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1. Verhältnis zu anderen Tötungsdelikten

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Wie schon das Verhältnis Mord/Totschlag, so ist auch das Verhältnis Totschlag/Tötung auf Verlangen umstritten. Während der BGH in § 216 StGB einen gegenüber § 212 StGB eigenständigen Tatbestand erblickt, sieht die h. L. in § 216 StGB einen Privilegierungstatbestand im Verhältnis zu § 212 StGB.

Allerdings führt die Auffassung des BGH hier im Falle der Teilnahme zu noch größeren Problemen als bei §§ 212 und 211 StGB. Das zeigt folgender

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Fall 7: A will seine schwer krebskranke Frau F auf deren ausdrückliche und ernsthafte Bitte hin töten. Dass er dadurch auch an deren Vermögen kommt, ist ihm ein willkommener Nebeneffekt, wenngleich A's Mitleid bei weitem im Vordergrund steht. Ohne die Krankheit und ohne das flehentliche Verlangen der F könnte A sie niemals töten. Das Gift zur Tötung besorgt die B. Sie tut dies nur, weil sie den A für sich haben will. A spritzt der F das tödliche Gift. Strafbarkeit von A und B? (Motivbündel-Fall)

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Lösung:

A. Strafbarkeit des A

A ist hier strafbar wegen Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB.

Bei einem Motivbündel gibt nämlich dasjenige Motiv den Ausschlag, das die Tat prägt. Dies war vorliegend aber eindeutig die Mitleidsmotivation.

Damit kommt § 216 StGB zur Anwendung, der eine Heranziehung des § 211 StGB sperrt, auch wenn der grundsätzlich Habgier begründende Wunsch nach Vermögensmehrung unterschwellig vorhanden war.

B. Strafbarkeit der B

I. In Betracht kommt Beihilfe zur Tötung auf Verlangen nach §§ 216, 27 StGB

1. Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat nach § 216 StGB ist gegeben.

2. Die B hat dazu auch vorsätzlich Hilfe geleistet, indem sie das Gift besorgte.

3. Fraglich ist jedoch, ob eine Tatbestandsverschiebung nach § 28 II StGB in Frage kommt, da die B nicht aus Mitleid gehandelt hat. Sieht man die Motivierung durch das Verlangen mit der h. M. als besonderes persönliches Merkmal,[174] so kommt nach der Literatur über § 28 II StGB tatsächlich eine Tatbestandsverschiebung weg von § 216 StGB und hin zu § 212 StGB in Frage, da B das mildernde Merkmal in ihrer Person nicht aufweist. Da sie selbst sogar aus einem niedrigen Beweggrund handelt, hat sie vielmehr sogar ein strafschärfendes Merkmal verwirklicht, sodass sie danach sogar über eine erneute Anwendung des § 28 II StGB wegen Beihilfe zum Mord nach §§ 211, 27 StGB strafbar wäre. Dem BGH ist dieser Weg über die doppelte Heranziehung des § 28 II StGB jedoch verschlossen, da er § 216 StGB weder als Strafmilderungsgrund noch § 211 StGB als Strafschärfungsgrund begreift. Er kann daher nur § 28 I StGB heranziehen. Dieser führt hier aber zu absurden Ergebnissen: Denn nach dieser Vorschrift müsste das Fehlen von persönlichen Merkmalen zu einer Strafmilderung führen. Dass aber das Fehlen einer Mitleidsmotivation mit einer Strafmilderung belohnt werden soll, kann nicht ernsthaft in Betracht kommen. Dies sieht auch der BGH, weshalb er in solchen Fällen danach fragt, welche Tat denn verwirklicht wäre, wenn der Milderungsgrund beim Haupttäter nicht eingreifen würde.[175] Vorliegend wäre dies ein Mord gewesen, weil ohne das Vorliegen des Mitleids bei A ein Mord aus Habgier hätte angenommen werden müssen. Auch der BGH will daher mit dieser hypothetischen Überlegung zu einer Beihilfebestrafung nach §§ 211, 27 StGB gelangen. Der Streit über das Verhältnis der §§ 211, 212 und 216 StGB zueinander braucht daher vorliegend nicht entschieden zu werden, wenngleich der vorliegende Fall – soviel sei hier gesagt – eindeutig die Vorzüge der Literatur-Auffassung unterstreicht.

4. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich.

II. Ergebnis: B ist nach allen genannten Auffassungen wegen Beihilfe zum Mord nach §§ 211, 27 StGB strafbar.

Hinweis: Die Problematik des Motivbündels hat letztlich auch im vom BGH entschiedenen sog. Kannibalen-Fall eine Rolle gespielt. Der BGH hat dort das Vorliegen einer Tötung auf Verlangen mit der nachvollziehbaren Begründung in Zweifel gezogen, dass die Befriedigung des Geschlechtstriebes (vgl. zu diesem Fall schon o. Rn. 36) beim Angeklagten so sehr im Vordergrund gestanden habe, dass das Tötungsverlangen dadurch vollkommen in den Hintergrund gedrängt worden sei. Anders als im soeben geschilderten Fall war die Tötung dort also nicht vom Verlangensmotiv, sondern von einem Mordmotiv geprägt. Daneben hat der BGH im Kannibalen-Fall auch die Mordmerkmale „niedriger Beweggrund“ und „Ermöglichung einer Straftat“ (nämlich Störung der Totenruhe) für denkbar erachtet (vgl. dazu o. Rn. 51).

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