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»Du wurdest trainiert, du wurdest getestet und hast es bis hierher geschafft. Nur wenige erblicken jemals die Finsternis dieser Kammer. Deshalb frage ich dich, meine Schülerin, bist du bereit, die Aufgabe zu übernehmen, zu der du erwählt wurdest?«

Sie hob langsam das Haupt, welches sie zuvor in Demut gesenkt gehalten hatte. Ein sanftes Kitzeln prickelte auf ihrer Wange, als eine Strähne ihres langen, schwarzen Haares sich löste und ihr ins Gesicht fiel. Ihre grünen Augen waren weit geöffnet, doch auch wenn sie mit der Fähigkeit der Klarsicht geboren worden war und selbst in tiefster Nacht deutlich zu sehen vermochte, versagte ihr Augenlicht in diesem Raum. Dennoch unterdrückte sie den Drang, wild mit den Augen umherzuzucken, und konzentrierte sich auf einen Punkt Schwärze. Auch zitterte ihr Körper nicht, obwohl sie nackt auf dem kühlen Steinboden kniete, denn ihr Wille war stärker als die Kälte, die sie zwar spürte, welche ihr aber nichts anhaben konnte. Sie war eine Kriegerin. Nein, sie war sogar mehr als das. Ihr Körper war gestählt und doch nicht muskulös, sondern von betörender Weiblichkeit, ihr Wille war stark wie ein unbändiges Feuer und, noch viel wichtiger, sie war niemand. Der Ort der Aufnahmezeremonie war nicht umsonst gewählt, sondern mit Absicht ein Hort der völligen Dunkelheit. Es erinnerte die Novizen ein letztes Mal daran, dass sie nicht existierten. Diese Gewissheit durchflutete ihren Geist und beruhigte ihr pochendes Herz.

»Ja Meister«, hauchte sie leise in die Dunkelheit, in die Richtung, aus der sie zuvor die Stimme ihres Lehrmeisters vernommen hatte, »geboren, um Euch zu dienen, Euren Befehlen Folge zu leisten und Kraft meines Körpers die Welt zu verändern, bin ich hier vor Euch. Bitte nehmt meine Dienste an.«

Als die Stimme ihres Meisters wieder ertönte, schien sie plötzlich nicht mehr von vorne, sondern von über ihr zu kommen.

»Schwörst du, nicht zu hinterfragen, was dir aufgetragen wird, keine Selbstjustiz zu üben und dich alleine der Moral des schwarzen Zirkels zu unterwerfen?«

Die Worte waren in gemessenem Ton gesprochen, denn in der Finsternis verbargen sich noch die anderen beiden Unterführer des Zirkels, wie sie wusste, aber doch glaubte sie einen Anflug von Stolz in ihnen mitschwingen zu hören und so antwortete sie ohne zu Zögern aus tiefster Überzeugung: »Ich schwöre!«

»Schwörst du, jeglichen Emotionen und trügerischen Gefühlen zu entsagen, da sie dich vom rechten Pfad abbringen würden?«

»Ich schwöre!«

»Und schwörst du, nie ein Wort über den Zirkel zu sprechen und das geheime Wissen, welches dir zuteilwurde, zu hüten, selbst wenn man es dir durch Folter oder Schändung zu entreißen versucht?«

Bei diesem Gedanken konnte sie nicht verhindern, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief und sie fröstelte, aber dennoch stand ihre Antwort außer Frage: »Ich schwöre es, so wahr ich hier knie!«

Plötzlich legte sich die warme Hand eines Mannes auf ihre Schulter.

»Du hast wohl gesprochen, Novizin. So erhebe dich nun und sei nicht länger eine Schülerin, sondern ein vollwertiges Mitglied des schwarzen Zirkels.«

Leicht ungelenk vom langen Knien erhob sie sich, bis sie aufrecht stand. Unbewusst versuchte sie, die Zehen im Boden zu vergraben, doch damit scheiterte sie natürlich an dem kargen Stein. Und da das Geräusch ihrer Nägel, die über den Boden kratzten, in dem sonst so stillen Raum unendlich laut klang, unterließ sie es auch sofort. Neben sich vernahm sie ein leises, aber wohlwollendes Lachen, ehe sie einen weichen Stoff auf ihrer Haut spürte, als ihr eine lange Robe umgelegt wurde.

»Lange ist es her, seit der letzte Novize seine Prüfung bestanden hat. Du hast dich in den Kampfkünsten bewiesen, bist sogar in jeder Disziplin zur Besten gekürt worden, aber das ist es nicht, weshalb wir dich wählten. Es sind ein starkes Herz und deine unerschütterliche Treue, die dich würdig gemacht haben. Denn beides wirst du unter Beweis stellen müssen, wenn du Erfolg haben willst. Die Aufgabe, die vor dir liegt, ist die bedeutendste und auch schwierigste seit Anbeginn des Zirkels. Ich werde dir nun erklären, worum es geht.

In deiner Ausbildung hast du dich lange mit der Historie des Zirkels befasst und darüber hinaus noch mit den Geschicken der gesamten Welt. Doch es gibt einige weitere Kapitel, die zwischen der Gründung durch Borg und Toras und dem heutigen Zirkel liegen. Die Zeiten der Zwietracht, die nur wenigen Lebewesen heutzutage noch bekannt sind. Denn einst drohte der schwarze Zirkel zu zerbrechen und konnte nur dadurch fortbestehen, dass er sich in Teile spaltete. In uns, die den Traditionen treu geblieben sind und überzeugt die alten Werte hochhalten, und in jene die aus Machtgier und Eigennutz handelten und sich selbst über das Wohl der Welt stellten. Dieser Abkömmling des Zirkels besteht noch heute. Er nennt sich die Aquiron. Wir werden dich dort einschleusen, damit du Informationen sammeln kannst und wir dieses Geschwür für immer vernichten können. Dafür musst du die wahre Geschichte kennen. Sie ist niedergeschrieben in diesem Papyrus. Halte sie geheim, doch studiere sie, wann immer sich eine Möglichkeit ergibt. Diese Schriften sind unvorstellbar kostbar, doch solltest du Gefahr laufen, dass ein anderer sie liest oder sie dir entwendet, so musst du sie dem Feuer anvertrauen.«

Damit wurden ihr einige dünne Papyrusrollen in die Hand gedrückt, während sich hinter ihr die Tür öffnete und mit einem Mal ein schummriger Lichtstrahl in den Raum fiel und sie den Schemen ihres Meisters erkennen ließ. Dieser nahm sie am Arm und führte sie hinaus aus der Dunkelheit, auf das Licht zu.

»Komm. Du musst schon bald zu deiner Mission aufbrechen, doch zunächst muss die Zeremonie abgeschlossen werden. Es gibt reichlich an Speis und Trank zu deinen Ehren. Heute sollst du noch keine Gedanken an das Kommende verschwenden, sondern dich allein an deinem Erfolg erfreuen. Und dann werde ich dir deinen Namen nennen.«

Drachenwispern

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