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Kapitel 16
ОглавлениеPeter hatte an diesem Wochenende Zeit seine Gedanken zu sammeln, um sich ein klares Bild von der Situation zu machen. Wer war wirklich auf seiner Seite? Bislang war er davon ausgegangen, dass allen Bewohnern der Kleinstadt daran gelegen sei, die Umwelt, in der sie leben, zu schützen. Doch das schien falsch zu sein.
Der Pathologe verstand, dass die Leute Angst um ihren Arbeitsplatz hatten. Die Fabrik bedeutete Aufschwung für Werlow. Dazu brauchte er nicht Bürgermeister Hüttmann um das zu verstehen. Er musste also damit rechnen, dass jeder, der bei Medi-Voß arbeitete, gegen ihn und den Schutz des Sees war. Wer waren seine Freunde? Wem konnte er sich innerhalb der Stadtgrenzen anvertrauen? Helmut hatte seine eigene Praxis, Sonja ihren Laden und Jürgen die Kneipe aber auch ihre Umsätze würden fallen, wenn die Bewohner ihre Arbeit verlören. Er musste vorsichtig sein, wollte nicht wieder überfallen werden oder sogar Schlimmeres auslösen.
„OK halte die Rute still, du bist doch Angler. Warten und aufmerksam zuschauen ist deine Stärke“, dachte Peter, zog seine Jacke an und fuhr zum Bürgermeister.
„Guten Morgen, was kann ich für Sie tun?“ fragte die Sekretärin des Bürgermeisters.
„Guten Morgen. Döring, ich habe einen Termin bei Herrn Hüttmann.“
Die "Mittvierzigerin" schaute im Terminkalender ihres Chefs nach, stand auf und öffnete Peter die Tür des Arbeitszimmers. Der Bürgermeister saß hinter seinem Schreibtisch. Er hatte sich pro Lebensjahr mindestens ein Kilogramm Übergewicht zugelegt. Sein blasses, rundes Gesicht ließ vermuten, dass er nicht häufig im Freien anzutreffen war. Der Mann stand auf und streckte Peter seine dicke Hand zur Begrüßung herüber. Die glänzende Halbglatze wirkte so aalglatt wie sein Händedruck.
„Schön, dass Sie kommen konnten, Herr Döring.“
„Danke für die Einladung. Was verschafft mir die Ehre?“
Der Besucher war gespannt, wie der Mann das Gespräch auf den Punkt bringen wollte.
„Ich möchte Sie im Namen der Gemeinde Werlow herzlich begrüßen. Wir freuen uns immer, wenn Menschen wie Sie sich dafür entscheiden, ihr Leben in unserer kleinen Stadt zu verbringen.“
„Das ist sehr freundlich. So sehr ich auch einen gepflegten Smalltalk zu schätzen weiß, hege ich jedoch die Vermutung, dass der wahre Grund meiner Einladung woanders liegt. Vielleicht können wir gleich zur Sache kommen, ich fühle mich nicht gut.“
Der Gemeindevorstand wurde aufgrund von Peters direktem Vorgehen sichtlich irritiert.
„Ja, mmh, Sie haben ganz recht. Es geht um mehr. Ich habe von einigen Mitbürgern erfahren, dass Sie gegen die Fabrik Medi-Voß ermitteln, und möchte gerne von ihnen wissen, was es damit auf sich hat.“
„Ich ermittle nicht gegen die Fabrik, sondern habe lediglich ein Abwasserrohr entdeckt, das in den See mündet. Von wem dieses Rohr stammt, kann ich nur vermuten. Es soll nur analysiert werden, ob durch die Einleitung derartiger Stoffe das Biotop des Gewässers gefährdet sein könnte.“
„Ich verstehe Sie ja aber Sie müssen die Situation meiner Stadt ebenfalls bedenken. Bevor die Fabrik hier eröffnete, lag die Arbeitslosenquote bei 80%. Die Leute zogen weg, weil es keine Perspektive mehr gab. Als ich meiner Gemeinde verkünden konnte, dass ich es erreicht habe, dass hier eine große Pharmafabrik gebaut würde, war die Freude groß. Wir haben hier fast keine Arbeitslosigkeit mehr. Am Rande der Stadt haben wir jetzt ein Neubaugebiet.“
„Das ist fantastisch. Aber die Niederlassung in der ehemaligen DDR ist kein Freifahrtschein für Umweltsünden. Die Gesetze und Bestimmung zur Erhaltung des Umweltschutzes gelten auch für die Ex-Zone.“
Hüttmann stand hinter seinem Schreibtisch auf. Sein rundes Gesicht war rot angelaufen. Er war wütend.
„Damit das klar ist, Herr Döring. Wenn die Fabrik ein kleines Abwasserproblem haben sollte, was ich hier nicht erkennen kann, werden wir Herrn Voß keine Probleme machen. Und wenn ihr so geliebtes Biotop damit nicht fertig wird, dann veranlasse ich eben, dass dieser gottverdammte Tümpel zugeschüttet wird. Ich lasse mir durch einen übereifrigen Großstädter den Aufschwung meiner Stadt nicht gefährden. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. Guten Tag Herr Döring. Sie müssen mich entschuldigen, ich habe zu tun.“
Peter stand auf und verließ grußlos das Zimmer. Er hatte kein Interesse an weiteren Diskussionen. Dieser Mann war blind und verbohrt. Er schrieb es seiner Arbeit zu, dass der Bau der Fabrik und der damit verbundene Aufschwung im Laufe seiner Amtszeit lagen. Peter würde erst einmal abwarten. Die Behörden waren informiert aber am Wichtigsten war, dass eine Probe des Abwassers bei Ernst war. Er würde die Analyse bald haben. Dann erst konnte der Pathologe weitere Schritte planen. Ob nun gegen den Einleiter oder den Verkauf seines Hauses.