Читать книгу Heile, Heile München - Arik Steen - Страница 5

Kapitel 1 01

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«Tick tack, Schweinchen, tick tack ... deine Zeit läuft ab ...», grinste der Mann und begutachtete das Werkzeug, das vor ihm lag. Handwerkszeug für einen Schlachter. Mit einer Seelenruhe fuhr er über die Klinge eines scharfen Messers. Sofort löste sich ein Blutstropfen und fiel zu Boden. Er verzog keine Miene beim Schnitt. Dann jedoch beobachtete er süffisant lächelnd den Tropfen beim Fallen. Schließlich schaute er sich um. Schaute direkt zu Herbert, der auf dem gefliesten Boden saß.

Dieser beobachtete mit panischem Blick und großen Augen seinen Peiniger, der sich seelenruhig in der Metzgerei umsah. Er selbst war gefesselt und komplett nackt. In seinem Mund ein Knebel, wie man ihn bei Sexspielchen nutzte.

«Wie machst du das?», fragte der Mann schließlich und ging auf Herbert zu. «Stichst du deine Opfer mit so einem Teil ab? Schlitzt du dem Schweinchen die Kehle auf?»

Herbert wollte etwas sagen, aber er konnte nicht. Es kam nur undeutliches Gestammel aus seinem Mund. Nein, so lief das nicht ab.

Der Mann kniete sich vor ihn und schaute ihm direkt in die Augen. «Es gibt für alles das erste Mal, richtig?»

Einen Moment blickten sie sich nur an. Herbert mit großem ängstlichem Blick. Der Mann mit einem unheimlichen, verrückten Glanz in den Augen. Als hätte er einen Sportwagen gewonnen. Er sah gefährlich aus. Eine leicht rötliche wulstige Narbe ging quer über sein markant männliches Gesicht. Die Haare waren seitlich kurz geschoren, das Deckhaar etwas länger und zu einem Seitenscheitel gekämmt. Das personifizierte Böse, hämmerte es in Herberts Kopf. Er war ein Monster. Garantiert. Ein Monster in Menschengestalt.

«Du glaubst, ich bin der Teufel, oder?», meinte der Mann mit der Narbe. Er fuhr mit der flachen Seite der Klinge an Herberts Hals entlang. Der kalte Stahl löste einen Schauer aus. Herbert wusste, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing. Die Angst schnürte ihm den Hals zu und kroch dann seinen Rücken hinunter. Seine Nervenbahnen hatten das Gefühl, als würden tausend Spinnen seinen Körper herunterkrabbeln und mit ihren kleinen behaarten Beinen auf schaurige Weise jede Hautzelle seines Rückens berühren. Herbert fröstelte, auch weil sein Körper durch den Angstschweiß feucht war.

Schließlich packte der Mann mit der Narbe seinen Gefangenen an den Füßen. Mühelos zog er ihn in die Mitte des Raumes. Die nackte schweißnasse Haut erzeugte schmatzende Geräusche auf den Fliesen. Herbert bekam unfassbare Panik. Er hatte das Gefühl, als würde die Angst jede Muskelfaser vergiften. Er versuchte die Fesseln an seinen Händen zu lösen, aber die Seile fraßen sich nur noch mehr in seine Haut. Den Schmerz dabei spürte er jedoch kaum. Das Adrenalin hatte ihn fest im Griff. Es durchströmte seinen Körper und schien jede Zelle zu erfassen. Um ihn vorzubereiten auf die große Frage: Kampf oder Flucht. Doch beides war nicht möglich. Er war gefesselt und hilflos ausgeliefert. Einem wahnsinnigen Psychopathen, das war ihm klar.

«Tick tack, Schweinchen, tick tack ...», sagte der Mann mit der Narbe erneut. Ein kräftiger, ja athletischer Typ. Er nahm eine Lederschlinge, legte sie um das linke Bein von Herbert, zog sie fest und hängte sie schließlich an einen der beiden Fleischerhaken, die von der Decke hingen.

Schlagartig war Herbert bewusst, was hier passierte. Er wehrte sich urplötzlich wie verrückt. Wand seinen Körper hin und her wie ein Aal auf trockenem Grund. Aber der Mann war stärker und zudem war Herbert gefesselt. In Seelenruhe hängte der Peiniger auch das andere Bein an einen Haken.

Herbert betete. Es war ein wirres, hilfloses Gebet. Ihm wurde plötzlich klar, dass er schon seit Jahren nicht mehr gebetet hatte. Obwohl er eigentlich an Gott glaubte. Das war zynisch und das wusste er. Weil er ihn nicht gebraucht hatte, nicht weil er nicht an ihn glaubte. Ein Stoßgebet vielleicht mal beim Autofahren. Mehr nicht. Aber nun brauchte er ihn. Nun flehte er. Und im Hinterkopf fragte er sich, ob er selbst reagieren würde, wenn ein Mensch ausgerechnet dann kam, wenn er dermaßen in Gefahr war. Sich aber davor nie gemeldet hatte. Nein, wahrscheinlich nicht. Deshalb musste Herbert auf die Gnade Gottes hoffen.

Der Mann mit der Narbe hatte beide Beine an den Fleischerhaken aufgehängt. Schließlich begab er sich an einen Hebel an der Wand, betätigte diesen und die beiden Ketten, an denen sich die Haken befanden, wurden nach oben gezogen.

Herbert zappelte wie wild. Doch er hatte keine Chance. Und das wusste er. Tag für Tag zog er damit Schweine hoch ... um sie anschließend zu zerlegen. Rund zweihundert Kilo wiegt so eine Schlachtsau. Er nicht einmal die Hälfte.

«Quiek, Schweinchen quiek“, sagte der Peiniger und schaute zu, wie Herbert schließlich kopfüber mitten im Raum hing. «Hey, Junge, lass dich doch nicht so hängen.»

Der spöttische Unterton klang in Herberts Ohren wie die pure Verhöhnung. Er dachte an seine Frau und seine Kinder. Er wusste, dass er sie nie wiedersehen würde. Außer es würde ein Wunder geschehen. Aber daran glaubte er nicht. Die Hoffnung in ihm war nur noch ein kleines Flämmchen.

Der Mann mit der Narbe pfiff eine Melodie, während er sich die Säge und die Axt holte. Prüfend schaute er beides an und ging dann zu seinem Opfer. «Wie würdest du ein Schweinchen in zwei Hälften teilen? Axt oder Säge, du hast die Wahl ...»

Herbert versuchte etwas zu sagen. Die Panik war ihm ins Gesicht geschrieben. Und das Blut staute sich in seinem Kopf.

«Oh, Verzeihung», grinste sein Peiniger und ging in die Knie. Er öffnete den Knebel. «Was sagtest du?»

«Ich flehe Sie an. Bitte ... ich habe Kinder und eine Frau.»

«Herrje. Weißt du, wie oft ich das schon gehört habe? Glaubst du ernsthaft, dass mich das beeindruckt?»

«Ich heiße Herbert ...», meinte der an den Fleischerhaken hängende Metzger. Irgendwo hatte er mal gehört, dass man damit etwas bewirken konnte. Dann, wenn der Täter sein Opfer plötzlich als Mensch wahrnahm. Und nicht als Objekt.

«Ich weiß, Schweinchen», grinste der Peiniger. «Darum geht es ja. Es geht nicht um irgendjemand. Es geht um dich. Um Herbert, den Metzger. Und du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Was soll ich benutzen? Die Säge oder das Beil?»

«Bitte, ich flehe Sie an.»

Der Mann mit der Narbe ahmte Herbert nach. Er schluchzte, weinte und flehte. Dann wurde er wieder ernst. «Es sind deine letzten Minuten. Willst du die auf dieser Erde nicht wenigstens mit so viel Würde und mit so wenig Schmerzen wie möglich verbringen?»

Es war Irrsinn zu glauben, dass eines der beiden Werkzeuge weniger Schmerzen verursachte. Beides war grausam. Ohne auch nur annähernd daran zu denken, was dieses Monster wirklich vorhatte, versuchte es Herbert nochmal. «Bitte ...»

«Bitte was? Bitte nutze das Beil um mich in zwei Hälften zu teilen, oder die Säge?»

«Sagen Sie mir, was habe ich Ihnen getan?», fragte Herbert.

«Es gab ein Schweinchen namens Rosa. Das lebte auf dem Hof meiner Eltern. Erinnerst du dich?»

«Nein!», sagte Herbert. Er spürte, wie sich das Blut in seinem Kopf immer mehr sammelte. Seine Schläfen schmerzten.

«Natürlich nicht. Wie viele Schweine tötest du pro Jahr?», der Mann mit der Narbe seufzte. «Ich weiß schon. Kann man nicht zählen. Höchstens in den Akten nachlesen.»

«Was hat es mit ... Rosa auf sich?»

«Sie war mein Schwein. Ich war gerade 8 Jahre alt, als du sie mir genommen hast», sagte der Peiniger. «Draußen in Deisenhofen.»

«Ja, ich ... ich erinnere mich!», log Herbert. Nicht einmal annähernd wusste er, um was für ein Schwein es ging. Das war viel zu lange Zeit her. Aber früher war er oft im Münchner Landkreis auf Höfe gerufen worden um Tiere zu schlachten. Für den Eigenbedarf der dortigen Bauern.

«Du erinnerst dich einen Scheißdreck!», meinte der Mann mit der Narbe. «Und nun entscheide. Beil oder Säge?»

Herbert heulte. So wie er noch nie geheult hatte. Der Tod war für ihn etwas Grausames. Zumindest jetzt. Bisher war er für ihn einfach nur eine natürliche Sache gewesen. Der Kreislauf des Lebens.

«Tja ... die Zeit läuft ab. Tick tack, kleines Schweinchen. Dann muss wohl ich für dich entscheiden. Ich denke, dass die Säge mir besonders Spaß machen wird.»

Herbert wand sich wie ein Wurm am Angelhaken. Doch er hatte keine Chance. Als sein Peiniger schließlich die Säge zwischen seinen Beinen ansetzte, konnte er noch nicht ahnen welch grausame Schmerzen ihn erwarten würden.

«Tick tack, kleines Schweinchen!»

Herbert schrie laut auf, als die scharfen Zähne sich durch seinen Schambereich fraßen. Der Schmerz war unglaublich. Der Mann mit der Narbe lachte laut und ließ das Sägeblatt durch den Unterleib gleiten. Blut floss in Strömen den zappelnden Körper von Herbert herunter und bildete eine klebrige Lache am Boden.

Die Schreie verstummten und während der Mann mit der Narbe in Seelenruhe sein Opfer zerteilte, begann er zu singen: «Heile, heile München, es schlägt dein letztes Stündchen, der Boden färbt sich rot und Metzgerlein ist tot.»

Heile, Heile München

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