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Ardun döste auf dem Rücken seines Pferdes, als sie ein weiteres Mal die Nacht durchritten. Nach der dritten Nacht in Folge konnte ihn die Dunkelheit nicht mehr so faszinieren wie zu Beginn und er verfiel immer häufiger in eine Art Wachschlaf. Dabei vertraute er blind darauf, dass sein Pferd dem Lians folgte, da dieses offensichtlich die Leitstute war. So nickte er auch jetzt wieder ein und döste vor sich hin, ehe er von einer wütenden Stimme aufschreckt wurde.

»Ich hab dir doch oft genug gesagt, dass du nicht auf die Irrlichter reinfallen sollst! Komm sofort zurück!«, schrie Lian wutentbrannt.

Verwirrt sah Ardun auf. Er befand sich immer noch auf seinem Pferd fast direkt hinter der Elfe, doch diese sah ihn nicht an, sondern richtete ihren Zorn anscheinend auf etwas vor ihr. Aber selbst als er sich anstrengte, konnte Ardun nicht ausmachen, was sie so erzürnte. Alles, was er sah, waren zwei kleine Glühwürmchen, die vor ihr auf und ab schwebten.

»Ist alles in Ordnung mit Euch?«, wollte er vorsichtig wissen.

Aber die Elfe antwortete ihm nicht, sondern begann erneut, auf die Glühwürmchen zu schimpfen, dass sie Ardun einfach seinem Schicksal überlassen würde und er selbst schuld war, wenn er auf solch einfache Listen hineinfiel. Stirnrunzelnd schloss er zu ihr auf, um sie an der Schulter zu packen und sanft zu rütteln. Sie wischte seine Hand weg, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Doch während er sie berührte, veränderte sich das Bild vor seinen Augen. Schockiert stellte er fest, dass er sich selbst sah. Er war vom Sattel abgestiegen und hielt das Pferd nur noch an den Zügeln, während er mit verzückter Miene ein wunderhübsches Mädchen betrachtete, dessen lockiges, braunes Haar ihre weichen Geschichtszüge umschmeichelten und das in ein hauchdünnes Kleid gekleidet war, welches nicht viel Spielraum für Fantasie ließ. Sie lächelte seinem zweiten Ich kokett und aufreizend zu und Ardun sah sich selbst ihr folgen. Dann war es vorbei und er sah wieder nur zwei Glühwürmchen, die sich langsam auf den Wald zubewegten, als die Elfe sich von seiner Hand befreite. Er saß wie vom Donner gerührt da, während Lian weiterhin lauthals fluchend von ihrer Stute abstieg und den Lichtern folgte. Ohne lange zu überlegen sprang auch Ardun aus dem Sattel und nahm sich noch kurz Zeit, die beiden Pferde anzubinden, ehe er ihr folgte. Er versuchte alles, um sie wieder zur Vernunft zu bringen, rief laut ihren Namen, stieß sie, wedelte ihr vor den Augen herum, doch sie war völlig in dem Bann gefangen und nahm ihn nicht wahr. Daher beschränkte er sich alsbald darauf, ihr stumm zu folgen, seinen Dolch gezückt und immer darauf bedacht, möglichst viel von seiner Umgebung im Blickfeld zu haben. Allerdings gestaltete sich dies schwierig, da die Glühwürmchen, welche er inzwischen als Irrlichter erkannt hatte, sie immer tiefer in den Wald hinein und weg von den Pferden führten, wo die Bäume enger standen und die dichten Kronen fast jegliches Sternenlicht schluckten, sodass nur die Irrlichter selbst einen schmalen Lichtkegel warfen. In seiner Verzweiflung stach Ardun sogar mit dem Dolch nach einem der Irrlichter, doch es wich schwebend mit einer Leichtigkeit aus, die klarmachte, dass er es niemals treffen würde. Gleichzeitig hörte er ein helles, amüsiertes Lachen erklingen. Ihm blieb also nichts weiter übrig, als den Irrlichtern und Lian immer weiter ins Herz des Waldes zu folgen und bereit zu sein, sie gegen ein Raubtier zu verteidigen, falls dieses sie angriff. Immer weiter liefen sie ohne ersichtliches Ziel und die Luft um sie herum wurde zunehmend stickiger. Aber immerhin traute sich auch kein wildes Tier an sie heran, was allerdings nicht bedeutete, dass Ardun nicht bei jedem Rascheln im Laub zusammenzuckte und mehr als einmal stach er erschrocken nach einem Baum, dessen dunkle Silhouette plötzlich in der Dunkelheit vor ihm auftauchte, denn seine Nerven lagen blank und er fühlte sich äußerst unwohl in seiner Haut. Dann durchbrach plötzlich ein seltsames Geräusch die Lautkulisse des Waldes. Es war wie ein Schleifen über den Erdboden. Mit pochendem Herzen und auf das Schlimmste gefasst wollte Ardun stehenbleiben und lauschen, doch die Irrlichter erlaubten ihm eine solche Pause nicht, sie schienen sogar Gefallen daran zu finden ihn zu ärgern und erhöhten sogar das Tempo, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als ihnen nachzuhasten, hinein ins Ungewisse, denn er konnte nur noch seinen eigenen schweren Atem und das Rauschen des Blutes in seinen Ohren hören. Weiter und weiter liefen sie und nach einer Weile vernahm er wieder das seltsame Geräusch. Nur dass es diesmal sehr viel näher und lauter war. Gleichzeitig nahm die undurchdringliche Finsternis des Waldes ab und er erkannte einen schwachen Lichtschein. Kurz darauf erhob sich vor ihnen der schummrig erleuchtete Eingang zu einer Höhle, die sich abschüssig in den Waldboden fraß. Lian steuerte direkt auf den Zugang zu. Ardun versuchte ein weiteres Mal verzweifelt, sie aufzuhalten, doch ihm blieb derselbe Misserfolg beschieden wie zuvor. Daher blieb ihm nichts anderes übrig, als der Elfe widerwillig unter die Erde zu folgen. Ihm schlug ein modriger Geruch entgegen, vermischt mit dem Gestank von Fäulnis und Verwesung. Und eins war sicher, der lange Gang war sicherlich nicht unbewohnt. Denn an den Wänden waren in unregelmäßigen Abständen kleine Laternen angebracht, die flackernd Licht spendeten. Einige waren auch schon erloschen. Und durch den Stollen hallte das schleifende Geräusch, welches Ardun schon zuvor aufgefallen war. Und noch immer war Lian wie in Trance und folgte den nur noch schwach glimmenden Irrlichtern immer tiefer hinein. Der Gang führte lange bergab und wurde nur selten von schmalen Abzweigungen unterbrochen. Während sie immer weiter hinab gingen, nahm Ardun seinen Umhang ab, den er gegen die nächtliche Kälte getragen hatte, denn es wurde mit jedem Schritt wärmer. Kurz darauf begann er sogar zu schwitzen und musste stehenbleiben, um sich den Schweiß aus den Augen zu wischen. Deshalb bemerkte er zunächst auch nicht die Kreatur, welche soeben um die nächste Biegung gekommen war und sie jetzt mit einem überraschten Grunzen bedachte. Sie hatte ledrige, grüne Haut und überproportional lange Arme, die bis zum Boden reichten, sodass die Klauen über die Erde gezogen wurden und dabei ein schleifendes Geräusch erzeugten. Das Gesicht war seltsam eingedrückt, als wäre das Wesen gegen eine massive Wand gerannt und eine große schweineähnliche Schnauze prangte darin. Als Ardun endlich den salzigen Schweiß aus seinen brennenden Augen entfernt hatte, sah er den Goblin. Mit einem freudigen Aufgrunzen machte das hässliche Geschöpf kehrt und rannte auf seinen kurzen Beinchen zurück, dahin, woher es gekommen war. Ardun stieß einen wüsten Fluch aus und setzte ihm nach. Von allen finsteren Orten, an die die Irrlichter sie hätten führen können, musste es ausgerechnet ein Goblinstollen sein. Ardun wusste, dass es Ärger bedeutete, wenn er den, der sie gesehen hatte, nicht stoppen konnte, denn auch wenn Goblins an sich schwach waren, durfte man ihre Flinkheit unter der Erde nicht unterschätzen. Und sie lebten zu hunderten in Kolonien und konnten selbst die besten Krieger durch ihre schiere Überzahl überwältigen. Wenn der Goblin also mit Hilfe zurückkehrte, sah er schwarz für sich und Lian, die ihm in einem Kampf in ihrem tranceartigen Zustand kaum eine Hilfe sein würde. Und ein Kampf wäre unvermeidbar, denn Goblins ernährten sich ausschließlich von Fleisch und sahen in anderen Lebewesen nichts anderes als eine schmackhafte Nahrungsquelle. Keuchend erhöhte er seine Laufanstrengungen und holte den Goblin nach zwei Biegungen ein, als dieser gerade um die nächste Ecke verschwinden wollte. Mit einem gewagten Hechtsprung bekam Ardun die dünnen Beine zu packen und sie kugelten gemeinsam um die Biegung, ehe er es schaffte, sich auf das Wesen zu wälzen und es mit den Knien zu Boden zu drücken, während er es mit den Fäusten bearbeitete. Doch sein ursprünglicher Plan, den Goblin mit einem Schlag gegen die Schläfe auszuschalten, schlug fehl, da die ledrige Haut zu hart war und ihm nur die Haut an den Knöcheln aufplatzte, während der Goblin keinen Schmerz zu fühlen schien und zappelnd versuchte, sich zu befreien. Ardun hatte keine Wahl. Er zog seinen neuen Dolch und rammte die Klinge dem Goblin in die Kehle. Ein dunkler Blutschwall schoss ihm entgegen, während der Goblin in seinem aussichtslosen Todeskampf röchelnd zappelte. Dann endlich erschlaffte sein Körper und er richtete sich erleichtert auf. Doch seine Freude verflog augenblicklich, als er sah, wo er gelandet war. Der Stollen hatte sich in eine flache, aber breite Höhle geöffnet, aus der Ardun zwei Dutzend gelber Augenpaare entgegenleuchteten. Und ausgerechnet jetzt trat auch noch Lian hinter ihm aus dem Stollen. Die Irrlichter waren verschwunden. Ardun hielt den Dolch drohend vor sich, in der Hoffnung, den Goblins, welche ihm nur bis zur Brust reichten, Angst einzuflößen, doch er hatte seine Rechnung ohne die Kaltblütigkeit der Ungetüme gemacht. Mit wildem Grunzen stürzten sie sich auf die Eindringlinge. Sein Dolch schoss nach links und rechts, sauste auf Schädel und Gliedmaßen nieder und schnitt durch Sehnen, Knochen und Fleisch wie durch Butter, doch wann immer ein Goblin quiekend zu Boden ging, sprangen zwei weitere an seiner Stelle nach. Und Ardun war nach wie vor ein unerfahrener Kämpfer, das hatte sich mit den wenigen Stunden bei Lian nicht geändert, und er zuckte jedes Mal zusammen, wenn die kleinen Klauen ihm eine weitere Kratzwunde an Armen und Beinen zufügten. Gepeinigt schrie er auf, als sich ein Goblin in seiner Wade festbiss. Dann traf ein Schlag seinen verletzten rechten Arm und er ging zu Boden, während sich die Goblins auf ihn stürzten. Ardun schlug und trat um sich, aber seine erbitterte Gegenwehr wirkte unbedeutend gegen die animalische Wildheit der Goblins. Etliche Klauen packten ihn und trugen ihn in eine Ecke zu einem Käfig aus alten Knochen, in den er grob geworfen wurde. Mit der Elfe wurde nicht anders verfahren, obwohl diese nicht einmal den Versuch einer Gegenwehr unternahm. Er presste stöhnend den Arm an seine Seite.

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