Читать книгу Heile, Heile München - Arik Steen - Страница 18

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Keine halbe Stunde später stieg Daniel in das Fahrzeug des Kommissars. «Du machst Scherze, oder?»

«Erst mal guten Morgen.»

«Steck dir deinen guten Morgen dorthin, wo die Sonne niemals scheint. Was ist mit dem Namensschild?»

«Wer waren die beiden Frauen, die aus deiner Türe kamen?»

«Was weiß ich. Das Haus ist groß. Ich kenne nicht alle, die dort wohnen.»

Philipp schaute ihn kritisch an. «Die eine von den beiden. Die saß doch gestern neben uns ...»

«Tatsächlich? Was es für Zufälle gibt.»

«Ach ja? Sie waren also nicht bei dir?»

«Nein», log Daniel. «Was ist nun mit dem Namensschild?»

«Es steht dein Name drauf. Adler.»

«Okay. Hast du schon gesagt. Das heißt nichts. Oder?»

«Welche Blutgruppe hast du?»

Daniel seufzte. «A positiv»

Philipp gab ihm eine kleine durchsichtige Tüte. Darin war ein olivgrünes Namensschild. «Adler A+»

«Scheiße», meinte Daniel. Es war durchaus bei manchen Soldaten üblich die Blutgruppe auf dem Namensschild mit zu verewigen. Johnny versuchte ihn hier eindeutig mit dem Fall in Verbindung zu bringen.

«Ist doch ein großer Zufall oder?», fragte Philipp.

«Es gibt sicherlich auch noch einen anderen Soldaten, der bei der Armee ist und Adler mit Nachnamen heißt», meinte Daniel, wusste aber, dass seine Argumentation hinkte.

«Richtig. Aber sicherlich nicht so viele, die dann noch Blutgruppe A+ haben und bei der Fallschirmjägereinheit waren. Wir dürfen das Barettabzeichen nicht vergessen. Ein Fallschirmjägerabzeichen.»

«Bin ich jetzt festgenommen?»

«Unsinn», meinte der Kommissar und startete den Motor. «Ich verdächtige dich nicht.» Doch in Gedanken fügte er hinzu: «Jedenfalls noch nicht.»

«Was denkst du also?», fragte Daniel.

«Dass es mit dir direkt oder indirekt zu tun hat. Das denke ich. Dass du den Mörder kennst.»

«Ich weiß nicht, wer es sein könnte», log der ehemalige Fallschirmjäger-Offizier.

«Oh, das habe ich gar nicht behauptet!», sagte Philipp. «Du weißt nicht, wer es ist, aber vermutlich kennst du ihn. Oder zumindest er dich! Das hier ist persönlich motiviert.»

Daniel seufzte, während Philipp losfuhr. Dann meinte er zu dem Kommissar: «Wo fahren wir hin?»

«Wir schauen uns die Leiche an. Vielleicht kennst du den Mann. Auch wenn es kein schöner Anblick ist.»

Daniel besuchte nun zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden die rechtsmedizinische Abteilung. Er ging mit Philipp den kalt wirkenden Gang entlang. Es war Samstag und nur die Wenigen, die Bereitschaft hatten, arbeiteten. Daniel war froh darüber. Aber den Besuch machte es dennoch nicht einfacher.

«Ist Dr. Mey da?», fragte Philipp einen Angestellten im weißen, sterilen Anzug.

Dieser nickte. «Er ist bei Ihrem Opfer! Gang runter, hinterste Tür links.»

«Okay», Philipp nickte.

«Dein Opfer?», meinte Daniel. «Hört sich gruselig an.»

«Es ist mein Fall», erklärte Philipp, obwohl das nicht notwendig war. Daniel wusste sehr wohl, wie es gemeint gewesen war. «Halte mich nicht für dumm. Ich habe es schon verstanden.»

«Das ist bei dir immer so eine Sache. Zwischen einer wirklichen Aussage und einem ironischen Spruch ist bei dir nur eine Haaresbreite.»

«Zeig schon den Toten.»

Philipp klopfte an die Türe. Doktor Mey rief «Herein» und Philipp öffnete.

Der Leichnam lag auf einem Tisch. Doch das Bild, das sich bot, war schrecklicher, als Daniel es sich hatte vorstellen können. Er wich sofort einen Meter zurück und atmete flach.

«Alles okay?», fragte der Rechtsmediziner so als wäre nichts dabei.

«Es geht ihm gut», meinte Philipp, doch auch ihm war anzusehen, dass der Anblick nicht alltäglich war.

«Was, in Gottes Namen, ist passiert?» fragte Daniel und starrte auf das, was mal ein Mensch gewesen war.

«Jemand hat ihn in zwei Hälften zersägt», meinte der Rechtsmediziner. «Bei lebendigem Leib. Als wären wir im Mittelalter! Eine verdammt große Schweinerei. Wer sind Sie überhaupt? Sie waren gestern schon hier ...oder?»

Philipp antwortete rasch in Daniels Namen. «Er ist ein Kollege von Europol.»

Der Rechtsmediziner runzelte die Stirn. «Okay. Wie auch immer. Ich kann mir kaum einen schlimmeren Tod vorstellen. Bei lebendigem Leib einfach geteilt. Seinen Hodensack hat es als erstes zerfetzt und dann ...»

«Okay. Ich möchte es mir gar nicht vorstellen», meinte Daniel rasch.

Die Tür ging auf und ein Mann kam herein. Etwa Mitte Fünfzig. Graues Haar und einen grauen Vollbart. Daniel erkannte ihn. Es war der Kollege gewesen, der am Tag zuvor die Witwe hergebracht hatte. Er nickte Philipp zu, blickte dann auf die Leiche. «Wir haben die Bestätigung. Dieser Mann war der Besitzer der Metzgerei.»

«Okay, Bernd», Philipp seufzte, «und keine Verbindung zum ersten Opfer?»

«Noch keine erkennbare Verbindung zumindest», sagte Philipps Kollege namens Bernd. Er musterte Daniel genau. So richtig konnte er ihn nicht zuordnen.

«Gut. Ich habe noch was zu erledigen», meinte Philipp zu seinem Kollegen, «wir sehen uns später.»

Der grauhaarige Beamte nickte. «In Ordnung. Treffen wir uns im Büro?»

Philipp schüttelte den Kopf: «Mach jetzt mal Wochenende. Wir sitzen seit zwei Tagen an diesem Fall und benötigen nun mal Ruhe.»

Bernd schaute ihn an. Dann auf seine Uhr: «Stimmt. Wir haben Samstag. Herrje, das ist aber auch ein Fall ...» Dann ging er als Erster hinaus.

Daniel folgte Philipp schließlich ebenfalls nach draußen. Bernd war nicht mehr zu sehen. «Was erzählst du deinem Kollegen, wer ich bin? Ebenfalls, dass ich von Interpol bin?»

«Europol hatte ich gesagt. Und nein, das erzähle ich dem natürlich nicht. Das würde Fragen aufwerfen.»

«Das tut es ohnehin schon. Hast du gesehen, wie er mich angeblickt hat?»

«Bernd ist in Ordnung. Er ist ein wenig altmodisch, aber er ist ein guter Polizist.»

«Das ist überhaupt nicht der Punkt», sagte Daniel. «Ich werde dich auf jeden Fall nicht mehr in die Pathologie begleiten.»

«Vorab. Das war die Rechtsmedizin, nicht die Pathologie. Aber erst müssen wir die Frage klären, ob du den Mann kennst?»

«Den Metzger? Woher sollte ich?»

«Was weiß ich. Das ist ja der Punkt. Ich suche eine Verbindung. Zwischen der Leiche, dem Barettabzeichen und vor allem auch deinem Namensschild.»

«Ich weiß es nicht, Herrgott, ich weiß es nicht.»

«Aber du kannst dir doch vorstellen, dass ich irritiert bin? Das ich solche Fragen stellen muss?»

«Sicher», seufzte Daniel, «was auch immer da gespielt wird. Es wirft Fragen auf. Und ich gebe zu, irgendwie möchte mich da jemand mit reinziehen.»

«Jemand, der weiß, dass du noch lebst.»

«Ist davon auszugehen!», murmelte Daniel und schaute einer jungen Dame hinterher, die im weißen Anzug lächelnd an ihm vorbeiging.

«Wer weiß alles, dass du lebst?»

«Du und mein Arbeitgeber», sagte Daniel.

«Herr Saibling? Dieser ...Politiker?»

«Genau!», Daniel nickte. «Und dessen Familie. Wobei die nicht wissen, dass ich tot bin.»

«Wenn also jemand die zwölfjährige Tochter von Herrn Saibling fragt, ob ein gewisser Daniel Adler bei ihnen ein und ausgeht, dann wird sie das nicht verneinen?»

«Meinen Nachnamen kennt sie nicht.»

«Herrgott, ja. Okay. Aber mal angenommen jemand zeigt ihr ein Bild und fragt: lebt dieser Kerl noch.»

«Dann wird sie das bestätigen.»

«Du spielst ein riskantes Spiel, das ist dir bewusst?»

«Seit sieben Jahren arbeite ich für diese Familie. Die Kleine war damals fünf. Für sie bin ich im Endeffekt schon immer da. Riskanter finde ich, dass du mich hier in die Pathologie schleppst.»

«Ich habe dir schon mal gesagt, das ist die rechtsmedizinische Abteilung, nicht die Pathologie. Ich brauche dich jetzt nicht mehr», sagte Philipp, «aber ... bleib in der Nähe.»

«Wie bitte?», Daniel schaute verwirrt drein.

«Ich würde es gut finden, wenn du in München bleibst!»

«Arschloch. Das klingt, als würdest du mich tatsächlich verdächtigen.»

Philipp seufzte. «Nein. Aber du hast damit etwas zu tun. Wenn auch vielleicht indirekt. Ich fahre dich nach Hause.»

«Ich verzichte», meinte Daniel, «und ich finde selbst hinaus.»

Heile, Heile München

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