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7.
Schwatzhafter Vogel

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Ich hatte noch eine geraume Weile so dagesessen ohne dass sich irgendetwas von Bedeutung getan hätte. Ich starrte in die Gegend, die Kellnerin ging ihrer gewohnten Arbeit nach. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ein Spatz setzte sich auf meinen Tisch und pickte die Krümel, die mein Vorgänger hinterlassen hatte. Er hatte keine Angst vor mir, hätte aber auch die Freiheit davonzufliegen, wenn ich ihm zu nahegekommen wäre. Aber das tat ich nicht, denn ich freute mich über seine unaufdringliche Gesellschaft. Er wollte nichts von mir, ich nichts von ihm. Wir teilten uns ganz friedlich in diesen Tisch. Es genügt ihm, was er fand, mir genügte mein Getränk, jedenfalls für diesen Augenblick.

Der kleine Vogel hüpfte näher zu mir heran, richtete sich auf und blickte mir in die Augen. Aufgeregt flatterte er mit den Flügeln.

„Was willst du von mir, hast du nicht genug zum Essen bekommen?“ fragte ich ihn. Dreimal tschilpte er und schlug jedes Mal mit den Flügeln. „Ich kann dich nicht verstehen, du willst mir doch etwas sagen. Ich habe keinen Drachen getötet. Ich bin nicht Siegfried.“ Der Vogel saß noch eine kleine Weile, breitete die Flügel aus und flog davon. ‚Der will mir doch etwas sagen, aber was? Da kam mir die rettende Idee: Hatte er nicht dreimal Signal gegeben? Kannte er etwa die Signale aus der Seefahrt? Das Signal bedeutet: ‚Meine Maschine dreht rückwärts.‘ Ob es sich nun um ein Zeichen handelte oder nur ein Zufall war, ich wusste es nicht, aber ich nahm es als ein Hinweis zum Aufbruch.

„Ich möchte gern zahlen“, sagte ich zu der Kellnerin, als sie wiederkam.

„Macht sechs achtzig.“

Ich gab ihr zehn Mark. „Der „Rest ist für Sie, für Ihre Freundlichkeit und für das Aspirin.“

„War doch selbstverständlich. Kann ich Ihnen sonst irgendwie helfen?“

„Danke, es geht schon besser, die Tablette hat mit etwas geholfen.“

„Haben Sie es noch weit bis nach Hause?“

Ich schüttelte den Kopf. „Ich wohne da oben auf dem Berg.“

„Das ist aber ein gutes Stück Weg bis da oben“, meinte sie besorgt.

„Ich werde es schon schaffen!“

Sie zögerte. „Wenn Sie noch etwas warten, kann ich Sie im Auto mitnehmen, wir schließen in einer halben Stunde.“

„Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen“, lehnte ich höflich ab. Vielleicht sollte ich wirklich noch etwas bleiben, dachte ich, aber ich wollte unbedingt allein in der frischen Luft nach Hause gehen. Was ich wirklich nicht gebrauchen konnte, war eine gemeinsame Autofahrt mit einer fremden Frau, die schwatzhaft und neugierig war und vielleicht Anschluss suchte. Eigentlich wollte ich nur allein sein, mit niemanden reden müssen, von niemanden gesehen werden. Aber ich fürchtete mich auch vor dem Weg auf die Höhe bei der beginnenden Dunkelheit. Niemand würde mir helfen können, wenn ich den Weg dorthin nicht schaffen würde. Abends ging dort kaum einer hinauf. Die ersten Häuser beginnen erst kurz unterhalb der Höhe, sicher würde ich heute für den Aufstieg eine dreiviertel Stunde brauchen, während ich sonst in einer halben Stunde oben war. Heute war es weit bis dorthin, fast wie eine Reise in ein fernes Land.

Doppel-Infarkt

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