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John Henry Newman

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Obwohl Darwins Ideen in manchen kirchlichen Kreisen aufWiderstand stießen, wurden sie von John Henry Newman, dem bedeutendsten religiösen Autor des Viktorianischen Zeitalters, mit Gleichmut zur Kenntnis genommen. Kurz nachdem Die Entstehung der Arten erschienen war, bemerkte Newman, dass man, wenn man an die Schöpfung jeder einzelnen Art glauben wollte, an die Erschaffung von Fossilien enthaltenden Gesteinen glauben müsste. „Die Annahme der getrennten Erschaffung jeder einzelnen Art weist den gleichen Mangel an Einfachheit auf“, schrieb er, „wie die Annahme der Erschaffung von Bäumen im ausgewachsenen Zustand oder von Gesteinen, die Fossilien enthalten. Ich meine, dass es ebenso merkwürdig wäre, dass Affen den Menschen so ähnlich sind, wenn es keine historische Verbindung zwischen ihnen gibt, wie es seltsam wäre, dass sich versteinerte Knochen in Felsen finden, ohne dass es eine Geschichte oder Reihenfolge von Tatsachen gibt, die dies erklärt.“19 Er war bereit, sich „Darwin voll und ganz anzuschließen“, und er beteiligte sich an keinem Streitgespräch zwischen Wissenschaft und Religion. Sein Anspruch auf einen Platz in der Geschichte der Philosophie hat andere Gründe.

Newman wurde im Jahre 1801 in London geboren. Von 1817 bis 1820 absolvierte er sein Grundstudium am Trinity College in Oxford, und von 1822 bis 1845 war er Fellow am Oriel College. 1828 wurde er Pfarrer der Universitätskirche St Mary’s und erwarb sich einen dauerhaften Ruhm als Prediger. Er war zwar protestantisch erzogen worden, doch wuchs in ihm über die Jahre die Überzeugung, dass die wahre Auslegung des Christentums sein katholisches Verständnis sei. Er war einer der Gründer der „Oxford-Bewegung“ (Oxford Movement), die versuchte, katholischen Prinzipien innerhalb der anglikanischen Kirche Englands Geltung zu verschaffen. Im Jahre 1845 konvertierte er jedoch zum Katholizismus und gab sein Fellowship am Oriel College auf.

Als römisch-katholischer Priester gründete er in Birmingham, wo er den größten Teil seiner restlichen Lebensjahre verbrachte, ein Oratorium bzw. eine Gemeinschaft von Gemeindepriestern. 1850 wurde er zum ersten Rektor einer neuen katholischen Universität in Dublin ernannt. Er bekleidete dieses Amt bis zum Jahre 1858. Die Vorlesungen und Ansprachen, die er in dieser Rolle hielt, wurden zu dem Buch Die Idee der Universität zusammengefasst, das, nachdem es erschienen war, zu einem Klassiker der Philosophie der Erziehung wurde.

Newman verfasste vor und nach seinem Übertritt zum Katholizismus zahlreiche theologische Werke, doch sein Anspruch, als bedeutender Autor gelten zu können, gründete sich im Bewusstsein der Allgemeinheit auf seine Apologia pro Vita Sua. Es handelt sich hierbei um seine Autobiografie, die er als Antwort auf Vorwürfe schrieb, die der Romanschriftsteller Charles Kingsley gegen seine Integrität erhoben hatte. Außer historischen und erbaulichen Werken schrieb er einen philosophischen Klassiker, An Essay in Aid of a Grammar of Assent20 (1870), in dem er erkenntnistheoretische Ideen entwickelte, die er ursprünglich in Universitätspredigten in St Mary’s vorgestellt hatte. Als das Vatikanische Konzil im Jahre 1870 die päpstliche Unfehlbarkeit definierte, konnte Newman die Begeisterung von Kardinal Manning, der Oberhaupt der katholischen Kirche Englands war, nicht teilen. Trotzdem wurde er 1879 von Papst Leo XIII. zum Kardinal ernannt. Bis zu seinem Tode im Jahre 1890 führte er ein zurückgezogenes Leben. Zu seinen in der Gegenwart bekanntesten Werken zählt Der Traum des Gerontius, ein Drama in Gedichtform, und eine Meditation über den Tod, die 1900 von Edward Elgar vertont wurde.

Newmans Interesse an der Philosophie entstammte seinem Wunsch, der Welt zu beweisen, dass nicht nur der Glaube an Gott, sondern auch die Zustimmung zu einem speziellen religiösen Bekenntnis eine vollkommen vernünftige Haltung darstellt. Er ging offen und ehrlich auf die Frage ein: Wie kann ein religiöser Glaube angesichts der Tatsache, dass die Beweise für seine Schlussfolgerungen für die vollständige Hingabe des Glaubens nicht auszureichen scheinen, dennoch gerechtfertigt sein? Anders als Kierkegaard verlangte er nicht die Annahme des Glaubens in der Abwesenheit von Gründen, einen blinden Sprung über einen Abgrund. Er versuchte zu zeigen, dass die Einwilligung zu einem Bekenntnis selbst vernünftig sei, selbst wenn seine einzelnen Aussagen nicht bewiesen werden konnten. Im Laufe seiner Behandlung dieser Frage in The Grammar of Assent hatte Newman über das Wesen des Glaubens, in säkularen ebenso wie in religiösen Zusammenhängen, Vieles von allgemeinem philosophischem Interesse zu sagen.

Die allgemeine philosophische Frage, die Newman stellte, war folgende: Ist es immer falsch, einer Aussage zuzustimmen, wenn keine hinreichenden Beweise oder Argumente dafür vorliegen? Locke hatte behauptet, dass man sich der Wahrheit keines Satzes sicherer sein sollte, als durch die Beweise, auf die er sich gründete, gerechtfertigt war. Hierauf antwortete Newman mit dem Hinweis auf die Tatsache, dass die Gewissheit, mit der wir die Wahrheit vieler unserer festesten Überzeugungen annehmen, weit über die schwachen Beweise hinausgeht, die wir dafür anführen könnten. Wir alle glauben, dass Großbritannien eine Insel ist, doch wie viele von uns haben sie umsegelt oder Leute getroffen, die sie umsegelt haben? Wenn wir uns weigern würden, jemals einem Satz zuzustimmen, für dessen Wahrheit wir nur unzureichende Beweise haben, könnte die Welt nicht fortbestehen, ja könnte selbst die Wissenschaft keine Fortschritte machen.

Ein religiöser Glaube kann daher nicht deshalb als irrational verurteilt werden, weil er sich auf Gründe stützt, die mutmaßlichen Charakter haben. Tatsächlich behauptete Newman, dass sich in der Geschichte des Judentums überzeugende Beweise für die Wahrheit der christlichen Religion finden ließen. Er gestand allerdings zu, dass die Kraft dieser Beweise davon abhing, ob jemand bereit war, sie für sich gelten zu lassen: d.h., ob er an die Existenz Gottes und die Möglichkeit einer Offenbarung glaubte. Auf die Frage, warum man überhaupt an Gott glauben sollte, antwortete Newman, die Macht Gottes könne in der Stimme des Gewissens erlebt werden.

Nur wenige, die nicht bereits Gläubige waren, haben Newmans Argument für die Existenz Gottes, das sich auf die Stimme des Gewissens stützt, oder seine Berufung auf das Zeugnis der Geschichte überzeugend gefunden. Doch die allgemeinen erkenntnistheoretischen Erläuterungen, in die er seine Apologetik einbettet, wurden auch von Philosophen bewundert, die weit davon entfernt waren, seinen religiösen Glauben zu teilen. Man wird wohl behaupten dürfen, dass seine Behandlung von Glauben und Gewissheit die beste zwischen Hume und Wittgenstein ist.21

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