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Mai

»Häschen, kommst du morgen?« Carlos mußte schreien, um die Musik im Hintergrund zu übertönen. Als ob er sich auf einer Probe befände.

»Wohin?« Wetzon biß ein Stück von ihrer Möhre ab, ihrer nachmittäglichen Zwischenmahlzeit.

»Jungs, könnt Ihr die Musik kurz etwas leiser machen?« Die Lautstärke ließ nach. »Was hast du gesagt?«

»Ich habe gefragt, wohin ich morgen überhaupt kommen soll?«

»Zur Aufführung vor unseren Geldgebern. Und sag mir jetzt nicht, daß du eine besondere Einladung brauchst.«

»Könnte vielleicht helfen.«

»Der Barrakuda ... ich bin gleich wieder da«, rief er. »Nur noch eine Sekunde.«

»Ich höre schon: Du bist schwer beschäftigt. Morgen, sagst du? Ich denke, ich kann mich für ein Stündchen freimachen. Kannst du mir genaue Angaben machen, bitte?«

»Entschuldigung, Miß Zimperliese. Im Dramatists Guild Penthouse im Sardi-Gebäude. Um fünf.«

Wetzon lachte und legte auf. Was hatte er über Smith sagen wollen? Na ja, egal. Ihr kurzes Zusammentreffen mit dem Keucher am Telefon kam ihr wieder in den Sinn, aber nur einen Augenblick lang. Er hatte nicht wieder angerufen. Was immer er wollte, sie würde sich davon nicht beeindrucken lassen. Es war Unsinn, hatte keine Bedeutung.

Doch als das Telefon klingelte, wurde ihr unangenehm bewußt, daß sie allein im Büro war. Smith hatte die Firma am frühen Nachmittag verlassen, weil sie zur Kosmetikerin wollte. Max hatte Dienstschluß. Und Darlene war zu Hause und spielte für ihr schmerbäuchiges vietnamesisches Schwein die Krankenschwester.

Es klingelte erneut. Sie hob ab. »Smith and Wetzon.«

»Wetzon! Bin ich froh, daß ich Sie erwischt habe und nicht Ihre großkotzige Partnerin.«

»Roy Weissberg!« Sie hatte seine Stimme erkannt, unter anderem wegen des blechernen Geräuschs im Hintergrund und des Rauschens des Straßenverkehrs. Roy war der einzige Manager, der sie ständig vom Auto aus anrief. »Was kann ich für Sie tun?«

»Nun, die Geschäftsführung setzt uns unter Druck, qualifizierte Frauen zu finden, die eine Weiterentwicklung zum Bereichsleiter anstreben.«

Oh, ganz sicher, dachte Wetzon. Irwin Thornton, der Ausbildungsleiter, war noch ein Restposten aus den sechziger Jahren. »Roy, glauben Sie ernsthaft, daß Irwin überhaupt mit Frauen zusammenarbeiten kann?«

»Irwin kann mit niemandem zusammenarbeiten.« »Also, was sollen wir tun?«

»Sie müssen mir ein paar Nutten suchen, Wetzon. Der Befehl kommt direkt aus der Geschäftsführung.«

»Nutten, Roy?«

»Kommen Sie, Wetzon, Sie wissen doch, daß ich Witze mache.«

»Ja, ich weiß«, sagte sie. »Die Frauen, mit denen ich einen Kontakt für Sie arrangieren könnte, sind wahrscheinlich erheblich qualifizierter als die Hälfte der Männer in der Geschäftsführung.«

»Das wird sie mir wenigstens vom Halse schaffen.«

Und das bedeutete wahrscheinlich auch, daß Irwin Thornton Geschichte war. »Das war’s«, sagte sie laut, nachdem sie aufgelegt hatte. »Jetzt geht’s heimwärts.«

Sie zog ihren Mantel an und schaltete den Anrufbeantworter ein. Als das Telefon erneut klingelte, ließ sie die Maschine drangehen.

»Leslie, tut mir leid, daß ich Sie verpaßt habe, aber ich war den ganzen Tag bei Gericht ...«

Sie hob den Hörer so schnell ab, als hätte sie den ganzen Tag auf diesen Anruf gewartet. Was, zum Teufel, war los mit ihr? »Hallo, Bill, ich wollte gerade gehen.«

»Gut. Ich nehme an, daß Sie sowieso in meine Richtung fahren. Warum treffen wir uns nicht einfach und gehen etwas trinken?«

»Ich glaube nicht ...«

»Im Rainbow Promenade? In einer halben Stunde?«

»Es war ein langer Tag, Bill. Vielleicht ein ander ...«

»Ein Nein akzeptiere ich nicht, Leslie. Kommen Sie schon. Wo ist denn Ihr Sinn fürs Abenteuer geblieben?«

Ja, wo, fragte sie sich. Laura Lee hätte sofort eingewilligt. »Okay«, sagte sie. »In einer halben Stunde.«

Aber sie bedauerte es sofort. Bill Veeders Stimme, seine Sprechweise, alles an ihm war verführerisch. Also warum hatte sie eingewilligt? Weil Silvestri sich von ihr zurückgezogen hatte, und weil sie verwirrt war. Sie konnte seine Erregung über Sheila Gelbers Tod verstehen, aber er war Polizist; er war sogar bei der Mordkommission. Sollten Polizisten sich vom Tod nicht distanzieren? Normalerweise. Aber diesmal war Silvestri persönlich betroffen, egal wie sehr er das Gegenteil beteuerte.

Also hatte sie es zugelassen, daß Bill Veeder sie umgarnte. Was war schon falsch an einem kleinen Flirt mit einem Mann, der ganz selbstverständlich umgeben war vom Geheimnis der Macht? Sie zitterte leicht angesichts der Gefahr, und dieses Gefühl fand sie angenehm.

Ja, sie würde sich mit Veeder auf einen Drink treffen. Und das Rainbow Promenade war ein ausgesprochen geeignetes Lokal für ... genau das.

Ophelia im Hudson River

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