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Schwerfällig und mit äußert schlechter Laune hob König Eldor das Haupt, als die beiden Torwachen in ihren prunkvollen goldenen Rüstungen die Tore zu seinem Thronsaal öffneten. Es war noch in den frühen Morgenstunden und es würde noch einige Zeit dauern, bis die Sonne den Horizont erklomm. Und zu eben dieser unwürdigen Zeit hatte man den Elfenkönig aus seinem Schlaf gerissen, wegen eines einfachen Gesandten, der der festen Überzeugung war, sein Anliegen erlaube keinen Aufschub. Doch dem König fiel es schwer, auch nur irgendetwas zu ersinnen, das es rechtfertigte, ihn aus seinem Schlaf zu reißen. Denn er war zwar inzwischen angekleidet und saß aufrecht auf seinem Thron, um den Gesandten zu empfangen, doch dafür musste er nun mit pochenden Kopfschmerzen kämpfen. Allerdings war er fest entschlossen, seinen Unmut an dem Störenfried auszulassen, denn er zweifelte keine Sekunde daran, wer ihn geschickt hatte. Nur eine Gruppe von missratenen Blendern war so dreist, es zu wagen, ihn zu dieser Zeit aufzusuchen. Und kaum dass der Gesandte in seinem braunen Umhang eintrat, bestätigte sich auch schon seine Befürchtung. Denn auf seiner Mantelschnalle glänzte deutlich erkennbar ein Wappen, zwei gekreuzte Schwerter vor einem sich aufbäumenden Drachen. Das Zeichen der Aquiron. Obwohl es schon fast ein Zeitalter her war, dass zuletzt ein Gesandter der Aquiron die heiligen Hallen der Elfen betreten hatten, hasste Eldor sie aus tiefstem Herzen. Denn in seinen Augen waren diese Bastarde viel zu respektlos gegenüber der Krone. So auch jetzt. Denn der Gesandte sank nicht etwa auf die Knie, wie es einem Mann seines Ranges vorgeschrieben war, sondern er begnügte sich mit einem kurzen Nicken. Wütend funkelte der König ihn an.

»Was wollen die Aquiron zu einer solchen Zeit von mir? Sprecht rasch!«, fauchte er den Gesandten unwirsch an.

Doch seine Worte erzielten nicht die gewünschte Wirkung, denn weder zuckte die Gestalt zusammen, noch wich sie zurück, im Gegenteil, sie trat bis auf wenige Schritte an den Thron heran, ehe sie langsam die Hand hob, um die Kapuze zurückzustreichen. Mit Genugtuung bemerkte Eldor die schrumpelige Haut mit den Altersflecken darauf und ein abschätziges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Doch der Anblick, der sich ihm bot, wischte das Lachen aus dem Gesicht und ersetzte es durch eine Maske des Entsetzens. Denn unter der Kapuze kam nicht etwa ein von Äonen gezeichneter Elf zum Vorschein, sondern ein Mensch! Direkt vor dem Elfenkönig stand ein alter Mann mit ungepflegtem, weißem Bart und kaum Haupthaar. Einen Moment lang verschlug der Schock Eldor die Sprache. Dann wallte unbändiger Zorn in ihm auf. Diesmal waren die Aquiron zu weit gegangen. Es war ein unverzeihlicher Frevel für einen Menschen, die Königshallen zu betreten und Eldor war klar, dass die Aquiron dies nur zu gut wussten und es sich um eine reine Provokation handelte, dass sie keinen Elf, sondern einen einfachen Menschen geschickt hatten.

»Wachen!«, kreischte er schrill und deutete mit dem Finger anklagend auf den Mann, »entfernt sofort diesen Frevler aus meinen Hallen! Sperrt ihn in eine sichere Zelle, aus der er nicht fliehen kann und richtet ihn mit den ersten Strahlen der Sonne hin!«

Die Torwächter reagierten augenblicklich und zogen ihre schlanken Schwerter, um den Mann von beiden Seiten in die Zange zu nehmen. Dieser rührte sich immer noch nicht von der Stelle, doch hob er nun abwehrend die Hände und riet leise, aber bestimmt: »Ihr tätet gut daran, Eure Schoßhunde zurückzurufen! Ihr wollt doch sicher nicht, dass Euer kostbarer Thronsaal mit dem Blute unschuldiger Elfen befleckt wird!«

Mehr als alles andere, was der Mann hätte tun können, entsetzte Eldor die unverhohlene Drohung. Normalerweise hätte er ihn auf der Stelle töten lassen, doch als der Mensch nun seinerseits ein Schwert aus der Scheide zog, welches zuvor sorgsam unter dem Mantel verborgen gewesen war, strahlte er eine solche Macht und Autorität aus, dass die Torwachen unsicher stehen blieben und zweifelnd zu ihrem König blickten. Widerwillig schluckte dieser seinen Zorn hinunter und bedeutete ihnen mit einer kurzen Handbewegung, zu ihren Posten zurückzukehren.

Der Mann nickte ihm zufrieden lächelnd zu.

»Eine weise Entscheidung, mein Herr.«, sprach er in gelassenem Ton, »sicher fragt Ihr Euch, was wohl der Grund für meinen Besuch ist.«

Es war mehr als offensichtlich, dass es sich hierbei um eine rein rhetorische Frage handelte, dennoch bekundete Eldor brummend seine Zustimmung.

»Nun«, fuhr der Mann fort, »wie Ihr sicherlich wisst, beschützen die Aquiron seit jeher die Grenzen Eures Landes vor den Mächten, die Eure gesamte Existenz gefährden. Und es ist Zeit, dass Ihr wieder einmal den Tribut entrichtet.« Bei diesen Worten zuckte der König ein klein wenig zusammen und er musste sich beherrschen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.

»Verzeiht meine Zweifel, Mensch, aber diese Mächte, von denen Ihr sprecht, ich glaube nicht, dass sie existieren. Zweifelsohne wandelten die Schattenwesen einst in unseren Gestaden, aber seit nunmehr dreihundert Jahren ist kein Drache mehr gesichtet worden und kein Riese zeigte sein Antlitz. Wenn Ihr mich fragt, klammert sich Eure Organisation an längst überholten Aberglauben, denn wenn es die Mächte, von denen Ihr sprecht, tatsächlich gäbe, so könnte doch ein Mensch wie Ihr niemals etwas gegen sie ausrichten! Die einzige reale Gefahr für mein Reich geht von den ständigen Übergriffen der Unholde aus, aber gegen diese weiß meine Armee sich durchaus zur Wehr zu setzen, wie Ihr an den hässlichen Fratzen auf den Palisaden im Grenzgebiet unschwer erkennen könnt«, entgegnete Eldor höhnisch.

Der Blick des Gesandten verfinsterte sich und als er den König drohend anfunkelte, glaubte dieser tatsächlich, von dem Blick durchbohrt zu werden, und sackte etwas in sich zusammen.

»Ob Ihr nun an die dunklen Mächte glaubt oder nicht, es ist mir einerlei!«, fauchte der Mann ihn an, »aber Ihr werdet Euren Teil des Vertrages erfüllen. Ihr schuldet uns einen jungen Soldaten, der noch nicht von Euren Intrigen vergiftet ist. In einem Zyklus komme ich wieder und dann erwarte ich, dass der Tribut gezahlt wird!«

Dann wandte er Eldor den Rücken zu, ehe dieser auf die Drohung reagieren konnte und marschierte erhobenen Hauptes aus der Halle. Als die Torflügel hinter ihm zuschlugen, sackte der König auf seinem Thron zusammen und fuhr sich mit der Hand durch das lange Haar. Er konnte die Aquiron nicht leiden, denn er glaubt tatsächlich, dass sie nur ihre Macht ausbauen wollten, um am Ende alle freien Reiche zu stürzen und selbst die Herrschaft an sich zu reißen. Doch ihm war auch bewusst, dass seine Armee nicht stark genug war, um ihn gegen diese Gemeinschaft zu verteidigen. Zu lange hatten die Aquiron ihre Streitkräfte ausgebaut. Zu lange ihre Macht gestärkt. Nun konnte sich selbst der Elfenkönig ihnen nicht mehr offen entgegenstellen und ihm war bewusst, dass er ihrer Forderung nachkommen musste, um sich selbst zu schützen. Denn ihm waren bereits Berichte aus anderen Ländern zu Ohren gekommen, laut denen Fürsten und selbst König von den Aquiron entmachtet und ersetzt worden waren, weil sie vertragsbrüchig geworden waren. Lange grübelte er über das Problem nach, bis sich nach und nach eine Lösung in seinem Kopf formte. Lächelnd gewann er etwas von seiner aufrechten Körperhaltung wieder. In genau zwei Zyklen, und damit zeitgleich mit der Rückkehr des Gesandten, sollten einige Rekruten vereidigt werden. Einen dieser Rekruten würde er opfern und zwingen, den Aquiron beizutreten. Er musste nur noch herausfinden, welcher am wenigsten Erfahrung hatte und am besten noch Verbindung zu den wenigen Rebellen in seinem Land. Vielleicht war ja ein Kind eines Verschwörers oder Eidbrechers unter ihnen. Indem er sich dieses Rekruten entledigte, wären den Aquiron die Hände gebunden, da er die Bedingungen des Vertrages eindeutig erfüllte, doch er würde gleichzeitig seine eigene Krone stärken, indem er einen Risikofaktor vernichtete. Alles, was er brauchte, war ein geeigneter Kandidat. Aber Eldor zweifelte nicht daran, dass sich einer finden würde. Und so konnte der Elfenkönig doch noch mit einem hinterlistigen Lächeln auf den Lippen in sein Schlafgemach zurückkehren und endlich seine wohlverdiente Ruhe genießen, nicht ohne vorher der Wache vor der Tür mit einem grausamen Tode zu drohen, falls sie ihn in dieser Nacht noch einmal, aus welchem Grund auch immer, stören würde.

Drachenwispern

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