« fragte er plötzlich und warf ihr einen strengen Blick zu.
»Mein Gott, Silvestri, hör auf damit. Ich habe doch kein Verbrechen begangen ... noch nicht. Ich dachte nur, daß du wegen Sheila vielleicht ganz bekümmert bist und lieber allein sein möchtest.«
»Es ist nicht so, wie du glaubst, Les.«
»Woher willst du wissen, was ich denke? Du machst dir doch gar nicht die Mühe, mich zu verstehen. Alles, was ich sage, scheint dich zu beleidigen ...«
»Du glaubst«, sagte er ruhig, »daß das, was mich und Sheila verbunden hat, eine tiefe Beziehung war.«
»Und das war es nicht?«
»Nein. Judy und Metzger wollten uns verkuppeln, aber es war für keinen von uns das Richtige. Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen oder mit ihr gesprochen.«
»Aber warum bist du dann ...« Der gequälte Blick in seinen Augen hinderte sie am Weitersprechen. Sie hatte ihn noch nie so erregt gesehen.
»Komm«, sagte er. Er stieg aus dem Auto und ging zu ihr hinüber, in der Hand immer noch den Briefumschlag.
Er hat Sheilas Rechnungen mitgenommen, dachte sie.
Es war eine stürmische Nacht. Die Wolken jagten über den Himmel und hoben sich schwarz vom mondlosen Himmel ab. Er paßte zu ihren gegenwärtigen Gefühlen.
Im Aufzug legte er den Arm um ihre Schultern. »So ist es eben«, sagte er. »Aber es hat nichts mit dir und mir zu tun. Diesmal kannst du mir nicht helfen. Das muß ich jetzt selbst regeln.«