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Das tanzende Zelt

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Auf den Weiden der Beinhügel, nach Einbruch der Dämmerung

Hunderte Krieger und Frauen aus dem Volk der Windwanderer hatten sich zwischen den Felstrümmern am Fuß der Steilklippen versammelt. Unmittelbar vor der Klippe ragte eine sturmgebeugte Kiefer auf. Man hatte den Baum mit einem engen Kreis aus Zeltpfosten umgeben, jedoch kein geflochtenes Gitterwerk zwischen den Pfosten aufgestellt. In weitem Umkreis hatten die Menschen Feuer entfacht, deren Flammen unheimliche Schatten über die Felsen warfen, so als weilten die Geister der Ahnen bereits unter ihnen.

Eine Gruppe Büffelmänner, Krieger mit gehörnten Masken, tanzte im Kreis und kleine Handtrommeln schlagend um die Kiefer. Sie sollten die Geister der Steine und der Bäume ringsum besänftigen, damit sie das Ritual nicht störten.

Unter den Schutzdächern aus geflochtenen Zweigen kauerten die Ältesten und schlugen in langsamem Takt die Bauchsprecher, große Trommeln, die mit bemalten Speernasenhäuten bezogen waren. Ihr tiefer Klang drang durch den Körper bis zum verborgenen Sitz der Seele. Sie waren nicht nur zu hören, sondern auch mit dem ganzen Leib zu spüren. Ihre Stimmen waren weit über das Grasland zu vernehmen, und so konnten selbst die entferntesten Wächter der Herden am Ritual des tanzenden Zeltes teilhaben.

Seruuns Mund war trocken wie Staub. Jeder schien ihn zu beobachten. Es war keine gute Nacht, um die Geister zu rufen. Dunkle Wolken zogen tief über den Himmel und verbargen das Nachtauge und alle Sterne. Die Ahnen sollten zwar den Ruf der Bauchsprecher hören, aber vielleicht fänden die Geister unter all den ziehenden Wolken ihren Weg nicht. Doch jetzt war es zu spät, um das Ritual abzubrechen. Er mußte Erfolg haben, oder sein eigener Vater würde dafür sorgen, daß ihn niemand mehr als Nachfolger Gurwan Nudets anerkannte.

Seruun trug das Adlerhemd, den größten Schatz, den der alte Geistertänzer besessen hatte. Es war mit Hunderten kleiner Steinperlen bestickt. Rote Perlen, die sieben fliegende Adler darstellten, und türkisfarbene Perlen für den weiten Himmel. Von Generation zu Generation war es unter den Geistertänzern im Volk der Windwanderer weitergegeben worden, nun also an Seruun. Die Perlen hatte man auf helles Hirschleder aufgenäht. Die Nähte des Hemdes waren mit Haarsträhnen eingefaßt. Jeder Geistertänzer, der dieses Hemd einmal getragen hatte, hatte etwas von seinem Haar gegeben, um es zu schmücken. Dadurch wurde es leichter, die Geister der alten Schamanen zu rufen, und sie wiederum halfen, die Ahnen zu versammeln oder den Willen der Speernasen zu deuten.

»Bist du bereit?« fragte Roter Speer ungeduldig.

»Deine Ungeduld stört meine innere Harmonie, Vater. Ich bitte dich, dein Ungestüm zu zügeln. Du könntest böse Geister anlocken«, entgegnete Seruun nicht ohne Genugtuung.

Roter Speer schnaubte verächtlich. »Zumindest das Reden hast du bei Gurwan gelernt, daran gibt es keinen Zweifel.«

Der junge Schamane beugte sich über die flache irdene Schale, die vor ihm stand, und leerte seinen Geist, bis er an nichts mehr als die milchigtrübe Flüssigkeit in der Schale dachte. Er hob das Gefäß zum Himmel, dorthin, wo hinter den Wolken verborgen das Nachtauge stehen sollte.

»Geister der Ahnen, ich rufe euch!« Alle Trommeln verstummten. Seruun sprach mit lauter Stimme, so daß alle in weitern Umkreis seine Worte verstehen konnten. »Ich trinke die Seelenmilch, um zu euch zu reisen. Mögen eure Geister in das Gefäß meines Körpers fahren! Möge mein Fleisch euer Fleisch sein! Möge meine Zunge eure Worte formen, auf daß euer Volk sich von eurer Weisheit nähre!«

Der Schamane führte die flache Schale an die Lippen und trank in tiefen Zügen. Die Seelenmilch schmeckte bitter. Sie war aus vergorener Stutenmilch, Löwenzahnsamen, Knochenpilzhaut, dem Ruß von Adlerfedern und vielen anderen geheimen Zutaten zubereitet worden. Seruun hatte mehr als einen Tag gebraucht, um diesen magischen Trank herzustellen, der ihm die Pforten in die Jenseitswelt öffnen würde.

Als der Geistertänzer die Schale bis zur Neige gelehrt hatte, ergriffen ihn Roter Speer und Bärenhaut bei den Armen. Ihm war ein wenig schwindlig. Nie zuvor hatte er von der Seelenmilch getrunken. Sie fühlte sich angenehm warm in seinem Magen an, und er spürte, wie die Wärme langsam in seine Glieder floß. Es war gut, daß ihn sein Vater und Bärenhaut stützten. Seine Schritte waren so leicht, als wolle ihn eine unsichtbare Kraft zu den Wolken hinaufziehen.

Alles ringsum war still. Hunderte Augen starrten gebannt, als ihn die beiden Krieger zu der Kiefer brachten und ihn mit einem langen Seil an den Stamm fesselten. Sie zogen den Strick so fest an, daß er kein Glied mehr rühren konnte. Seruun war ein wenig übel. Es fiel ihm schwer, den Blick auf etwas Bestimmtes zu heften. Er hatte das Gefühl, daß seine Augäpfel in verschiedene Richtungen davonrollen wollten.

Eine Gruppe von Frauen kam nun herbei und spannte Büffelhäute zwischen den Zeltpfosten auf, die in engem Kreis um die Kiefer standen. Die Häute waren mit roten und schwarzen Malereien versehen. Sie zeigten Raben, einen tanzenden Schamanen, aufgerichtete Bären, wandernde Speernasen und Adler, die mit weit ausgebreiteten Schwingen über den Himmel zogen. Jedes der Bilder hatte eine eigene Bedeutung. So würde ihn der Adler auf seinem Flug ins Geisterreich führen, und der große Speernasenbulle würde Seruun seine Kraft für den weiten Weg leihen, der vor ihm lag.

Als die Frauen mit ihrer Arbeit fertig waren, begannen erneut die Bauchsprecher zu dröhnen. Rötlich durchscheinend glommen die Häute im Licht der Feuer. Die Farben der Zeichnungen schienen immer deutlicher hervorzutreten. Gehörnte Schatten huschten hinter den Häuten vorbei. Die Büffelmänner.

»Hört mich an, ihr Ahnen! Das Volk der Salhin Hült ruft euch!« Seruuns Zunge fühlte sich seltsam unbeholfen und fremd in seinem Mund an. Als hätte man ihm einen Stock in den Rachen geschoben. Es fiel ihm schwer, deutlich zu sprechen.

Wieder rollten seine Augäpfel in unterschiedliche Richtungen davon. Die Farben verschwammen. Licht und Schatten wurden ein wilder Strudel des Zwielichts. Eine Sturmbö heulte über die Klippe hinweg und beugte die Äste der Kiefer. Regentropfen prasselten von den Zweigen.

Plötzlich war da ein vertrauter Geruch. Es roch nach dem säuerlichen Schweiß von Gurwan Nudet. Seruun glaubte einen Schatten dicht neben dem Baum zu sehen, der eben noch nicht dort gewesen war. Er drehte ein wenig den Kopf, doch der Schatten blieb weiterhin am Rande seines Gesichtsfelds.

»Gurwan?« fragte er leise.

Wieder rüttelte eine Sturmbö an den Zweigen über ihm.

»Ihr Ahnen, hört den Ruf des Geistertänzers«, erklang hinter den Häuten die Stimme von Roter Speer. »Offenbart uns den Weg der Herde! Sprecht zu uns mit Seruuns Zunge.«

Der Schamane sah noch weitere Schatten. Sie lauerten über ihm zwischen den Ästen. Sie waren wie geronnene Dunkelheit. Sie bewegten sich nicht im zuckenden Licht der Lagerfeuer. Es wurden immer mehr. Wie unheimliche Vögel versammelten sie sich über dem Jungen und lauerten.

Jetzt roch er nicht nur Gurwan Nudet. Da waren noch viele andere Düfte. Fremde Menschen ... Seruun wollte wegsehen, wollte auf das Bild des Speernasenbullen blicken, der ihm Kraft geben sollte. Das Zelt zitterte. Die Wände wogten hin und her, als zerre Sturmwind an ihnen. Seruuns Augen gehorchten seinem Willen nicht mehr. Sie rollten nach oben, so daß er wieder die Schatten im Geäst sah. Es waren noch mehr geworden.

Hinter sich hörte er ein flatterndes Geräusch. Seruun verdrehte den Kopf, doch hinter den Baum vermochte er nicht zu sehen. Wieder das Flattern.

Etwas streifte ihn an der Schulter. Sanft. Plötzlich hatte er das Gefühl zu fallen. Der Boden unter seinen Füßen war verschwunden. Die Äste des Baumes über ihm wuchsen ins Riesenhafte. Seruun stürzte, und doch wurde der Baum immer größer, bis er den ganzen Himmel ausfüllte. Der Junge schrie. Wie Herbstblätter lösten sich die Schatten von den Ästen.

Etwas berührte Seruuns Lippen und drang in seinen Mund ein. Seine Zunge wollte sich nicht mehr bewegen. Sie schwoll an und wand sich wie eine Schlange aus seinem Mund, der immer weiter aufklaffte. Die Schatten stürzten sich in den Abgrund hinter seinen Lippen.

Aus der schlangenartigen Zunge formte sich ein Kopf und blickte ihn an. Es war das Gesicht Gurwan Nudets.

»Ruhig, mein Junge. Ich bin hei dir und schütze dich«, erklang die vertraute Stimme des Schamanen.

Etwas zerrte an dem prächtigen Lederhemd. Eine rote Schwinge strich über Seruuns Gesicht. Dann lösten sich die Adler. Einen Moment lang erschien ihr Gefieder wie mit Perlen überzogen. Aufmerksam beobachteten ihre großen gelben Augen den Jungen. Mit mächtigen Krallen griffen sie nach ihm, ohne ihn dabei zu verletzen. Er wurde in die Höhe gehoben. Die sieben Adler trugen ihn fort aus der Dunkelheit auf ein gleißendes Licht zu. Seruun mußte die Augen schließen, so hell wurde das Licht.

»Offenbart uns den Weg der Herde!« Es war die Stimme seines Vaters. Sie klang fern und verzerrt und weinerlich, als stünde er in einer großen Höhle.

Als Seruun die Augen öffnete, stand er allein auf einer weiten Ebene. Der Himmel war hinter dunklen Wolken verborgen. Etwas stimmte mit der Farbe des Grases nicht. Es war zu dunkel, und es fühlte sich fremd an, als Seruun darüberschritt. Seltsam zäh und ledrig.

Vom Horizont drang das Grollen eines Donners heran. Etwas Dunkles zog über die Ebene. Schnell wie ein Wolkenschatten eilte es voran. Jetzt erkannte Seruun es. Es waren Pferde, eine riesige Herde. Im nächsten Augenblick umringten sie ihn, ohne ihn weiter zu beachten. Sie waren viel größer als die Pferde, die er kannte, und ausnahmslos schwarz. Der Abdruck gelber Hände war auf ihrem Fell zu sehen.

Die Herde hielt inne. Sie begann zu weiden. Die Wolken rissen auf, und der Junge sah, daß das Gras ringsum wie rohes Fleisch war. Die Pferde rupften es aus und verschlangen es gierig. Sie waren jetzt überall.

Ein besonders großer Hengst mit grauen Augen hob den Kopf. Er sah bedrohlich aus. Langsam kam er auf Seruun zu und zog dabei die dunklen Lippen zurück. Seine großen Zähne waren mit blutigen Schlieren bedeckt.

Etwas riß Seruun in die Luft. Die Adler. Sie waren zurückgekehrt, um ihn zu retten. Sie trugen ihn weit über das Land. Die Ebene veränderte sich. Jetzt lag überall Schnee. Ein eisiger Wind blies dem jungen Schamanen ins Gesicht. Im Schnee zeichneten sich kleine braune Hügel ab.

Plötzlich stand er im Schnee. Die Adler waren verschwunden. Die Hügel waren klein. Zu klein! Er beugte sich nieder. Da war Fell. Lange Mäntel, wie die Windwanderer sie während der Zeit des Eisatems benutzten. Er zerrte daran, und der Hügel geriet in Bewegung! Es war Sarangoo. Seruun hatte sie als ein junges Mädchen gekannt, doch jetzt wirkte sie älter, wie eine Mutter. Ein Stück weiter lag Tulga, ein Krieger. Sein Haar war weiß geworden, sein Gesicht eingesunken.

»Der Mösön amisgal, der Eisatem, wird das Land überziehen und verschlingen.«

Seruun drehte sich erschrocken um. Eine Gestalt hatte sich unter den Toten aus dem Schnee erhoben. Ein alter Mann mit einer Kappe, die aus einem Wolfskopf gefertigt war.

»Wer bist du?« fragte Seruun.

»Choniin Schüd. Gurwan hat mir von dir erzählt.«

Seruun musterte den Alten mißtrauisch. Er war kleiner, als er sich den berühmten Wolfszahn vorgestellt hatte.

Der Alte fing an zu lachen. »Mit Menschen ist es wie mit den Geschichten. Sie wachsen, je öfter man von ihnen erzählt.«

»Verrätst du mir den Weg der Herde? Wohin gehen wir denn, Choniin Schüd?«

Der Alte deutete auf zwei Spuren im Schnee. »Was vermagst du darin zu sehen?«

Seruun mußte nur einen flüchtigen Blick auf die Fährten werfen, um sie zu unterscheiden. Jedes Kind hätte das gekonnt. Die eine hatte sich breit und tief in den Schnee gegraben. Die andere wirkte leichtfüßig. »Ein Wolf und ein großer Speernasenbulle sind hier entlanggetrottet.«

»Eines der beiden Tiere wird dein Geistbruder sein, Seruun. Wenn der Tag gekommen ist, wirst du wählen, und deine Wahl wird den Weg bestimmen, den die Herde nimmt, denn du wirst sie führen.«

Seruun war verwirrt. »Führen?« Die Windwanderer folgten der Herde. Niemand vermochte die Speernasen zu führen!

Wolfszahn wischte ihm mit der Hand über die Augen, und für einen Moment sah er Herden, die durch ein seichtes Wasser zogen. Das Wasser war größer als jeder See, den er je zuvor gesehen hatte. Seltsame bunte Steine wuchsen darin, zwischen denen sich Fische in allen Regenbogenfarben bewegten. Dann sah er ein weites Tal zwischen den Bergen jenseits des Wassers. Ein Tal, das bis zum Himmel hinaufzureichen schien. Das Gras wuchs dort schulterhoch, und gelbe Schmetterlinge tanzten dort dicht wie Schneegestöber über den Weiden.

Das Bild änderte sich, jetzt befand er sich auf einem Hügel über einer verschneiten Ebene, in der Hunderte von Jurten standen. Nie hatte er ein so großes Lager gesehen. Doch nirgendwo gab es Tiere. Und der Schnee, auf dem die Jurten standen, war rot von Blut.

»Das sind die Wege, zwischen denen du wählen wirst, Seruun. Einer führt in die Einsamkeit des Herzens, der andere zur Einsamkeit des Herrschers.«

Wind zerrte an seinen Kleidern. Er stürzte. Wolfszahns Stimme klang immer ferner. »Gurwan und ich werden an deiner Seite wachen und mit dir sein ...«

Ein Kind streckte die Arme nach Seruun aus, doch ein weißgewandeter großer Mann nahm es und trug es fort. Dunkelheit verschlang ihn.

Als Seruun die Augen aufschlug, fand er sich wieder an die Kiefer gefesselt. Die Luft war rauchgeschwängert. Blasses Morgenlicht sickerte durch die Wolkendecke. Die Tierhäute wurden zur Seite gezogen. Roter Speer und Bärenhaut kamen, um ihn von seinen Fesseln zu befreien. Hinter ihnen entdeckte er Frauen und Krieger, die die ganze Nacht unter den Klippen ausgeharrt hatten, um dem Ritual beizuwohnen.

»Das Zelt hat nicht getanzt«, erklärte der Vater mit tonloser Stimme, kalt.

»Aber ich habe es gesehen. Als die Geister kamen, hat es ...«

»Dann warst du der einzige, der es tanzen sah. Für uns war nichts zu sehen außer dem Wind, der hin und wieder an den Häuten zerrte.«

»Aber die Ahnen haben zu mir gesprochen. Es gibt zwei Wege ...«

Roter Speer schnitt ihm mit einer harschen Geste das Wort ab. »Schweig! Wir haben auch keine Stimmen gehört. Nichts! Die ganze Nacht hat das Volk der Salhin Hült gewartet. Das Zelt hat nicht getanzt, und die Geister haben nicht gesprochen. Du konntest deinem Volk keine Antworten geben. Wir werden nun jemanden suchen, dem die Geister verraten wollen, warum der Himmel sich hinter Wolken versteckt und warum die Herde einen anderen Weg zieht.«

»Aber die Geister haben zu mir gesprochen«, beharrte Seruun.

»Laß es gut sein, Junge«, meinte Bärenhaut tröstend. »Es ist nicht deine Schuld, daß Gurwan gestorben ist und er dich nicht die Weisheit lehren konnte, die einen Geistertänzer mit den Ahnen sprechen läßt.«

»Aber ich habe sie gesehen. Choniin Schüd hat zu mir gesprochen.« Seruun knickten die Beine weg, als ihm die Fesseln abgenommen waren. Die Glieder kribbelten ihm, als würde ein ganzes Ameisenvolk unter seiner Haut umherwandern. Er war zu schwach, um aus eigener Kraft gehen zu können. Bärenhaut stützte ihn, während Roter Speer mit unbewegtem Gesicht vor das Volk der Windwanderer trat.

»Wir alle haben gesehen, daß mein Sohn die Geister nicht rufen konnte. Wir werden Jäger zu den anderen Völkern der Ebenen und des Waldes aussenden und nach einem Geistertänzer suchen, der mit unserer Herde ziehen will. Diese Nacht hat gezeigt, daß dies der Wille der Ahnen ist.« Die Stimme des Kriegers stockte. »Mein Sohn hat versagt. Von dieser Stunde an hat das Volk der Salhin Hült keinen Geistertänzer mehr!«

Alle starrten Seruun an. Warum tat ihm der eigene Vater das an? Warum stellte er ihn auf diese Weise bloß?

Roter Speer zog sich zurück. Leises Gemurmel erhob sich. »Komm, Junge, ich bringe dich hinüber in meine Jurte«, flüsterte Bärenhaut.

Ein Jäger trat aus der Gruppe der versammelten Stammesmitglieder hervor. Bayaraa, ein kleiner Mann mit gebrochener Nase und strähnigem Haar. Er trat an Seruuns Seite und stützte ihn.

Bärenhaut nickte dankbar. Der alte Krieger wollte zu den Zelten, doch Bayaraa blieb stehen und wandte sich an die anderen. »Ganz gleich, was Roter Speer auch sagt, für mich bleibt Seruun der Geistertänzer unseres Volkes. Ich glaube ihm, daß Wolfszahn zu ihm gesprochen hat. Seruun mag jung und unerfahren sein, doch eines ist er ganz gewiß nicht. Ein Lügner!«

Seruun blinzelte den kleinen Mann an. Er hatte nie etwas für Bayaraa getan und war überrascht, daß der Jäger es auf einen Streit mit Roter Speer ankommen ließ, nur um ihn zu unterstützen. Das wollte er ihm niemals vergessen.

Voller Hoffnung sah er in die Gesichter der anderen Stammesangehörigen. Manche wichen seinem Blick aus, andere wirkten zornig oder enttäuscht. Außer Bayaraa wagte es niemand, sich offen zu ihm zu bekennen.

»Danke, Bayaraa.« Seruuns Stimme war heiser vor Erschöpfung. »Das werde ich dir niemals vergessen.«

Der Wahrträumer

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