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»Sheila ist vergiftet worden.« Silvestri setzte die Flasche an und nahm einen ordentlichen Schluck.

»Wie?« Wetzon nahm vier Eier, Ziegenkäse und die übriggebliebenen gebratenen Zucchini aus dem Kühlschrank. Sie füllte den Kessel mit kaltem Wasser.

»Das weiß man noch nicht. Sie hat irgend etwas gegessen. Es muß etwa sechs Stunden gedauert haben.« Er starrte Wetzon an, als ob sie daran schuld wäre. »Sie hat die Hölle durchgemacht.«

»Hat sie denn niemanden angerufen?« Wetzon drehte das Gas an, zerließ Butter in der Pfanne, dann schlug sie die Eier mit einem Schneebesen schaumig.

Silvestri fuhr zusammen. Er trank erneut. »Als ihr klar wurde, daß es mehr als nur eine Magenverstimmung war, war sie wahrscheinlich nicht mal mehr in der Lage, klar zu denken, geschweige denn, sich zu bewegen.«

»Im Spülstein lag ein Teller.« Die Butter zischte vor sich hin. Wetzon goß die Eier in die heiße Pfanne und begann, diese hin und her zu wiegen. »Der Wasserhahn tropfte. Er hat die Krumen wahrscheinlich fortgewaschen.«

»Maismehl.«

»Maismehl?« Vorsichtig hob sie das Omelett mit einem Pfannenheber.

»Sie hatte halb verdautes Maismehl in ihrem ...«

»Mein Gott, die Muffins.«

»Welche Muffins?«

»In ihrem Gefrierschrank, Silvestri. Da drin befand sich eine Alupackung mit Muffins.« Sie schnitt zwei Brötchen auf und legte sie in den Ofen.

»Der Gerichtsmediziner hat heute morgen jemanden rübergeschickt und alles aus dem Kühlschrank entfernen lassen, ebenso wie aus dem Gefrierschrank und den Schränken. Sie werden herausfinden, was immer es war.«

»Das Gift war in den Maismehlmuffins.« Sie streute Ziegenkäse über das Omelett, klappte es zusammen, schnitt es in zwei Hälften und legte diese auf zwei Teller.

»Jetzt betätigst du dich also auch noch als Toxikologin, was?« Die Spur eines Lächelns umspielte seine Augen. Er nahm die Teller und trug sie zum Eßtisch.

Wetzon bestrich die Brötchen mit Butter und brachte sie mit dem Kaffee ebenfalls an den Tisch. »Ich weiß, daß ich dir helfen kann, Silvestri. Wenn du es zuläßt.« Sie kehrte in die Küche zurück, um Tassen zu holen.

Er machte sich über das Omelett her. »Das schmeckt gut, Les. Wußte ja gar nicht, daß du kochen kannst.«

»Es gibt vieles, das du über mich nicht weißt«, sagte sie schärfer als gewollt. Sie konzentrierte sich auf ihr Omelett.

»So?« Er hörte auf zu essen. »Was zum Beispiel?«

Sie dachte an Bill Veeder. An ihren abgebrochenen Flirt. »Ich habe Rita heute getroffen.«

»Ach ja? Wo?« Er aß weiter.

»Ich habe mit einem potentiellen Kunden etwas getrunken«, sagte sie glattzüngig. Lügner, Lügner, Lügner. »Rita war zusammen mit einem Kollegen da ...« Silvestri starrte geistesabwesend auf seinen Teller hinunter.

Ohne ein weiteres Wort beendeten sie ihre Mahlzeit, sie trug die leeren Teller in die Küche und stellte sie in die Spüle.

Als sie zurückkehrte, wanderte er im Zimmer auf und ab, ohne Izz’ Herumgetänzel zu beachten.

»Verdammt Silvestri. Jetzt habe ich’s aber satt. Sag mir jetzt endlich, was, zum Teufel, mit dir los ist.«

Er blieb stehen und starrte sie an. Plötzlich hatte sie das Gefühl, daß eine kalte Hand nach ihr griff. In seinen Augen las sie, daß sie eine Fremde für ihn war. Schließlich sagte er: »Setz dich, Les. Ich muß über einiges mit dir reden.«

»Klingt unheilverkündend.« Sie lächelte nervös. Dann füllte sie die Tassen mit Kaffee und gab ihm eine.

Er nahm die Tasse entgegen, erwiderte ihr Lächeln aber nicht. »Du wirst das jetzt wahrscheinlich persönlich nehmen, aber ich muß es einfach tun. Und ich kann es nicht hier tun.«

Sie versuchte ihm zu folgen, vermochte es aber nicht. Was wollte er ihr damit sagen? »Laß es uns deutlich formulieren«, schlug sie vor. Es mißfiel ihr, wie dünn ihre Stimme klang. »Mit hier meinst du mich.« Das war schlimmer, als sie erwartet hatte.

»Ich wußte, daß du es persönlich nehmen würdest. Es ist nicht persönlich gemeint, verdammt noch mal, ich muß nur allein damit fertig werden.«

Sei nicht so egoistisch, sagte sie sich. Es geht um ihn, nicht um dich. »Aber ich kann dir doch helfen, Silvestri. Sollten wir nicht Freunde sein? Rede mit mir.«

Seine Augen waren wie Granit. »Siehst du, was du tust? Du verurteilst mich, nörgelst an mir herum. Das kann ich jetzt nicht brauchen. Ich kann nicht klar denken, und du läßt mir keinen Raum.«

Nörgeln? Das war das einzige Wort, das zu ihr durchdrang. Es traf sie tief. »Ich nörgle nicht. Ich will, daß wir miteinander kommunizieren. Wir sollten den Schmerz miteinander teilen, wenn wir ...« Sie hielt inne und schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter. »Du gehst also.«

Er sah überallhin, nur ihr nicht in die Augen. »Ich ziehe nur aus, bis ich wieder einen klaren Kopf habe.«

»Klar«, wiederholte sie bitter. »Bei mir warst du alles andere als klar und geradeheraus, seit Sheila Gelber ... ermordet wurde. Ich habe dir gesagt, daß ich dich verstehe ...«

»Siehst du?« Er schrie sie an. »Das meine ich. Du läßt es einfach nicht auf sich beruhen.« Er stapfte den Flur entlang. Tränen schmerzten in ihren Augen. Sie weigerte sich, sie zu vergießen. Aus dem Schlafzimmer und dann aus dem Badezimmer drang das Geräusch knallender Türen und Schubladen. Er packte.

Izz, die ihm mit schlaff herabhängendem Schwanz gefolgt war, kehrte zurück und kuschelte sich gegen ihre Knöchel; sie wußte, daß sie Probleme hatten.

Silvestri hatte sie als Nörglerin bezeichnet. Wohl kaum ein Ausdruck seiner Zuneigung.

»Les«, sagte er, und seine Stimme brach. Er stand am anderen Ende des Zimmers. »Ich will dich nicht verletzen. Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken, und das muß ich allein tun.«

»Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der du für mich da warst. Laß mich doch das gleiche für dich tun.«

»Das hier ist etwas anderes. Ich muß das, was uns verbindet, eine Weile zurückstellen. Es gibt keinen Grund, warum ich dir mehr über den Fall erzählen oder dich in die Sache hineinziehen sollte.«

»Es gibt jeden Grund. Entweder machen wir weiter oder eben nicht. Was verbindet uns wirklich miteinander, Silvestri? Wir treffen uns: Guten Morgen, gute Nacht, bis später. Du gibst nichts, du nimmst nichts. Also sag mir, was verbindet uns wirklich?«

Er wandte sich von ihr ab. »Für so etwas habe ich jetzt keine Zeit.«

Ihr Zorn war kalt und vernichtend. »Silvestri, wenn du mich jetzt verläßt, auf diese Weise, dann brauchst du nicht zurückzukommen.«

Das Klingeln des Telefons durchschnitt die Wut und den Schmerz. Sie ging dran.

»Leslie«, sagte Metzger. »Ist Silvestri da?«

»Bleib dran.« Wortlos gab sie Silvestri das Telefon.

»Ja?« Er legte seine Kleider auf einen Stuhl. Einen Augenblick später rief er: »Allmächtiger.« Er warf Wetzon einen Blick zu, wandte ihn wieder ab. »Wann wird man Genaueres wissen?« Wieder die Augen auf Wetzon. »Nicht hier. Ich gehe eine Weile zurück nach Chelsea.« Er legte schnell auf, aber nicht schnell genug. Wetzon hatte Metzgers erstaunten Ausruf noch mitbekommen.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Für eine Weile? Warum hast du ihm nicht die Wahrheit gesagt?«

»Was ist die Wahrheit, Les?« Er beugte sich zu ihr hinab und küßte sie auf den Mund. »Das ist die Wahrheit.«

Aber sie weigerte sich, seinen Kuß zu erwidern. »Was immer das heißt.«

Er legte seinen Schulterhalfter an, zog das Jackett über und hob seine Reisetasche auf. Als er die Tür öffnete, schoß Izz in den Flur.

»Komm zurück«, schrie Wetzon, hechtete ihr hinterher und nahm das sich windende, pelzige Knäuel in die Arme. »Du bist nicht gemeint, Silvestri. Du bist Geschichte.«

»Ich komme zurück.«

»Darauf würde ich nicht wetten. Ich werde nicht hier herumsitzen und auf dich warten.«

»Tu, was du tun mußt.« Plötzlich lachte er, als ob das alles nur ein Scherz wäre. »Ich liebe dich, wenn du wütend bist.«

»Ach, verpiß dich, Silvestri. Los, raus hier. Das hier ist kein Liebesroman.«

Er drückte auf den Aufzugknopf. »Außerdem bist du ein ganz schöner Schlaumeier.«

»Schlaumeier!« Wütend schlug sie die Wohnungstür zu und schloß ihn aus. Was, zur Hölle, wollte er damit sagen? Wollte er sich etwa entschuldigen? Zu spät. Es war vorbei. Vorbei. Sie hielt inne. Was hatte er tatsächlich gemeint, als er gesagt hatte, daß sie ein Schlaumeier sei? Sie öffnete die Tür erneut. Izz versuchte, sich aus ihren Armen zu winden, um Silvestri hinterherzulaufen, der zwar am Aufzug stand, aber die Tür aufhielt und auf sie wartete.

Er kannte sie einfach zu gut. Er hatte gewußt, daß sie ihrer Neugier nachgeben würde.

Er ließ die Tür los, und als sie zuglitt, rief er: »Das Gift war tatsächlich in den Maismehlmuffins.«

Ophelia im Hudson River

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