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Ungeduldig schritt Elynia vor dem Portal auf und ab. Die junge Elfe wartete schon seit geraumer Zeit hier, schon seit sie in den frühen Morgenstunden in ihrem Quartier erwacht war. Wie sonst auch, wenn sie nervös war, zwirbelte sie eine Strähne ihres langen Haares zwischen Daumen und Zeigefinger und roch unauffällig daran. Es roch frisch, nach blühenden Blumen, denn sie hatte es am Morgen extra mit Rosenwasser gewaschen. Immerhin war heute ihr großer Tag. Denn heute würde sie ihren Eid schwören und endlich ein vollwertiges Mitglied der Armee werden. Ein glückliches Lächeln erschien auf den Zügen der Elfe. Anfangs hatte sie versucht, ein Gespräch mit der Torwache zu führen, um sich die Zeit zu vertreiben, doch der Elf in seiner schillernden Rüstung hatte nur einsilbige Antworten auf ihre Fragen gegeben, daher hatte sie es nach einiger Zeit aufgegeben und tigerte nun stattdessen unter seinem prüfenden Blick auf und ab. Gerade als Elynia zum gefühlt tausendsten Mal zu ihm blickte, kam Bewegung in den Elf und er gab seinen strammen Stand auf, um das Tor ein kleines Stück zu öffnen. Hocherfreut wollte sie sich in den Thronsaal begeben, doch die Wache bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, dass das Tor für sie noch nicht offen war. Verwirrt und enttäuscht ließ sie die Schultern sinken und drehte sich weg, wodurch ihr Blick auf eine Gestalt in langem Kapuzenmantel fiel, die sich nun an ihr vorbei auf das Portal zubewegte. Als sie auf ihrer Höhe war, drehte die Gestalt leicht den Kopf und sah ihr direkt in die Augen, eine Bewegung, bei der der Kapuzenstoff verrutschte. Fasziniert sah sie in ein Paar alter, stahlgrauer Augen. Erst als die Gestalt den Blick wieder abwandte, löste sich der Bann von ihr und Elynia wurde mit einem Schrecken bewusst, dass es sich um einen Menschen handelte. Der Mann begab sich auf direktem Wege in den Thronsaal. Überrascht sah Elynia ihm nach und lauschte auf die wenigen Worte, die noch zu ihr getragen wurden, ehe die Torflügel sich wieder schlossen: »Ah, mein lieber Freund, ihr seid zurück! Und wie versprochen sollt Ihr auch erhalten, was unser Vertrag Euch zusichert!«

Verwundert fragte sie sich, wieso ein einfacher Mensch in den heiligen Hallen der Elfen so freundlich behandelt wurde, anstatt dass man ihn direkt hinrichtete, wie es sich gehörte.

»Das ist wohl wieder ein Schachzug in dem Ränkespiel der Mächtigen und Reichen, in das die einfache Bevölkerung absichtlich nicht eingebunden ist«, entschied sie dann gleichgültig.

Allerdings behielt sie diese Gedanken für sich, denn sie wusste, dass jeder Affront gegen die Obrigkeit hart bestraft wurde. Denn so edel die Elfen sich nach außen hin geben mochten, so eitel und eisern waren sie unter ihresgleichen. Jeder, der ein Gesetz brach, wurde von der Hofgarde in die Türme der Vergebung, einem Bauwerk in einem entlegenen Waldstück, gebracht. Dort erhielt man dann seine Strafe, fernab von den schillernden Straßen der Städte. Dennoch hielt sie dieses Verfahren nicht für grausam, denn Elynia war klar, dass es eine Obrigkeit geben musste, damit Recht und Ordnung aufrechterhalten werden konnten. Und das Wissen um die Konsequenz, wenn man sich gegen das System auflehnte, war ebenfalls von positiver Natur, denn es half der Bevölkerung, zu ihrer eigenen Vollendung zu gelangen. Für sie stand außer Zweifel, dass ein wahrhaft edler Elf sich an jegliche Regeln des Anstands und der Höflichkeit hielt, wozu zweifelsohne das Befolgen der Gesetze zählte. Und wer das hehre Ziel der Perfektionierung eines ganzen Volkes verfolgte, der musste eben jene wenigen entfernen, die vom rechten Pfad abgekommen waren. Geringe Opfer zum Wohle der Allgemeinheit zählten schließlich zum normalen Lauf der Natur. Plötzlich riss die Torwache sie aus ihrer Überlegung.

»Rekrut!«, bellte der Soldat sie an, »es sind nun alle Vorbereitungen für die Zeremonie getroffen. Wappne dich!« Mit einem Mal hatte sie einen Kloß im Hals und musste schwer schlucken, aber dann nickte sie und straffte die Schultern. Der Wächter musterte sie scharf und wirkte zufrieden, erst dann klopfte er mit dem Schaftende seiner Hellebarde zweimal laut gegen das Portal. Wie von Geisterhand schwangen beide Torflügel gleichzeitig auf, ohne das leiseste Knarren. Zum ersten Mal in ihrem Leben erblickte Elynia die Pracht des Thronsaales. Zu beiden Seiten des Portals erstreckten sich kunstvolle Säulen, bis vor zum Kopfende. Dazwischen erhoben sich ehrwürdig die mächtigen Statuen der vorangegangen Elfenkönige. Am Kopfende des Saales befanden sich nur drei Stühle. Einer, auf dem der engste Berater des Königs saß, einer, gearbeitet aus glänzendem Silber, der für die Gattin des Königs war. Dieser war leer. Und in der Mitte der goldene Thron des Königs, auf dem der Herrscher Eldor persönlich thronte und ihr mit strengen Augen entgegenblickte. Als die Fanfaren der Trompeten einsetzten, kam auch in Elynia Bewegung. Langsam setzte sie einen Fuß vor den andern und näherte sich mit gemessenem Schritt dem König. Dabei hatte sie das Gefühl, dass die Blicke der Statuen streng auf ihr lasteten und sie kam sich plötzlich klein und unwichtig vor. Sie erreichte den Fuß der Treppe, die zu der Erhebung mit dem Thron führte, und sank auf die Knie. Die Fanfaren verstummten, als sie den Kopf ehrerbietig senkte. Elynia schloss kurz die Augen, dann sprach sie ohne zu zögern und mit fester Stimme den Eid, wie es seit Jahren festgeschrieben war.

»Mein Schwert, um den König zu dienen. Um den Boden mit dem Blute der Feinde unseres Volkes zu tränken und den Befehlen meines Königs Folge zu leisten. Mein Fleisch soll teilwerden der königlichen Armee. Nehmt meinen Schwur an. Verfügt über mich.«

Sie verstummte und Stille senkte sich über den Saal. Unsicher hob Elynia den Kopf und sah zum König auf. Dieser hatte sich lächelnd erhoben und ließ sich von seinem Berater ein Schwert reichen, welches er dann auf den Handflächen die Stufen hinabtrug und hinter Elynia trat.

»Rekrut, Ihr habt einen Eid geleistet. Solltet Ihr in jemals brechen, ist der Tod allein die Strafe. Nun erhebt Euch als ein Ritter des Königs!«

Dann berührte er ihre Schulter mit der Schwertspitze und bedeutete ihr aufzustehen. Leicht bebend erhob sie sich und nahm die Klinge entgegen. Derweil wandte sich der König an die Anwesenden.

»Heute ist ein besonderer Tag. Zum ersten Mal in unserer Geschichte hat ein weiblicher Rekrut, eine Rekrutin, ihren Eid geschworen. Doch damit noch nicht genug. Sie wird noch heute mit einem besonderen Auftrag betraut.« Überrascht sah Elynia auf und blickte in die grauen Augen des Menschen, der sie in unbändigem Zorn anstarrte, mit einem Ausdruck, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Doch der König schien davon unbeeindruckt, denn er fuhr feierlich fort: »Sie wird nicht in den Verband unserer Armee eintreten, sondern unsere Grenzen an anderer Stelle schützen. Als Mitglied der Aquiron.«

Sie traute ihren Ohren nicht, als sie die Worte vernahm. Doch noch ehe sie etwas sagen konnte, ertönte plötzlich ein kaltes schallendes Lachen, welches sie zusammenzucken ließ. Verwirrt blickte sie sich um und sah den Menschen, der sich vor Lachen bog.

»Majestät belieben zu scherzen!«, rief er in spöttischem Ton durch den Saal.

Gespannt verfolgte Elynia das weitere Geschehen. Der König hatte die Augenbrauen hochgezogen und tat unschuldig, als er antwortete: »Die Aquiron verlangten nach einem Rekruten und sie bekommen einen.«

Nun richtete sich der Mensch zu seiner vollen Größe auf und seine Augen richteten sich drohend auf den Elfenherrscher, ehe er leise erwiderte: »Sehr wohl, einen Rekruten! Und nicht eine schwache Elfe.«

Das Lächeln auf den Zügen König Eldors wurde noch breiter. Süffisant erklärte er: »Ihr selbst seid Zeuge, dass sie ihren Eid geleistet hat. Sie ist ein Rekrut wie jeder andere. Und kämpfen in den Reihen der Menschen nicht schon seit etlichen Jahren auch weibliche Krieger? Nahmt ihr nicht sogar Menschenfrauen bei euch auf?«

Da der Mensch nicht antwortete, schätzte Elynia, dass die Worte stimmten.

»Oder wollt Ihr etwa sagen, dass eine Elfe weniger wert ist, als eine Menschenfrau?«, setzte der König drohend nach.

Kurz glaubte sie, dass der Mensch eine Waffe ziehen und auf den Elfenherrscher losgehen würde, doch nachdem er den König schier endlos hasserfüllt angestarrt hatte, senkte er den Blick und bekundete: »Die Aquiron nehmen Euren Tribut mit Freuden an«, dann richteten sich seine unerbittlichen Augen auf Elynia. »Pack deine Sachen, wir brechen im Morgengrauen auf!«

Danach verließ er mit wehendem Umhang den Saal, ohne dem König die gebührende Ehre entgegenzubringen oder noch einen der Anwesenden eines Blickes zu würdigen. Unsicher sah Elynia zum König, doch dieser bedeutete ihr mit einem Nicken, dass sie entlassen war. Wie in Trance verließ sie den Saal, ihr neues Schwert so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiß wurden. Kaum hatte sie die forschenden Blicke der Wachen hinter sich gelassen, kauerte sie sich in eine dunkle Nische und hielt die Tränen nicht mehr zurück, die ihr nun hemmungslos übers Gesicht liefen. Sie wusste nicht mehr, ob sie sich freuen sollte oder nicht. Denn es galt gemeinhin als große Ehre, den Aquiron beitreten zu dürfen und es stand außer Frage, dass sie ihrem Reich dort einen großen Dienst erweisen konnte, aber es entsprach nicht dem, was sie sich vorgestellt hatte. Nun würde sie niemals eine Soldatin im königlichen Heer werden. Doch schon nach kurzer Zeit erhob sie sich wild entschlossen und ihre Tränen versiegten. Sie war eine treue Untertanin des Königs, daran konnte niemand etwas ändern. Und wenn es sein Wunsch war, dass sie sich den Aquiron anschloss, so tat es nichts zur Sache, wie sie sich dabei fühlte. Denn auch wenn sie kein Teil der Armee werden sollte, so hatte sie doch das Schwert von ihm erhalten. Sie war eine Kriegerin und würde ihren Befehl ohne Fehl und Tadel ausführen. Denn sie war nur ein kleiner Baustein im gigantischen System der Elfen und würde sich diesem System fügen. Sie gehörte nicht zu jenen, die in die Türme des Vergebens gebracht werden musste. Sie kannte ihre Pflichten nur allzu gut. Diese Überzeugung half Elynia, ihr Schicksal zu akzeptieren und sie schlug den Weg zu ihrem Quartier ein, um ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzuklauben, damit sie sich für das Bevorstehende rüsten konnte.

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