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a) Arbeitnehmerähnliche Beschäftigte
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Vorab ist festzustellen, dass arbeitnehmerähnliche Personen selbstständige Unternehmer sind.[83] Ihnen kommt eine „unternehmerische Freiheit im Inneren“[84] zu, die dazu führt, dass das Arbeitsrecht auf sie im Grundsatz keine Anwendung findet.
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Arbeitnehmerähnliche Beschäftigte sind Personen, die wirtschaftlich abhängig und daher einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sind[85], weil sie aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages überwiegend für eine Person tätig sind und die geschuldete Leistung persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen (§ 12a Abs. 1 TVG).
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Im Gegensatz zu Arbeitnehmern sind arbeitnehmerähnliche Beschäftigte allerdings nicht persönlich abhängig. Sie sind nicht in eine betriebliche Organisation eingegliedert und in ihrer Zeitbestimmung grundsätzlich frei.[86]
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Soziale Schutzbedürftigkeit i.S.v. § 12a Abs. 1 TVG liegt vor, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er ansonsten nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Bedeutung mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind.[87]
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Arbeitnehmerähnliche Beschäftigte sind gerade keine Arbeitnehmer und ihre Vertragspartner demzufolge auch keine Arbeitgeber. Im Bereich des Arbeitsstrafrechts sind sie daher grundsätzlich nicht erfasst, soweit das Arbeitsstrafrecht auf den Arbeitgeberbegriff als Pendant zum Arbeitnehmerbegriff zurückgreift.[88] Nur in Ausnahmefällen ist das Arbeitsstrafrecht auf die arbeitnehmerähnlichen Personen anwendbar, nämlich dann, wenn dies spezialgesetzlich angeordnet ist.[89]
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Beispiele für arbeitnehmerähnliche Personen sind:[90]
– | Heimarbeiter[91], |
– | Hausgewerbetreibende, |
– | „freie Mitarbeiter“ von Rundfunk- und Fernsehanstalten[92], |
– | Dozent eines juristischen Repetitoriums[93], |
– | Franchisenehmer[94] und |
– | Kommissionär.[95] |
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Gemäß § 5 ArbGG unterstehen die Arbeitnehmerähnlichen zwar der Arbeitsgerichtsbarkeit, sodass etwa Kündigungsschutzklagen vor dem Arbeitsgericht zulässig, jedoch nicht begründet sind, da das KSchG nur Geltung in Bezug auf Arbeitnehmer entfaltet.[96]
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Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist bei der Qualifizierung arbeitnehmerähnlicher Personen als Selbstständige i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV zu differenzieren. Heimarbeiter gelten gem. § 12 Abs. 2 SGB IV bereits kraft Gesetzes als Beschäftigte.[97] In allen anderen Fällen ist anhand der üblichen Indizien für das Vorliegen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 7 SGB IV zu überprüfen, ob eine Versicherungspflicht des Beschäftigten gegeben ist. Ist dieser tatsächlich in den Betrieb eingegliedert, so ist er abhängig beschäftigt.[98] Darüber hinaus sind gem. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII Beschäftigte, die nicht Arbeitnehmer sind, aber wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter tätig werden, zumindest in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherungspflichtig. Dies ist dann der Fall, wenn „eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen“.[99] Im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung sind gem. § 2 Nr. 9 SGB VI auch selbstständig Tätige versicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 400 € im Monat übersteigt, und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (sog. arbeitnehmerähnliche Selbstständige).[100]
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Die aus arbeitsrechtlicher Sicht erfolgte Einstufung einer Person als arbeitnehmerähnlich führt nicht dazu, dass diese auch in steuerrechtlicher Hinsicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist.[101] Die Finanzverwaltung sieht Heimarbeiter regelmäßig als nichtselbstständig Beschäftigte an, sodass diese lohnsteuerpflichtig sind.[102] In zweifelhaften Einzelfällen kommt es aber stets auf das Gesamtbild der Verhältnisse an, an dem sich die Abwägung orientiert.[103]