Читать книгу Heile, Heile München - Arik Steen - Страница 22
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ОглавлениеEntscheide dich.
Es war kalt, aber Daniel spürte Schweißperlen auf seiner Stirn. Eigentlich war die Entscheidung leicht. Oder doch nicht? Das Appartement von Saibling war in zwanzig Minuten erreichbar. Wenn er rannte. Nach Grünwald brauchte er vielleicht dreißig Minuten. Allerdings mit dem Auto. Und das hatte er nicht. Und dennoch entschied er sich für diese Option. Er rannte aus der Fußgängerzone hinaus auf die Straße. Schnell schaute er sich um. Blickte hinüber zu einem Hotel, wo ein recht teurer Schlitten vorfuhr. Mit schnellen Schritten ging er auf den Fahrer zu.
«Darf ich?», fragte er und nahm den Schlüssel.
«Sicher!», meinte der Mann etwas verdutzt. «Sie sehen gar nicht aus wie ...»
Daniel sprang ins Auto, startete den Motor und fuhr los. Mit kreischenden Reifen. Der Fahrzeugbesitzer blieb wild gestikulierend zurück.
«Nein», sagte Daniel zu sich selbst, «ich sehe nicht aus wie ein verdammter Parkservice eines Hotels.»
Nur nicht zu schnell fahren. Nicht, dass irgendwo eine Streife stand. Er fuhr ja schließlich ein geklautes Auto. Auf der anderen Seite war das hier nicht New York. Hier stand nicht an jeder Ecke eine Polizeistreife. Aber vielleicht in New York auch nicht. Er war noch nie dort gewesen.
Der Wagen beschleunigte verdammt gut. Aber das half nicht allzu viel, wenn immer wieder eine Ampel im Weg stand, die auch noch rot war. War das der richtige Weg? Vor allem, war es der schnellste Weg? Eine Ampel. Er tippte die Adresse ins Navi ein. Gleich darauf ging es weiter, es wurde grün. Über die Reichenbachbrücke, dann scharf nach rechts. Weiter bis zum Kolumbusplatz und den Giesinger Berg hinauf. Hier konnte der Wagen seine PS ausreizen. Obwohl es mächtig nach oben ging, flog die Heilig-Kreuz-Kirche förmlich an ihm vorbei. Wieder eine Ampel. Rechts von ihm war das Schild des Giesinger Bräu zu sehen. Gestern hatte er hier noch ein Bier getrunken. Weiter in die Martin-Luther-Straße und schließlich auf die Grünwalder Straße. Noch eine gottverdammte Ampel. Vor ihm war das Grünwalder Stadion. Leer und verlassen. Kein Spiel am heutigen Samstag. Oder doch? An zwei Fahnenmasten wehten Fahnen des FC Bayern München. Echt jetzt? Grün und er gab Gas. Jetzt ging es bis Grünwald immer nur gerade aus.
Daniel schaute in den Rückspiegel. Wurde er verfolgt? Ihm war bereits zwei Ampeln vorher dieser graue Mercedes aufgefallen. Und nun hing er immer noch hinter ihm. Obwohl er bereits mehrmals abgebogen war.
Daniel überlegte. Ihn abhängen? Unsinn. Wer auch immer ihn verfolgte, im Grunde wusste er ja, wohin er wollte.
Mit quietschenden Reifen blieb er vor dem Anwesen stehen. Das Tor war offen, was ungewöhnlich war. Er stieg aus. Sein Blick fiel zurück und die Straße entlang. Eine einsame Straße, in der sich Villa an Villa reihte. Der Verfolger war nicht zu sehen. Wenn es denn ein Verfolger gewesen war.
Dann ging sein Blick in Richtung Haus. Eine Waffe hatte er nicht und im Grunde wusste er auch nicht was ihn erwarten würde. Er ging durch das Tor in Richtung Haus. Dort stand die Tür offen. Einladend. Und in ihm löste das alle Alarmglocken im Gehirn aus. Fick dich, du Psychopath. Daniel wusste, dass er die Kontrolle übernehmen musste. Was erwartete Johnny? Dass er nun einfach durch die Tür spazierte?
Daniel dachte nach. Das war zu leicht. Er musste sich selbst eingestehen, dass er kurz davor war loszurennen. Aber er riss sich zusammen. Er wurde dort sicherlich nicht zu einer Party eingeladen.
Auf der anderen Seite war Johnny nicht dumm. Vielleicht erwartete er genau das. Die offene Türe war mehr als offensichtlich. Vielleicht war das der Trick.
Also doch den ganz normalen Weg gehen? Daniel wusste es nicht. Er war ausgebildeter Soldat. Er war auch für den Orts- und Häuserkampf ausgebildet. Aber da ging man anders vor. Im Team und bei feindlicher Besetzung mit Blendgranaten und Feuerstößen. Das hier war Grünwald. Und er hatte nicht einmal eine Waffe in der Hand. Wo war die Falle?
Also doch durch die Türe. Daniel wünschte sich nichts mehr als eine Waffe in der aktuellen Situation. Am Eingang griff er nach einem Ständer, an den man eine Lampe hängen konnte. Ein kitschiger Scheiß der Dame des Hauses. Damit hatte er aber wenigstens etwas in der Hand.
Schließlich ging er weiter. Unten waren die Küche und das Esszimmer. Und das Büro des Hausherrn. War da nicht eine Waffe? Daniel überlegte. Ja, da hatte er eine Waffe gesehen. Im Safe. Ganz sicher. Als ihn Jakob bezahlt hatte. Das tat er immer in bar. Weil es Daniel nicht gab.
Er ging ins Büro. Starrte auf den Safe. Verdammt. Du musst schneller sein. Wer weiß, was mit der Familie war. Er schaute auf die Uhr. Vier Minuten noch, dann war die Zeit abgelaufen. Was auch immer das Bedeutete.
Er gab den Code ein. 08111968. Das Geburtsdatum von Jakobs Frau. Daniel hatte das schon längst kapiert, aber nie etwas gesagt. Er öffnete den Tresor und griff nach der Waffe. Eine HK P12. Er selbst hatte damals als Offizier eine HK P8 gehabt. Die P12 war präzise und hatte einen deutlich geringeren Rückstoß als die P8. Hatte Daniel zumindest gehört. Er hatte sie noch nie abgefeuert.
Er nahm das Magazin heraus und lud durch. Dann ging er hinaus und die Treppen hinauf. Wo waren sie? Vielleicht im Salon? Die Türe zum Salon war geschlossen. Das war sie eigentlich nie. Wieder durchzog ein Zögern seinen Körper. Tat er das Richtige?
Daniel öffnete langsam die Tür. Er spürte den Widerstand, zog kräftiger und schließlich löste sich ein Schuss ...