Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 3 - Attravals Grab - Christian Linberg - Страница 12

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1 - 9 Eintrittshürden -

„Du bist unaufmerksam“, hörte ich plötzlich Jiangs strenge Stimme, rechts von mir aus der Luft kommen.

Mit einem Schritt tauchte sie scheinbar aus dem Nichts auf.

„Und er hat natürlich schon wieder Ärger mit einer Frau“, kommentierte Droin, der jetzt neben Jiang auf die gleiche Weise sichtbar wurde.

„Wenigstens ist er heil davongekommen. Wenn auch schon wieder zu spät“, ließ Anaya verlauten, die hinter Jiang stand.

„Wenn noch einer einen dummen Spruch von sich gibt, gehe ich alleine weiter“, schimpfte ich zurück.

„W-w-wo z-z-zu ha-hast D-du d-die mitgebracht?“, stotterte Phyria, deren Lippen noch immer blau angelaufen waren, mit klappernden Zähnen. Ihre Haut war hellgrau wie das Fell eines Esels und sie zitterte am ganzen Körper, obwohl sie sich in alle Decken gewickelt hatte, die die Anderen mit sich führten.

Der eisige Nebel hatte ihr offensichtlich schwer zugesetzt.

Nun gut, dafür gab es eine einfache Lösung.

Ich stapfte an den anderen vorbei, griff eine überraschte Phyria um die Hüfte, hob sie unter schwachen Protestlauten hoch und schleppte sie zu der Fläche des steinernen Sees.

„Was tust Du da?“, wollte Jiang wissen, doch ich winkte ab. Stattdessen schälte ich Phyria aus den Decken: „Hinlegen“, befahl ich ihr in einem halbwegs freundlichen Befehlston.

„Wozu soll…oh…“, protestierte sie im Liegen, verstummte dann aber, als sie die Wärme des Untergrunds spürte.

„Wieso stehst Du überhaupt auf dem Wasser?“, fragte Anaya verwundert.

„Das ist kein Wasser, sondern Stein“, erwiderte ich: „Und er ist sehr warm.“

„Gut mitgedacht“, bemerkte Droin anerkennend.

Während die anderen neugierig näher traten, um den seltsamen Untergrund zu betrachten, gab Phyria wohlige Laute von sich.

Ich trat unterdessen zu meiner Gefangenen, die resigniert den Kopf hängen ließ. Irgendwie konnte ich ihr nachfühlen. Mir hätte sie vielleicht noch entkommen können, aber uns allen? Da blieb ihr nur, darauf zu hoffen, dass ich mein Wort hielt, sie gehen zu lassen, nachdem sie meine Fragen beantwortet hätte.

„Wer ist denn Deine Eroberung?“, spottete Droin, der auf dem Boden kniete und mit seiner Kriegshacke eine Kerbe in das Gestein schlug.

„Ich bin quasi über sie gestolpert. Sollten wir finden, weswegen wir hier sind, könnte es nicht schaden, etwas mehr über Verteilung und Stärke der Streitkräfte aus Morak zu erfahren.“

„Ein guter Gedanke.“

„Und? Hast Du schon etwas herausgefunden?“, unterbrach Jiang unsere Unterhaltung, wobei sie langsam um die Gefangene herum ging.

Natürlich wieder genau auf den Punkt gebracht.

„Ähm, naja, es hat da so etwas wie einen Unfall gegeben. Anaya, könntest Du Dir bitte ihren Hals ansehen? Sie ist verletzt.“

Jiang verdrehte bei meiner Antwort die Augen, dann drehte sie sich abrupt zu Droin um: „Und, was ist das hier nun?“

Zuerst schien es, als hätte er sie nicht gehört, weil er weiter einen Gesteinssplitter betrachtete, den er aus der Fläche herausgeschlagen hatte.

„Ich kann nur sagen, dass es das hier eigentlich gar nicht geben dürfte. Das ist geschmolzenes Gestein. So etwas findet man normalerweise nur in der Nähe von Feuerbergen. Aber wenn es hier einen gäbe, hätten wir das schon gemerkt. Flüsse aus brennendem Gestein würde an seinen Hängen herunter fließen, Aschewolken würden aus seinem Flanken und seinem Krater aufsteigen und das Atmen erschweren, doch wir haben nichts dergleichen gehört, gesehen oder gerochen. Also muss es eine andere Erklärung geben.“

„So ähnlich“, ließ sich Phyria verlauten. Ihrer Stimme war deutlich anzumerken, dass es ihr wieder besser ging.

„Das hier ist schwarzes Glas. Das entsteht, wenn man Erde schmilzt, oder besser Sand. Irgendwie wurde hier eine unglaubliche Hitze verursacht, und das auch noch über einen langen Zeitraum. Ich weiß nicht, wie es sein kann, dass wir nichts davon mitbekommen haben.“

„Sag mal Drakk, sind das Würgemale? Warst Du das? Wenn Du schon versuchst, sie zu töten, warum dann nicht einfach erschlagen oder erstechen?“, wollte Anaya wissen: „Das ist grausam und unnötig“, schalt sie mich.

Statt zu antworten drehte ich mich um, und ging ein paar Schritte zur Seite.

Überraschenderweise fragte sie nicht weiter. Was gut war, denn ich hätte keine vernünftige Erklärung liefern können. Erleichtert atmete ich auf, als keine weiteren Fragen kamen.

Dafür hörte ich wie Droin sich erhob und zu mir herüber trat: „Unfall?“, fragte er ohne mich anzusehen.

„Beinahe. Zu viel Dämon, zu wenig Kontrolle“

Droin wollte etwas dazu sagen, doch ich unterbrach ihn sofort: „Lass es. Ich bin nicht in Stimmung.“

Bevor ich mich entfernen konnten, packte er mich am Arm: „Sieh zu, dass Du herausfindest, warum das passiert.“

Als ob ich noch kluge Ratschläge brauchte.

„Sie Du lieber zu, dass Du Dich um Deine eigenen Angelegenheiten kümmerst“, schnauzte ich ihn an.

Ehe einer von uns noch etwas sagen konnte, mischte sich Anaya ein: „Deine Gefangene hat einen gequetschten Hals. Sie wird eine Weile nicht sprechen können, oder sie verliert vielleicht ihre Stimme. Außerdem ist eines ihrer Knie verletzt.“

„Also ist sie nicht nützlich“, kommentierte Jiang: „lassen wir sie hier uns gehen alleine weiter.“

„Damit sie verraten kann, wie viele wir sind, und wohin wir wollen?“, widersprach Phyria, die inzwischen wieder ihre normale Hautfarbe angenommen hatte: „Sprechen kann sie vielleicht nicht, aber schreiben. Und“, damit wandte sie sich direkt an die Gefangene: „Ich sehe Dich lieber tot, als Dich gehen zu lassen. Ihr habt meine Heimat überfallen und verwüstet und jeden getötet, der nicht schnell genug fliehen konnte. Ihr habt uns gejagt und abgeschlachtet wie Vieh, und euch dazu mit Dämonen verbündet, weil ihr das alleine niemals geschafft hättet. Also entweder sie kommt mit oder ich töte sie hier und jetzt.“

So wie Phyria das gesagt hatte, meinte sie jedes Wort ernst. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass dabei ihre Hände kurz aufflammten und kleine Flammenzungen, die über ihren Körper tanzten, die sie besonders überzeugend machten.

Und ihr von Flammen beleuchteter Gesichtsausdruck wirkte auch nicht gerade beruhigend.

Ihre Stimme war voll von Hass und Trauer: „Gib mir einen Grund und ich verwandle Dich in eine lebendige Fackel.“

Während sie sprach, war sie aufgestanden und ganz dicht an die Gefangene herangetreten.

„Lass es gut sein Phyria“, ging Anaya dazwischen: „Wir nehmen sie mit. Fliehen kann sie mit den Verletzungen ohnehin nicht.“

„Und wenn, finden wir sie dem Geruch nach, so lange sie Deine Salbe auf den Wunden hat“, fügte Droin trocken hinzu.

Leider hatte er Recht. Das Zeug roch wirklich immer wie Schweinepisse.

„Können wir jetzt?“, wollte Jiang ungeduldig wissen. Kein Wort mehr davon, die Gefangene zurückzulassen.

„Lasst mich vorgehen.“

Phyria marschierte an uns vorbei, ohne sich zu vergewissert, ob wir ihr folgten.

„Das hier kann nur auf eine Art entstanden sein“, erklärte sie während sie in Richtung Zentrum der Fläche marschierte, dorthin, wo der Boden orange leuchtete.

„Drachenfeuer.“

„Hordennarsalhakg“, fügte Jiang sofort hinzu.

„Aber warum?“, wollte Droin wissen, der zusammen mit Anaya die Gefangene flankierte.

Ich hätte jetzt etwas dazu sagen können, verspürte aber keinerlei Drang dazu.

„Weil er weiß, was sich in Attravals Grab verbirgt?“, vermutete Anaya.

„Oder es macht ihm einfach Spaß“, entgegnete Droin. „Mein Volk kennt Drachen schon lange. Sie sind aggressiv, handeln willkürlich, schätzen das Leben niederer Kreaturen wie uns als unbedeutend ein und verfolgen immer ihre eigenen Ziele.“

Oder man ging einen Handel mit ihnen ein. So langsam begann ich mich zu fragen, ob die Idee wirklich so gut gewesen war. Immerhin war der Weg zum Eingang des Grabes frei.

Kaum hatte ich den Gedanken formuliert, hob Phyria die Hand: „Nicht weitergehen. Hier ist die Erde unter der Oberfläche noch flüssig. Wenn ihr einbrecht, verbrennt ihr in wenigen Lidschlägen zu Asche.“

Spürbar wärmer war es bereits zuvor schon geworden, aber das war alles. Von der Gefahr, von der sie sprach, war nichts zu sehen. Aber ich hatte keinen Grund, an ihrer Aussage zu zweifeln.

„Und was machen wir jetzt?“, wollte ich von ihr wissen.

„Ihr geht genau hinter mir her, in einer Reihe. Und haltet Abstand zu mir. Droin, Du nimmst meine Kleidung“, fügte sie hinzu, während sie schon dabei war, sich auszuziehen.

Natürlich nutzte ich die Gelegenheit, sie eingehend zu betrachten. Sie war einigermaßen hübsch, aber nach meinen Maßstäben nicht anziehend. Ihr fehlte die Exotik oder Sinnlichkeit, die mir wichtig waren. Nicht, dass ich mich dagegen gewehrt hätte, mit ihr zu schlafen, aber bei der Auswahl wäre sie nicht die erste gewesen.

Sie drückte Droin ihre Kleidung einschließlich der Schuhe in die Arme und marschierte dann los. Schon nach wenigen Schritten begann sie zu leuchten. Erst die Füße, dann die Beine, schließlich Oberkörper, Arme und der Kopf. Dann explodierte sie förmlich in Flammen. Es wurde taghell und unglaublich warm. Ich lockerte sofort meine Winterkleidung. Einen Schritt weiter legte ich einen kurzen Halt ein, um den Mantel ganz abzulegen und ihn mir unter den Arm zu klemmen.

Aus den Flammen bildete sich unterdessen eine Feuersäule um Phyria herum. Wie eine gewaltige Fackel wuchs das Feuer empor. Zu Beginn waren sie orange, doch je weiter sie ging, verfärbten sie sich bläulich, schließlich wurden sie weiß und so grell, dass ich sie nicht mehr ansehen konnte, ohne zu riskieren, blind zu werden.

Als ich den Blick abwandte, fiel mir auf, dass wir uns auf einem schmalen, schwarzen Pfad bewegten wo links und rechts flüssiges Gestein in unterschiedlichen Orangetönen blubberte und zischte. Es stank nach faulen Eiern. Die Hitze, die davon ausging, war unbeschreiblich. Meine Rüstung wurde glühend heiß. Und noch immer waren wir nicht in der Mitte. Was vor uns lag, konnte ich nicht mehr erkennen, weil das Licht, dass von Phyria ausging alles überstrahlte.

„Beeilt euch!“, brüllte sie: „Ich kann es nicht mehr lange halten.“

Das Fauchen der Flammen mischte sich in ihre Stimme.

„An mir vorbei die Treppe runter. Schnell!“

Überrascht nahm ich zur Kenntnis, dass vor ihr eine Treppe in die Tiefe führte.

Einer nach dem Anderen rannten wir an ihr vorbei, über Treppenstufen, die zur Hälfte geschmolzen waren. Weiter unten war die Treppe lediglich stark verwittert. Der Zugang war wohl früher mit einer Steinplatte verschlossen gewesen, von der jedoch ebenfalls nur noch geschmolzene Reste übrig waren.

Um die Treppe hinunter zu gelangen, mussten wir alle an Phyria vorbei, die oben am Rand stand und nach Norden starrte, wo ich eine große Einheit feindlicher Soldaten entdeckte, die sich uns näherten.

Pfeile sausten auf uns zu, fingen aber in der Luft Feuer und verbrannten, noch ehe sie uns erreichten.

„Hau ab!“, schnaubte Phyria.

Sie strahlte die Hitze einer Schmiedeesse ab und ich spürte, wie sich meine Haare unter der Hitze kräuselten.

Ich hastete mühsam die glatte Stiege hinunter in das weitaus kühlere Innere eines Kellerraums. Gerade berührte ich mit dem Fuß den Boden, als oben ein Aufschrei ertönte und aus dem Fauche des Feuers wurde ein lautes Rauschen, das sich rasch entfernte. Kurz wurden der Raum und alles darin in ein blaues Leuchten getaucht, dann verblasste es wieder. Dafür konnte ich entfernt Entsetzensschreie hören, die in vielstimmige Schmerzlaute übergingen und dann mit einem Mal abrupt verstummten.

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 3 - Attravals Grab

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