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Kanders Management-Consultants

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Frau Schmidt, Beyers langjährige Sekretärin strahlte ihren Chef an. Sie kannte ihn schon aus der Zeit, als er noch Berater in Düsseldorf war. Sie hatte seine erfolgreiche Karriere in allen Phasen miterlebt, freute sich mit ihm, als er zunächst zum Manager, dann zum Prinzipal ernannt wurde und letztlich zum Partner gewählt worden war. Sie war ihm vom Rhein an den Neckar gefolgt, weil sie die Zusammenarbeit mit ihm schätzte, ohne Anhang war und auch sonst wohl keinen großen Bekanntenkreis besaß. Für sie war die Firma ihr zentraler Lebensinhalt.

Der Empfangsbereich im Stuttgarter Büro in der Königstrasse war wie fast alle Büros von Kanders einheitlich mit sorgfältig ausgesuchten Möbeln aus Chrom und grauen und schwarzen Hölzern geschmackvoll gestaltet. Von einem Mittelgang zweigten die Räume der Berater ab. Die Türen standen im Allgemeinen immer offen, um die interne Kommunikation zu fördern. An diesem Tag waren nur drei Berater, ein Manager und ein Prinzipal im Büro. Der Rest der Berater arbeitete für Klienten irgendwo in der westlichen Welt. Beyer begrüßte kurz seinen Kollegen, Heinz Müller und ging in sein Büro.

An der Wand vor seinem Schreibtisch befand sich ein großes Ölgemälde aus dem Hafen in Bremen, seine Heimatstadt, und war der einzige persönliche Gegenstand in seinem Büro. Das Gemälde begleitete ihn bereits sein ganzes Berufsleben. Im Vordergrund lag ein großer Frachter an Dalben vertäut und leichterte seine Waren auf Schuten. Offenbar anfangs des 20. Jahrhunderts gemalt. Im Hintergrund die lange Reihe von Hafenkranen im Europahafen. Das Bild bedeutete für Beyer sowohl Verbundenheit mit seiner Vaterstadt und den Schifffahrtsinteressen, die seine Familie über mehrere Generationen gehabt hatte, als auch die Verbindung zur Welt. Gleichzeitig strahlte es Ruhe und Zuversicht aus.

Frau Schmidt hatte ihm eine zum Bersten gefüllte Postmappe auf den Schreibtisch gelegt. Ein kleiner gelber Zettel klebte auf dem Deckel: „Anruf von Mr. Stones aus Chicago. Bitte Rückruf, dringend“. Stones war der Chief Executive Officer, der CEO, der für die Beratungsgruppe weltweit verantwortliche Repräsentant, die unbestrittene Nummer eins unter den sonst gleichberechtigten Partnern. Er wurde von ihnen auf einem der jährlichen Partner Meetings jeweils für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt, war aber im vergangenen Jahr schon zum dritten Mal in seinem Amt bestätigt worden. Intern nannte man ihn Jack, wie sich alle Partner und Prinzipale untereinander grundsätzlich mit dem Vornamen anredeten, Firmenphilosophie eben.

„Man kann keinen Tag mal richtig abschalten, die erwischen einen immer“, seufzte Beyer, lehnte sich in seinem Sessel zurück, griff zum Telefon und rief Heinz Müller an.

„Wie weit seid Ihr mit der Stein-Präsentation? Sie ist am Mittwoch, nicht wahr?“

„Ja, um 10 Uhr“

„Dann haben wir noch 24 Stunden Zeit zu korrigieren, und wenn das nicht reicht, nehmen wir die Nacht dazu“, schlug Beyer betont fröhlich vor.

„Du hast gut scherzen, Urlauber! Treffen wir uns im großen Besprechungsraum, wir haben schon alles vorbereitet!“

An der Stirnwand hing eine große Anzahl von Hard Copies der Folien, die am folgenden Tag der Geschäftsführung der Firma Stein, einem bedeutenden Hersteller von Nahrungsmitteln, gezeigt werden sollten: Texte wechselten mit Grafiken und Tabellen, Diagramme waren teilweise farbig gestaltet. Das ganze ‘Stein-Team‘ war vollständig versammelt.

Beyer war Spezialist für strategische Unternehmensplanung. Früher hatte er in einem großen Chemiewerk in der strategischen Planungsabteilung gearbeitet. Vor drei Jahren war er durch die gezielte Ansprache von einem Head Hunter zur Beratung gekommen und hatte sich in seiner neuen Position erfolgreich entwickelt. Er wartete jetzt auf seine Beförderung zum ‘Prinzipal‘.

Er gab einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der Marktanalyse und simulierte in einem ‘Trockenlauf‘ die Klienten Präsentation wie eine Generalprobe. Er erläuterte, das Hauptprodukt: Schwäbische Spätzle, das im Markt einen hohen Bekanntheitsgrad besaß und von den Kunden in Baden-Württemberg und Bayern gut beurteilt wurde. Außerhalb Süddeutschlands nahm der Bekanntheitsgrad ab. Er schlug vor, eine regional-spezifische Werbekampagne zu starten. Bei bestimmten Verbrauchermärkten sollten Werbeteams zum Einsatz gebracht werden, ein Einsatzplan war ausgearbeitet worden. Es folgten Tabellen mit Umsatzerwartungen und Kostenprojektionen. Im zweiten Teil der Präsentation wurde die gezielte Entwicklung von neuen Produkten vorgeschlagen.

Die Kundenbefragung hatte die Notwendigkeit von ergänzenden Fertigprodukten auf der Basis der ‘Schwäbischen Spätzle‘ ergeben. In Zusammenarbeit mit dem Klienten Team war man hier sehr konkret geworden und hatte – neben der Produktspezifikation – sogar bestimmte Verpackungsformen vorgeschlagen.

Die Generalprobe hatte knapp eine Stunde gedauert. Die sich anschließende Diskussion mit Müller konzentrierte sich in erster Linie auf die Stichhaltigkeit der Argumentation. Es wurden Fragen zur Bewertung der Befragungsergebnisse wie auch zu den Marktdaten gestellt. „Sind wir sicher, dass wir eine ausreichende Anzahl von Kunden ausgewählt haben?“

„Die Stichprobe umfasst 10% der Kunden, das ist mehr als sonst üblich.“

Insgesamt war Beyer mit dem Inhalt der Präsentation einverstanden, aber die Art des Vortrags war in seinen Augen verbesserungsbedürftig. Beyer legte großen Wert auf eine ausdrucksstarke Präsentation und verlangte vollen Einsatz von seinen Mitarbeitern. Dazu gehörten auch die Körperhaltung sowie die Sprechtechnik. Alles musste perfekt sein. Schließlich wollten sie einen überzeugenden Eindruck hinterlassen. Also: Alles noch einmal von vorne!

Die Wiederholung wurde von einem Telefonanruf eines großen Warenhauses unterbrochen, ein Geschäftsführer verlangte den Verantwortlichen für die ‘Stein-Studie‘ zu sprechen. Beyer nahm den Anruf in seinem Büro entgegen.

„Ziehen Sie sofort Ihre Leute vor meinen Läden ab. Die belästigen seit Tagen unsere Kunden. Wenn das nicht sofort aufhört, werden wir Sie schadenersatzpflichtig machen“, brüllte der Geschäftsführer, Herr Kleinschmidt, erregt in seinen Hörer. „Und im Übrigen können Sie sich ihre ‘Stein-Produkte‘ an den Hut stecken, wir werden sie aus der Lieferantenliste streichen.

„Wie soll ich das verstehen?“ fragte Beyer völlig überrascht.

„Haben Sie denn gestern im Fernsehen die Regionalschau nicht gesehen?“

Beyer verneinte.

„Das hätten Sie aber sollen. Der Name Stein ist auf ewig ruiniert!“

„Verzeihen Sie“, entgegnete Beyer, „ich war gestern im Ausland. Was ist denn geschehen?“

„Liest denn niemand bei Kanders Zeitung oder sieht die Regionalschau? Was geschehen ist, fragen Sie. Stein hat verdorbene Eier in seinen Produkten verarbeitet. Das ist geschehen! Das Fernsehen hat gestern darüber ausführlich berichtet und Sie wissen das nicht?“

Beyer war schockiert. Offensichtlich hatte niemand seiner Kollegen am gestrigen Tag die Regionalschau gesehen und bundesweit war darüber noch nicht berichtet worden. Er lehnte sich erschöpft in seinem Sessel zurück. Das durfte nicht wahr sein! Aber wenn es stimmte, dann konnten sie die ganze Präsentation in den Papierkorb werfen. Er stürmte in den Besprechungsraum:

„Vergesst die Präsentation, Stein ist erledigt!“

„Mach keine Witze, danach steht uns nicht der Sinn“, lachte Heinz.

„Ich meine es ernst. Wenn das stimmt, was mir der Geschäftsführer Kleinschmidt von der ‘Bewo-Gruppe‘ eben am Telefon ins Ohr gebrüllt hat, dann hat Stein einen handfesten Skandal. Sie sollen verdorbenes Flüssig-Ei verwendet haben, und das regionale Fernsehen hat darüber gestern ausführlich berichtet. Hat das keiner von Euch gesehen?“

Alle verneinten. Sie sahen grundsätzlich nicht das regionale Fernsehprogramm, wenn überhaupt, dann das Nationale Programm. Sei es das Erste oder das Zweite.

„Ich werde gleich mit Herrn Stein sprechen, um zu hören, was da los ist.“

Die Frau am anderen Ende der Leitung klang verstört. Sie teilte ihm mit, dass sich Herr Stein gegenwärtig an einem unbekannten Ort aufhalte und die Präsentation von Kanders im Haus abgesagt sei.

Beyer legte auf und trommelte nervös mit den Fingern auf seine Schreibtischplatte. Da ist wohl nichts mehr zu retten, dachte er, die ganze Arbeit für die Katz! Enttäuscht ging er zu den anderen in den Besprechungsraum.

„Leute, wir können die Arbeiten für Stein abbrechen. Packt die Präsentation zusammen und schickt sie mit einem persönlichen Anschreiben an die Geschäftsführung. Alle Termine sind storniert. Walter Stein ist verschwunden, verreist mit unbekanntem Ziel. In der Firma herrscht Ratlosigkeit, aber ich glaube, dass sich Stein wehren wird. So schnell gibt der nicht auf, ich kenne ihn, er wird sicher Schadensersatzklage erheben. Aber so ein Prozess kann lange dauern, und der Schaden wird immens sein, auch wenn er am Ende gewinnt. Hoffentlich bekommt er recht, dann rollen Köpfe in der Regierung. Aber die brauchen sich ja keine Sorgen zu machen, sie behalten ihre fetten Pensionen, und in jedem Fall muss der Steuerzahler die Kosten tragen.

Nur mit Mühe konnte sich Beyer auf das übrige Tagesgeschäft konzentrieren. Er blätterte die bisher noch ungelesene Eingangspost durch, Projektabrechnungen und Firmenberichte, Anfragen für Vorträge in Management- und Fortbildungsseminaren. Und natürlich Berge von Werbung.

„Reine Zeit- und Geldverschwendung“, grantelte er zur eigenen Ablenkung. „Ob die wohl wissen, an wen sie das Werbematerial schicken? Wahrscheinlich hat irgendeine Marketing Gesellschaft uns in ihrer Adressendatei gespeichert, und einer schreibt von dem anderen ab. Was da für ein Geld verschleudert wird, völlig sinnlos.“

Das wichtigste Schriftstück war eine Anfrage von Siemens in Erlangen. Sie wollten ein Gemeinkosten-Senkungsprogramm in einem ausgewählten Werk durchführen und baten um eine Präsentation. „Offenbar eine Standard-Anfrage an alle namhaften Berater“, dachte Beyer und machte sich eine entsprechende Notiz. Wir haben ja gerade ein gutes Team verfügbar, das kann diese Woche schon mal recherchieren. „Heinz soll das in die Hand nehmen“, beschloss er und reichte die Notiz an seine Sekretärin. Sie würde dafür sorgen, dass nichts unerledigt blieb und verlorenging.

„Da ist ein Anruf für Sie“, unterbrach Frau Schmidt seine Gedanken. „Ein Dr. Pauli oder so ähnlich, ich habe den Namen nicht richtig verstanden. Er schwäbelte so“, fügte sie entschuldigend hinzu. Als Rheinländerin konnte sie sich nur schwer an den schwäbischen Dialekt gewöhnen.

Beyer ließ sich mit Pauli verbinden und sie vereinbarten einen Termin für den nächsten Tag.

„Was der wohl will?“ Beyer lehnte sich nachdenklich in seinem Sessel zurück und blickte aus dem Fenster in die belebte Einkaufsstraße. „In seiner Firma scheint es zu brennen.“

„Vor dem ersten Gespräch muss ich so viel wie möglich über die Firma Pauli wissen: Bitte besorgen Sie aus unserem Archiv alles was Sie an wichtigen Unterlagen über die Firma Pauli finden können: Bilanzen, Zeitungsauschnitte“, beauftragte er seine Sekretärin.

Frau Schmidt machte sich Notizen: „Es ist 16 Uhr, soll ich sie jetzt mit Mr. Stones verbinden?“

Kurz darauf hatte er Jack Stones in der Leitung. „Euer Team hat den ‘Great Client Award‘ gewonnen. Kannst Du morgen nach Chicago kommen“, fiel dieser nach kurzer Begrüßung gleich mit der Tür ins Haus, „wir wollen mit dir die Einzelheiten der Preisübergabe besprechen.“

„Können wir das nicht telefonisch machen, ich stehe im Moment ziemlich unter Druck. Walter Stein, einer von unseren wichtigen Klienten, steckt mit seinem Unternehmen in der Klemme. Da läuft eine unangenehme Sache“, entgegnete Beyer.

„The client comes first, I know, trotzdem wäre es gut, wenn du schon morgen kommen könntest, denn wir wollen außerdem mit dir die Fortsetzung der Studie über die Strategische Bedeutung der Informations- und Kommunikations-Technologien besprechen. Wir haben nämlich gerade alle wichtigen Spezialisten hier versammelt. Wir wollen die Untersuchung auf Japan ausdehnen, und du müsstest das übernehmen. denn du hast sie für Europa gemacht und kennst dich in den Details aus.“

Der ‘Great Client Award‘ war eine Auszeichnung der Firma für ganz besonders hervorragende Beratungsleistungen. Sie diente gleichzeitig als Ansporn für alle Berater, die Leistungen zu steigern und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Um in die Auswahlliste zu kommen, musste ein Umsatz von mindestens 500.000 US Dollar mit dem Klienten erreicht worden sein und eine interne Qualitätsbewertung durch eine unabhängige Kommission musste nach genau festgelegten Kriterien einen Wert von mindestens neun von zehn Punkten erbracht haben. Anschließend wurde die Arbeit der Kandidaten genauer unter die Lupe genommen: Haben die Empfehlungen dem Klienten tatsächlich den versprochenen Nutzen gebracht? Hat das Projekt zu Folgeaufträgen geführt? Wurden die Kundenanforderungen in vollem Umfang berücksichtigt? Hat der Klient die Arbeiten des Teams unterstützt? Wie war die interne Kommunikation zwischen Berater und Klienten?

In diesem Fall wurden die Erwartungen des Klienten in vollem Umfang erfüllt: Es handelte sich um einen weltweit operierenden Anbieter von Telefondienstleistungen, die im Auftrag ihrer Kunden Anrufe entgegennahmen, Wünsche und Bestellungen weiterleiteten und Fragen beantworteten. Bereits zwei Monate nach Abschluss des Projektes waren die Empfehlungen zu 85% in die Tat umgesetzt worden. Die Call Center Response Rate des Klienten erhöhte sich von 30 auf 95%, die Call Center Success Rate verbesserte sich von 30 auf 80%. Auch die Leistungen im Direktverkauf konnten erheblich gesteigert werden.

Es war gut, dass diese Auszeichnung im Wesentlichen den Beratern des Stuttgarter Büros zuteilgeworden war, es stützte die internationale Reputation des Büros, und man konnte sie auch für die gezielte Kundenwerbung nutzen. Aber in erster Linie galten sie der Motivation der Berater durch Anerkennung durch das Board. Hervorragende Leistungen waren immer willkommen. Nicht alle Projekte verliefen erfolgreich, es gab auch echte Flops, bei denen der Klient fast überhaupt keine der Vorschläge in die Tat umsetzte. Manchmal lag es daran, dass die eingesetzten Berater zu jung und unerfahren waren, manchmal wurde das tatsächliche Problem nicht richtig verstanden, gelegentlich arbeitete der Klient nicht richtig mit, weil das Projekt nur von der Geschäftsführung, nicht aber von den nachgeordneten Führungskräften und Mitarbeitern getragen wurde. Dies war vor allem bei Kostensenkungsprojekten der Fall, bei denen die Geschäftsführung die Erträge steigern und die Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze erhalten wollten. Einige Projekte waren auch reine Alibi-Projekte, bei denen der Vorstand nur beweisen musste, dass er etwas tat, aber niemand war wirklich an den Ergebnissen interessiert. So waren die Beratungsleistungen von vielen Faktoren abhängig, die nicht immer vom Berater zu beeinflussen waren.

Neben den klassischen Beratungsprojekten wurde auch eine Anzahl von Studien durchgeführt, die eher wissenschaftlichem Erkenntnisdrang zuzurechnen waren. Sie dienten auch der Selbstdarstellung des Hauses im Bereich der Universitäten, deren besonders qualifizierte Absolventen man dringend brauchte. Beyer hatte zur diesem Zweck in Europa und in den USA eine Marktanalyse über die strategische Bedeutung der Informations- und Kommunikations-Technologien gemacht. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die erfolgreichen Unternehmen die Informations- und Kommunikations-Technologien weit intensiver nutzten als die weniger erfolgreichen. Der Zusammenhang war eindeutig und in dieser Klarheit so nicht erwartet worden und sorgte auch intern für eine erhebliche Aufmerksamkeit. Das Board hatte offensichtlich beschlossen, die Studie international auszuweiten. Wegen der herausragenden Bedeutung der Japaner auf diesem Sektor, wollte man die IT-Studie dort fortsetzen. Außerdem erhoffte man sich durch die Veröffentlichung der Ergebnisse in Japan einen positiven Marketing-Effekt. Sicher würde man mit einer Anzahl von Firmen in Kontakt kommen, zu denen bisher noch keine Verbindung hergestellt worden war. Voraussetzung war allerdings, dass die Ergebnisse in etwa auf der Linie wie in Europa lagen oder bei Abweichungen eine plausible Erklärung boten. Die Aufgabe reizte Beyer, und er würde sie gerne übernehmen. Dazu müssten aber die von ihm in Deutschland vereinbarten Klienten Termine verschoben oder auf andere Partner verteilt werden.

Die Weitergabe von Klienten an andere Partner war immer ein Problem. Jahr für Jahr wurde von allen Partnern gemeinsam beschlossen, dass nur die jeweils für eine bestimmte Problemstellung geeignetsten Berater, Prinzipals und Partner eingesetzt werden sollten. ‘The client comes first‘ lautete der gängige Slogan.

Die Realität sah aber anders aus. In Wirklichkeit bestand die Partnerschaft aus einer Art Franchise-Unternehmen unter gemeinsamen Dach und unter gemeinsamer Nutzung der Service-Funktionen. Darüber hinaus war sich jeder selbst der nächste und wachte sorgsam über seine Klienten und das sich daraus ergebende Geschäftsvolumen. Davon hing am Jahresende bei der Beurteilung der sogenannten „Year-end-performance“ der Bonus ab, und das machte im günstigen Fall zwischen 20 und 30% des Jahresgehalts aus. Auch die Anzahl der Firmenanteile, die man erwerben durfte, hing davon ab. Jedes Jahr wurde eine Liste der von allen Partnern gehaltenen Firmenanteile veröffentlicht. Diese Liste legte unter anderem auch die interne ‚Hackordnung‘ fest. Es war klar, dass die Partner mit den meisten Anteilen einen größeren Einfluss besaßen als die mit kleinen Anteilen, sei es, dass sie relativ neu im Unternehmen waren oder dass sie bisher eine geringere ‘Performance‘ gezeigt hatten. Jedenfalls war die gegenseitige Unterstützung der Partner untereinander weit geringer, als dies offiziell zugegeben wurde. Zwischen einigen Partnern kam es gelegentlich zu unerfreulichen Auseinandersetzungen, die bis zu persönlicher Feindschaft reichen konnten. Auch die immer wieder veranstalteten Partner-Meetings in bevorzugten Orten, wie zum Beispiel in der Karibik oder auf Hawaii, aber auch organisierte Hochgebirgstouren mit Klettertouren am Seil oder gemeinsame Überlebenstrainings in heterogenen Gruppen, konnten dies Problem nicht wirklich beseitigen. Der grundsätzliche Konflikt war durchaus auch Teil des internen Wettkampfs um Macht, Geld und Ansehen.

Beyer entschloss sich daher, seine wichtigsten Termine für die nächsten drei Tage auf die kommende Woche unter Hinweis auf eine dringende Besprechung in Chicago zu verschieben und hoffte auf das Verständnis seiner Klienten. Die übrigen Termine würde seine Sekretärin in gewohnt professioneller Art regeln.

„Und, was machen wir mit Dr. Pauli“, fragte Frau Schmidt, als sie von dem Flug nach Chicago erfuhr.

„Pauli hätte ich noch gern vorher gesprochen. Verbinden Sie mich später mit ihm.“

Doppel-Infarkt

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