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Die Pythagoreer

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In der Antike teilte sich Pythagoras mit Thales das Verdienst, die Philosophie in die griechische Welt eingeführt zu haben. Pythagoras wurde auf Samos geboren, einer Insel vor der Küste Kleinasiens, etwa um das Jahr 570 v. Chr. Im Alter von 40 Jahren emigrierte er nach Kroton im Südwesten der stiefelförmigen italienischen Halbinsel. Dort spielte er eine führende Rolle in den politischen Angelegenheiten der Stadt, bis er während einer gewaltsamen Revolution um das Jahr 510 v. Chr. verbannt wurde. Er zog in das nahe gelegene Metapontum um, wo er um die Jahrhundertwende starb. Während seiner Zeit in Kroton gründete er eine halbreligiöse Gemeinschaft, die über seinen Tod hinaus fortbestand, sich aber um das Jahr 450 v. Chr. auflöste. Man schreibt ihm die Erfindung des Wortes „Philosoph“ zu: Statt zu beanspruchen, er sei ein kluger oder weiser Mann (sophos), erklärte er bescheiden, er sei lediglich ein Liebhaber der Weisheit (philosophos) (D.L. 8.8). Die Einzelheiten seines Lebens sind von Legenden umrankt, aber fest steht, dass er Mathematik betrieb und sich mit Mystik beschäftigte. Während der gesamten Antike, von Platon bis Porphyrios, war sein geistiger Einfluss, entweder als solcher anerkannt oder auf implizite Weise, auf beiden Feldern beträchtlich.

Die Entdeckung der Pythagoreer, dass zwischen den Abständen von einzelnen Tönen und Zahlenverhältnissen eine Beziehung besteht, führte zu der Überzeugung, das Studium der Mathematik sei der Schlüssel zum Verständnis der Struktur und Ordnung des Universums. Astronomie und Harmonielehre, so behaupteten sie, seien Schwesterwissenschaften, die eine für die Augen und die andere für die Ohren (Platon, Pol., 530d). Es dauerte jedoch noch zwei Jahrtausende, bis Galileo und seine Nachfolger zeigten, in welchem Sinne es zutrifft, dass das Buch des Universums in Zahlen geschrieben ist. In der Antike war die Arithmetik noch zu sehr mit Zahlenmystik verwoben, um den Fortschritt der Wissenschaft fördern zu können, und die allgemeinen wissenschaftlichen Errungenschaften dieser Epoche (wie zum Beispiel die Zoologie des Aristoteles und die Medizin Galens) wurden ohne Hilfe aus der Mathematik erzielt.


Pythagoras empfiehlt eine vegetarische Lebensweise, nach der Vorstellung von Rubens.

Die philosophische Sozietät des Pythagoras in Kroton war der Prototyp vieler derartiger Institutionen: Die Akademie Platons, das Lykeion des Aristoteles, Epikurs Garten und viele andere folgten ihrem Beispiel.

Einige dieser Gemeinschaften hatten eine rechtliche Verfassung, während andere weniger formal waren. Einige glichen modernen Forschungsinstituten, andere waren eher Klöstern ähnlich. Die Gefährten des Pythagoras praktizierten Gütergemeinschaft und lebten nach asketischen und zeremoniellen Regeln: Sie hielten Zeiten des Schweigens ein, brachen kein Brot, lasen keine Krümel auf, schürten das Feuer nicht mit einem Schwert, zogen den rechten immer vor dem linken Schuh an usw. Die Pythagoreer ernährten sich zunächst nicht völlig vegetarisch, doch vermieden sie es, bestimmte Arten von Fleisch, Fisch und Geflügel zu essen. Am bekanntesten ist, dass es ihnen verboten war, Bohnen zu essen (KRS 271f., 275f.).

Diese Diätvorschriften ergaben sich aus Pythagoras’ Glaubensüberzeugungen bezüglich der Seele. Er glaubte, dass sie nicht mit dem Körper stirbt, sondern eine Wanderung vollzieht, vielleicht in den Körper eines Tieres einer anderen Art.3 Einige Pythagoreer erweiterten diesen Glauben zu demjenigen an einen 3000 Jahre dauernden, kosmischen Kreislauf: Die menschliche Seele würde nach dem Tode nacheinander in jedes Lebewesen auf dem Land, im Meer und in der Luft wandern und schließlich in einen menschlichen Körper zurückkehren, damit sich die Geschichte wiederholen könne (Herodot 2. 123; KRS 285). Von Pythagoras selbst glaubten seine Anhänger, er sei nach dem Tode zu einem Gott geworden. Sie verfassten Biografien über ihn, die zahlreiche Wunder berichteten, und schrieben ihm ein zweites Gesicht und die Fähigkeit zu, sich an zwei Orten gleichzeitig zu befinden. Er soll einen goldenen Oberschenkel gehabt haben und der Sohn des Apollon gewesen sein. Eine etwas prosaischere Anekdote erzählt, der Ausspruch „Ipse dixit“ 4 sei zu seinen Ehren erfunden worden.

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