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Wild heulte und pfiff der Wind um Elynia. Bibbernd zog sie die Kapuze tiefer ins Gesicht und hielt den Kopf gesenkt, um sich vor dem erbarmungslosen Regen zu schützen. Längst war ihr die Kälte bis auf die Knochen gekrochen, aber sie kämpfte sich unermüdlich weiter und weigerte sich, noch vor der Nacht einen Unterschlupf zu suchen. Doch es war nicht nur ihr Pflichtbewusstsein, welches sie vorantrieb, sondern vielmehr eine tiefe Freude, die ihr Herz wärmte. Sie hatten die anderen Rekruten und Novizen beobachtet und gesehen, welch enge Bindung sie schon nach so kurzer Zeit zueinander aufgebaut hatten, wie vertraut sie sich waren und sie war neidisch darauf gewesen. Aber das gehörte nun der Vergangenheit an, denn sie würde selbst bald einen Partner haben. Es war, als sollte der Bruder, den sie nie gehabt hatte, endlich in ihr Leben treten. Und das stimmte sie so froh, dass selbst der Sturm ihr nichts anhaben konnte. Nun hob sie kurz den Blick, um das Gebiet nach Landmarkierungen abzusuchen. Sie befand sich knapp unterhalb des Kamms des Sulgebirges, nach dessen Überquerung sie das Murùn in weniger als einer Woche zu erreichen hoffte. In der Ferne erblickte sie einen großen Felsen in Form eines Drachenkopfes. Eben diese Kontur hatte der Formation auch ihren Namen gegeben. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie hatte gedacht, den Drachenkopf erst am Abend des nächsten Tages zu erreichen, doch es hatte ganz den Anschein, dass sie sogar schneller war, als ihre Planung es vorsah. Und das, obwohl sie bereits mit raschen Gehzeiten kalkuliert hatte. Unverdrossen nahm sie das letzte steile Stück bis zum Gipfel des Kamms auf sich. Dieses erwies sich als äußerst gefährlich, denn der Fels war von dem Regen nass und glitschig und erhob sich beinahe senkrecht in die Höhe. Hier half ihr auch ihre Soldatenausbildung nicht weiter, denn Bergtouren gehörten nicht dazu. Und Trittsicherheit war nicht ihre größte Stärke, aber Elynia zeigte keine Angst. Stattdessen befestigte sie ein Seil behelfsmäßig an einer Felsnase und zog sich Stück für Stück nach oben. Ihre Finger krallten sich in jede Unebenheit des Felsens, während sie mit den Füßen Halt suchte. Schwer atmend sah sie nach oben. Sie hatte erst die Hälfte des Weges geschafft, doch der Schweiß rann ihr bereits in Strömen übers Gesicht und vermischte sich mit dem fallenden Regen. Sie gönnte sich eine kurze Pause, aber in ihrer angespannten Kletterposition konnte sie sich kaum ausruhen. Als ihre Beine sich wieder etwas entkrampft hatten, zog sie das linke Bein an und stemmte es auf einen hüfthohen Vorsprung. Aber sie hatte die Stabilität des Steins überschätzt, denn der Fels bröckelte ab und sie wäre beinahe gestürzt. Nur mit purer Willenskraft gelang es ihr, bei dem heftigen Ruck, der durch ihre Arme lief, ihren Griff nicht loszulassen, obwohl sie die Haut an ihren Fingern aufplatzen spürte. Nach einem gefährlichen Augenblick des freien Baumelns gelang es ihr endlich, wieder festen Halt zu finden. Erleichtert stieß sie ihren Atem aus. Statt in den Tod zu stürzen, war ihr nur das Innenbein der Hose aufgerissen und die Haut darunter abgeschürft. Die Wunde brannte zwar wie Feuer, doch sie beeinträchtigte Elynia nicht weiter beim Klettern und so setzte sie ihren Aufstieg schon kurz darauf fort. Selbst das Wetter schien sie für ihre Mühe entschädigen zu wollen, denn der Himmel war zwar immer noch mit regengeschwängerten Wolken bedeckt, aber der Niederschlag wurde langsam schwächer und hörte schließlich ganz auf. Das erleichterte ihr das Klettern ungemein und so kam es, dass sie sich schließlich erschöpft über die Felskante ziehen konnte und sich ausgelaugt auf dem nassen Stein niederlegte, bevor sie einige große Schlucke Wasser zu sich nahm. Erst nach einer Weile richtete sie sich auf und blickte in die weite Landschaft tief unter sich. Viel erkannte sie nicht in den Schatten. Aber nachdem sie eine Zeit lang über den Grat gewandert war, sie vermutete, dass es gegen Mittag sein musste, tat sich ein Riss in der Wolkendecke auf. Die Sonne durchbrach das Dunkel, wie gleißende Bänder wirkten die Strahlen und in der Entfernung sah Elynia den Saum einer winzig wirkenden Grünfläche. Aber ihr war bewusst, dass das, was von hier oben so winzig aussah, in Wahrheit sehr viel größer war. Und ihrem Studium der Landkarten nach zu urteilen, war eben dieser grünliche Fleck ihr Ziel. Das gewaltige Waldgebiet Murùn. Sie nahm sich Zeit, den Ausblick auf sich wirken zu lassen und sog das Panorama förmlich in sich auf. Gegen Abend fand sie den Eingang einer Höhle dicht unterhalb des Grats. Glücklich ein trockenes und vor allem windstilles Quartier für die Nacht gefunden zu haben kroch sie hinein – und wurde von einem tiefen Knurren begrüßt. Allein ihrer Erfahrung im Kampf verdankte sie es, nicht zusammenzuzucken, als vor ihr plötzlich der Kopf einer riesigen Raubkatze erschien. Der Berglöwe schlich um sie herum, während er immer wieder leise knurrte. Elynia stand wie erstarrt und versuchte, möglichst flach zu atmen. Sie hatte Glück. Höhlen in den Bergen waren selten unbewohnt und wenn sie sich in eine Bärenhöhle verlaufen hätte, hätte sich der Bewohner sofort auf sie als Eindringling in sein Gebiet gestürzt, aber mit Berglöwen verhielt es sich anders. Die Wildkatzen stellten mögliche Rivalen immer erst auf die Probe. Wenn sie von dem Löwen für schwächer befunden wurde, würde er sie in Sekundenbruchstücken zerfleischen. Der Berglöwe ging leicht in die Hocke und fletschte angriffslustig die Zähne. Das war der Moment, in dem sie handeln musste.

»Bleib!«, befahl sie streng.

Gleichzeitig streckte sie dem Tier ruckartig die flachen Hände entgegen. Der Berglöwe stockte in der Bewegung und sah sie abwartend aus klugen Augen an. Sie erwiderte seinen Blick und ihr war bewusst, dass der Löwe nur ein einziges Gesetz kannte und akzeptierte. Das Gesetz des Stärkeren. Das Gesetz der Natur. Sie hielt die eine Hand auf den Knauf ihres Messers, bereit, es jederzeit zu zücken, mit der anderen holte sie ein Stück Trockenfleisch aus ihrem Rucksack und warf es der Bergkatze hin. Das Prinzip war einfach. Wenn der Löwe fraß, akzeptierte er sie als den Stärkeren und sie würde gefahrlos übernachten können. Wenn er aber das Fleisch nicht anrührte, würde sie wohl oder übel kämpfen müssen. Sekunden verstrichen, in denen sie sich nur anstarrten. Bereit zog sie die Klinge einen Fingerbreit aus der Scheide. Aber dann, endlich, senkte der Löwe den Kopf und begann zu fressen. Erleichtert warf Elynia ihren Rucksack zu Boden. Für die Nacht hatte sie eine sichere Unterkunft gefunden.

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