Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 3 - Attravals Grab - Christian Linberg - Страница 19
Оглавление1 - 16 Attravals Geschichte -
„Phyria, Du bleibst in meiner Nähe. Dann kannst Du auf die Gefangene achten und gleichzeitig der Geschichte lauschen.“
Droin sah sich um: „Und wer sonst noch die Erzählung vergessen hat, sollte zumindest nicht zu weit weglaufen.“
Amüsiert bemerkte ich, dass alle sich anscheinend angesprochen fühlten. Wenigstens war ich nicht der Einzige, der bei den Geschichtslektionen nicht richtig zugehört hatte.
„Auch wenn es Tage dauern würde, die Geschichte zu erzählen“, begann Droin, dessen tiefe Stimme weit trug, obwohl er nicht laut sprach: „So macht es doch wenig Sinn, die Geschichte vollständig zu erzählen. Das Meiste würde uns nicht helfen, das Grab zu finden. Außerdem hat uns die Inschrift oben ja schon verraten, dass es hier irgendwo sein muss“
Jiang hielt eine Fackel vor den Eingang eines Mausoleums: „Dann verrate uns doch mal, wie lange das Ganze her ist. Hier sind schließlich überall Inschriften mit Zeiten angebracht. Dann wissen wir wenigstens, wie weit wir ungefähr hinabsteigen müssen.“
Droin nickte, während er mit den Fingern über eine Grabplatte fuhr: „Die älteren Gräber hier oben müssen zwei oder dreitausend Winter alt sein. Attraval ist aber erst vor ein paar hundert Jahren gestorben. Sein Grab müsste daher ziemlich weit unten sein. – Jedenfalls wenn es richtig eingeordnet wurde und nicht nachträglich absichtlich falsch.“
„Glaubst Du das?“, wollte Anaya wissen.
„Kann sein. Vielleicht ist es bei den Gräbern des Klans seiner Frau. Oder es sind doch ein paar Mitglieder seines Klans hier beerdigt worden. Ursprünglich stammt er aus dem Nordreich. Sein Klan hat sich hier in Kalteon niedergelassen, um Tiefenerz abzubauen.“
„Was ist denn nun mit seiner Geschichte“, unterbrach Phyria ihn: „Wer war er? Und was ist der Kompass genau?“
Droin überlegte einen Moment: „Genau weiß das niemand mehr. Ein Artefakt, mit dem man jeden Ort zu jeder Zeit sehen kann. Aber was das wirklich bedeutet und wie der Kompass aussieht, kann ich Dir auch nicht sagen. Über Ortem Attraval dagegen, weiß ich mehr.“
Ich wischte gerade den Staub von einem Grabstein ein paar Schritte weiter entfernt, so dass ich die nächsten Sätze nicht hören konnte.
„…etwa wie wir. Er hat sich als Forscher, Abenteurer, Jäger und Krieger einen Namen gemacht und dabei Gefährten gesammelt. Zusammen haben sie die ganze Welt bereist und viele Abenteuer überstanden. Dabei lernte er auch seine spätere Frau Kayla kennen.
In frühen Kindertagen lernte Ortem alles über die gefährliche Suche nach Tiefenerz und den Abbau des Metalls kennen, von dem sein Klan den Namen hat. Allerdings war er nach den Maßstäben der Naurim ein Sonderling, denn er interessierte sich mehr für den Handel mit anderen Völkern, als für die Tätigkeiten seines Klans. Er begleitete die Erzkarawanen aus dem Nordreich nach Kalteon, denn zu dieser Zeit gab es hier noch keine Tiefenerzminen.
Da das Metall teuer und überaus selten ist, suchten die hiesigen Klans selbst nach dem Erz und boten Attravals Klan vieles an, um sie dazu zu bewegen, ihren Wohnsitz nach Kalteon zu verlegen.
Kayla – so heißt es in der Legende – war eine der Unterhändlerinnen, die ihr Klan ausgewählt hat, um im Nordreich Bergarbeiter aus Ortems Klan anzuwerben.
Bei ihrem ersten Besuch im Nordreich war Ortem nicht zu Hause, sondern im Süden unterwegs, so dass er erst bei seiner Rückkehr erfuhr, dass sein Klan sich tatsächlich entschieden hatte, nach Kalteon umzusiedeln. Weil er mit Bergbau nichts im Sinn hatte, wurde er zusammen mit einigen seiner Gefährten ausgesandt, die neue Klanheimat auszuwählen. Bei der Suche nach einem geeigneten Wohnort lernte er schließlich Kayla kennen.
Zu den Gefährten gehörte auch ein gewisser Korian Attraval, ein Klangefährte und der beste Freund von Ortem.
Korian und Ortem kannten sich seit frühster Kindheit, waren zusammen aufgewachsen und hatten auch zusammen die Welt bereist. Man sagt, sie waren sich so ähnlich, dass man sie überall für Brüder hielt, obwohl sie dies nicht waren.
Als Kayla in das Nordreich kam, traf sie dort zunächst auf Korian, der Ortem auf dessen jüngster Reise nicht begleiten konnte, weil er sich noch von schweren Verletzungen erholen musste.
Es heißt, sie hätten sich ineinander verliebt und wären ein glückliches Paar gewesen, bis Ortem schließlich von seinen Reisen zurückkehrte und mit seinen exotischen Geschichten und seinem ungewöhnlichen Wesen ebenfalls ihr Herz eroberte.“
„Eine tragische Liebesgeschichte. Wie rührend“, spottete Phyria.
Droin ignorierte ihre Bemerkung und fuhr fort, nachdem er einen steinernen Wegweiser untersucht hatte: „Kayla konnte sich zwischen den beiden so gleichen Freunden nicht entscheiden und so reisten sie eine lange Zeit gemeinsam umher. In Korians Herz bildete sich derweil ein Hass auf beide. Auf Kayla, weil sie nicht treu zu ihm geblieben war und auf Ortem, weil er sich zwischen beide gedrängt hatte.
Und so kam es natürlich wie es kommen musste: Es gab einen Streit zwischen Ortem und Korian, aus dem erst eine Prügelei und dann ein Kampf wurde. Kayla, die einschreiten wollte, um beide zu trennen, bevor Schlimmeres passierte, wurde von Korian tödlich verletzt. Entsetzt von seiner Tat, für die er aber Ortem die Schuld gab, floh er und verbarg sich vor der Welt.
Dieser – außer sich vor Zorn und Trauer – versuchte alles, um seinen einstigen Freund aufzuspüren – vergeblich, denn die Fähigkeiten beider Freunde waren sich gleich.
Es heißt, Ortem habe bei seiner Suche auch an Mächten gerührt, die verboten sind.“
Er hob die Hand: „Keine Ahnung was genau damit gemeint ist. So ist das eben mit Legenden. Jedenfalls verschwand Ortem für lange Zeit. Kein Gelehrter vermag zu sagen, wo er gewesen ist. Aber als er zurückkehrte, hatte er die Neige der Zeitalter dabei. Mit ihr und dem Tiefenerz seines Klans konstruierte er Attravals Kompass. Das Artefakt erlaubt es, jeden Ort zu jeder Zeit zu sehen. So konnte er Korians Spur aufnehmen, vom Moment seiner Flucht, bis zu den Gestaden von Morak. Dort, an der Westküste kam es schließlich zur finalen Auseinandersetzung bei der Ortem – selbst schwer verwundet – seinen einstigen Freund schließlich bezwang und erwürgte. Er warf die Leiche ins Meer und kehrte in seine Heimat zurück.“
„Also hierher“, ergänzte Anaya, die soeben aus einem Mausoleum aufgetaucht war, dass man über eine schmale Brücke vom Hauptweg aus erreichen konnte.
„Das nehmen die meisten Geschichtsgelehrten an, auch wenn von ihm nach seiner Rückkehr nur noch berichtet wird, dass er sich von der Welt abwandte und bis zu seinem Tod Bilder seiner Frau im Kompass betrachtete.“
„So ein Esel“, entfuhr es mir: „Statt sich eine neue Frau zu suchen und sein Leben zu leben.“
„Pah, nur weil sie Dir fehlt, ist Treue trotzdem eine Tugend“, widersprach Phyria.
„Stimmt. Ich halte nichts davon jemandem nachzutrauern, den man nie mehr zurückbekommen kann.“
„Aber warum hat nie jemand den Kompass gefunden?“, ging Anaya dazwischen, bevor wir weiter streiten konnten.
„Eine gute Frage. Kalteon ist ziemlich groß, wenn man dort ein einzelnes Grab sucht. Noch dazu unter er Erde. Wenn wir nicht wenigstens bereits den Friedhof gefunden hätten, wäre der Versuch wohl aussichtslos. Ich frage mich vielmehr, wie es die Moraner geschafft haben, wenn es unter den Naurim niemandem gelungen ist.“
Droins Überlegung war gut, jedoch für mich momentan uninteressant, denn alles Wissen über die Geschichte von Ortem Attraval würde uns hier nicht mehr weiterhelfen, denn genau über den letzten wichtigen Teil seines Lebens gab es nichts zu berichten.
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