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Agni und Ama

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Ayurveda ist brillant, wenn es um das Verständnis der Kraft des Verdauungsfeuers geht – die Gallenflüssigkeit und die Enzyme, die das Essen in Energie umwandeln. Die Instanz, die Stoffwechsel und Verdauung, Resorption und Assimilation steuert, heißt agni. Agnis Aufgabe ist die Umwandlung von Nahrung in Energie und Körpergewebe.

Agni besitzt einen eigenen Krama im 24-Stunden-Tag: Anschüren am Vormittag, Lodern zu Mittag, Abkühlen mit Sonnenuntergang.

Nach Sonnenuntergang schwere Nahrung in Energie und Gewebe umbauen zu wollen ist ein waghalsiger Anspruch an unsere Physiologie. Nicht nur das äußere, auch unser inneres Ökosystem gehorcht dem natürlichen Gesetz »Gleiches verstärkt Gleiches«. Zu leicht wird vergessen, dass die menschliche Physiologie, die Konstruktion des menschlichen Verdauungsapparates eingeschlossen, sich über Jahrtausende entwickelt hat, geformt durch die Naturgesetze, wie sie hier auf der Erde gelten.

Anders als unsere Katzen und Hunde ist Homo sapiens eine tagaktive Spezies. In der Vergangenheit haben wir Menschen bei Tageslicht gegessen, wenn wir sehen konnten. Unsere Augen sehen strahlendere Farben als die unseres Katers, dessen Augen für Dämmerlicht und Nachtsicht konzipiert sind. Ihn interessiert es nicht, ob er die Maus sehen kann, wenn er ihr den Kopf abbeißt. Wir aber sehen gern, was wir essen.

Unser Gallenkreislauf ist auf eine gute Verdauung zwischen 10 und 14 Uhr optimiert, wenn das Sonnenlicht unsere Welt in die schönsten Farben taucht. Essen wir um diese Zeit eine reichliche Mahlzeit, dann verbleibt der restliche Tag für die Verdauung und die Nutzung der daraus gewonnenen Energie. Nehmen wir aber den Großteil unserer Nährstoffe später am Tag, dann erschweren wir Agnis Aufgabe, da wir den Verdauungstrakt zu einer Zeit mit Nahrung füllen, zu der er lieber abkühlen würde, als erneut angeheizt zu werden. Zu spät zu viel zu essen kommt für ihn einer Provokation gleich. Geschieht dies gewohnheitsmäßig, sammelt sich unverdaute Nahrung im Darm – eine energetische Belastung des gesamten physiologischen Systems durch eine degenerative Gewohnheit. Wer sein System im Alterungsprozess schweren und späten Abendmahlzeiten unterwirft, wird abbauen. Selbst für mich als Kind waren die Konsequenzen unseres üppigen, späten Essens Kopfschmerzen, verschleimte Nebenhöhlen, zu viel Körpergewicht und eine gestörte Körperintegrität (oder ein gestörtes Selbstwertgefühl bezogen auf den Körper).

Alle Abschnitte des Verdauungstraktes sollten abwechselnd dynamische und erholsame Phasen durchlaufen können – hat etwa der Magen seine Arbeit abgeschlossen, sollte er ruhen, während der Dünndarm die seine aufnimmt. Ein gesunder, rhythmischer Verdauungsapparat nimmt die Nahrung bis in die Tiefe auf. Eine tief wirkende Ernährung aber tankt unseren Geist und unseren Energiekörper auf und regeneriert unser Körpergewebe. Ist dein Agni stark und ausbalanciert, dann fühlst du dich nach dem Essen gesättigt und entspannt, zwischen den Mahlzeiten dynamisch und strahlend, und das selbst auf langen Strecken, etwa zwischen der letzten Mahlzeit des Tages und dem Fastenbrechen am nächsten Tag. Von langen Verdauungspausen hast du vielleicht unter dem Namen intermittierendes oder Intervall-Fasten schon gehört. Verdauung liebt den Wechsel zwischen Arbeit und Ruhe. In der Chinesischen Medizin wird der Verdauungsapparat als »maskulin« beschrieben: Er arbeitet, dann ruht er. Lunge und Herz dagegen sind »feminin«: Sie verkörpern den stetig andauernden Rhythmus. Bist du im Einklang mit deinem Agni, wird mit deiner Verdauung auch deine Energie ausgeglichen und entspannt sein. Keine Blähungen, keine Verstopfung, keine verstopfte Nase am Morgen.

Das Sanskrit-Wort für »unverdaut« ist ama. Es bezeichnet den Sand im Schmierstoff des Getriebes. Ama ist der unappetitliche Bodensatz schlecht verdauter Nahrung. Ama führt zu energetischer Unwirtschaftlichkeit, aus der Krankheit folgt. Ist dein Essverhalten asynchron (akrama), störst du den Rhythmus deines Verdauungstrakts. Werden schwere Abendmahlzeiten zur Gewohnheit, wandert Ama aus dem Darm ins Blut und in die Gelenke und lässt den Körper bis zum Morgen lethargisch und steif werden.

Am nächsten Tag spürst du, wie träge dein Organismus ist, wie verschleimt deine Nase und wie pessimistisch dein Geist. Solcher Stress führt zu Entzündungen. Rechnen wir jetzt noch den Verstärkungseffekt hinzu, wird aus einem Verhaltensmuster eine chronische Infektion. Kein Spaß. Falls du dich wiedererkennst, solltest du wissen: Du kannst diese Gegebenheiten ändern und schon innerhalb ungefähr einer Woche am Morgen mit mehr Gelassenheit, Energie und Flexibilität aufwachen.

Die Lösung ist simpel: Bringe deine Mahlzeiten in Einklang mit dem menschlichen Agni-Zyklus. Agni ist in der Tagesmitte am stärksten. Passe deine Tagesplanung dem an und nimm die nährstoffreichste, kräftigste Mahlzeit zu dir, wenn die Sonne hoch am Himmel steht.

Es gab eine Zeit, da wussten wir das alle. Doch mit dem Übergang von der landwirtschaftlichen zur Fabrikarbeit wurde die (mittägliche) Hauptmahlzeit auf den Abend verschoben. Die neuerdings aufkommenden Kombinationen von Mittag- und Abendessen sind ganz offensichtlich eine epidemische Gefahr für unsere Gesundheit.

Das englische Wort supper hat tatsächlich mit Suppe zu tun, einer Schlürf- und Tunkspeise, die in bäuerlichen Haushalten häufig den ganzen Tag auf dem Herd stand, um am frühen Abend gelöffelt und getrunken zu werden. Dagegen stellt das Abendessen heute das große Finale unter den drei Mahlzeiten des Tages dar. Betrachte einmal die Leute auf Fotos aus den 1970er-Jahren mit ihren starken, geschmeidigen Körpern. Das sollte Anlass genug sein, unsere neumodischen Essgewohnheiten im Zeitalter der überreichlichen Mahlzeiten genauer zu hinterfragen.

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