Читать книгу Heile, Heile München - Arik Steen - Страница 9
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ОглавлениеMit zittriger Hand steckte Maja das Handy weg. Ihre Mutter hatte sich nicht gut angehört. Es war etwas passiert, definitiv. Und sie musste nach Hause.
«Alles in Ordnung?», fragte der Mann vor ihr. Als Modelscout hatte er sich vorgestellt. Neben ihm die durchaus attraktive Blondine.
Sie schüttelte den Kopf. «Ich muss heim.»
«Ist was passiert?»
«Ich weiß es nicht. Aber ich muss schnell heim.»
«Ich kann dich heimfahren. Ich habe hier nicht weit in der Tiefgarage mein Auto.»
Majas Instinkte rührten sich und dennoch waren sie vernebelt. Ihre Mutter hatte sich nicht gut angehört. Vielleicht war es wirklich besser sich fahren zu lassen statt mit der S-Bahn zu fahren und dann noch einige Stationen mit der Tram.
«Ernsthaft, Maja. Ich kann dich schnell nach Hause bringen.»
Sie zögerte. Ihr Blick ging Richtung S-Bahn-Eingang.
«Ich könnte doch mitfahren», meinte die Blondine. «Falls dir das lieber ist. Ich verstehe dich schon. Man steigt nicht zu einem fremden Mann ins Auto.»
Das war ein Angebot. Maja nickte. Ihre Unsicherheit verschwand. Eigentlich würde sie sowas nicht tun. Aber wenn eine Frau dabei war?
«Also, dann lass uns keine Zeit verlieren», meinte der Modelscout. Er ging Richtung Parkhaus.
Maja folgte ihm. Zusammen mit der Blondine.
«Du bist wirklich hübsch, er hat Recht», meinte das Model zu ihr.
«Danke!»
«Du hast eine große Karriere vor dir.»
Sie gingen über den Marienplatz. Es war immer noch reges Treiben auf dem Platz. Sie gingen zügig und überholten ausgerechnet Timo und David. Die beiden Schulkameraden schlenderten vor sich hin. Beide hatten sie eine Bierflasche in der Hand. In München nicht wirklich unüblich. Vor allem am Fischerbrunnen vor dem Rathaus gab es immer wieder Gruppen, die dort ihr Bier tranken. Es war zudem Freitagabend.
David erkannte Maja als Erster, als sie sich an ihm vorbeidrückte. Er pfiff. Allerdings nicht anerkennend, sondern rein um zu provozieren. «Wo geht´s den hin, Kampfmaus?»
Maja wollte einfach nur weiter. Sie musste heim zu ihrer Mutter. Um zu erfahren was passiert war. Sie folgte dem Modelscout, der vor ihr ging.
David packte sie am Arm. Grob hielt er sie fest.
«Lass mich los!», donnerte Maja ihn an.
«Oh, oh. Die Kampfmaus solltest du wohl nicht provozieren», grinste Timo.
Maja wusste, dass die beiden sie nur ärgern wollten. Aber aktuell war das einfach der falsche Zeitpunkt. «Lass mich los, sonst ...»
«Sonst was?»
«Lass sie los, Junge, sonst breche ich dir das Genick!», meinte Tamara plötzlich.
David ließ tatsächlich los. Der Tonfall von Tamara war barsch und duldete keinen Widerspruch.
Einen Moment schaute Maja ihn noch einmal an. Dann blickte sie zu Tamara, die sie überraschend freundlich anschaute. Das stand durchaus im Kontrast zu dem, was sie gerade gesagt hatte. Aber lange überlegen konnte und wollte Maja nicht. Deshalb ging sie weiter. Der Modelscout wartete fünf Meter weiter.
Sie gingen nach rechts. Links von ihnen lag nun der Alte Peter. Oft war sie auf dem 91 Meter hohen Turm der Peterskirche gewesen, der ältesten Pfarrkirche Münchens. Von oben hatte man einen fantastischen Blick.
Es ging weiter zur Tiefgarage. Maja hatte Mühe dem Mann zu folgen. Er ging mit schnellen, großen Schritten. Es war nicht so, dass Maja konditionell nicht mithalten konnte, sondern eher von der Schrittfrequenz. Rennen wollte sie natürlich nicht. Tamara hatte kein Problem. Offensichtlich war sie oft mit ihm unterwegs.
Der Modelscout ging zum Automaten. Er steckte einen Fünfziger hinein und bezahlte sein Ticket. Die beiden Frauen standen nun daneben.
«Wo musst du hin?», fragte er.
«Nach Harlaching», erwiderte sie.
«Gut!», er ging auf einen schwarzen Kastenwagen zu.
Majas Telefon klingelte. Sie schaute die beiden anderen an, dann ging sie ran. «Ja?»
Ihre Mutter schluchzte. «Wo bist du?»
«Ich ... ich bin bald da.»
«Ich muss los, Schätzchen. Ich werde also nicht daheim sein.»
«Sondern?»
«Ich erzähle es dir später, okay? Ich kann jetzt nicht darüber sprechen.»
Maja hatte einen Kloss im Hals. Unsicher antwortete sie. «Okay ... Mama. Aber dir geht es gut?» Was für eine dumme Frage. Natürlich ging es ihrer Mutter nicht gut. Sie heulte. Irgendetwas war passiert.
«Es wird alles wieder gut», sagte ihre Mutter leise. «Wir reden später.»
Maja legte auf. Sie steckte das Handy weg und drehte sich dann zum Auto. Verwirrt schaute sie auf die Blondine, die sie ein nun wenig spöttisch anschaute.
«Was ist?», frage Maja irritiert.
«Tut mir leid, Kleines», sagte die Blondine.
Maja verstand nicht. Sie wollte etwas sagen, als sie plötzlich spürte, wie jemand ihr von hinten etwas auf Mund und Nase presste.
«Tief einatmen», meinte die Frau vor ihr. «Dann geht es schneller.»
Panik erfasste Maja. Ein unangenehm süßlicher Geruch stieg in ihre Nase. Sie wollte sich umdrehen. Aber viel zu rasch spürte sie eine Art Nebel, der sich in ihrem Kopf festsetzte. Für einen Moment wollte sie sich aufbäumen, wollte kämpfen, aber dann erschlafften ihre Glieder.
«Träum süß, Kleines», sagte die Frau vor ihr. Aber das bekam Maja nicht mehr mit.