Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 3 - Attravals Grab - Christian Linberg - Страница 21

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1 - 18 Die Gefangene -

„Du bist total irre!“, sagte sie leise. Ihre Stimme zitterte etwas und ein paar Tränen liefen ihr über die Wange.

„Gern‘ geschehen“, erwiderte ich grinsend. Gleichzeitig bemühte ich mich, mein Schwert aus dem Kopf des Käfers zu befreien, aber meine Hände kribbelten schmerzhaft. Wie sich herausstellte, war das deutlich schwieriger, als es hinein zu stoßen.

Am Ende ließ ich mich mit beiden Knien auf seinen Kopf fallen, damit hatte ich genug Hebelkraft, um die Klinge durch hin und her bewegen zu befreien.

Ein Strom Körperflüssigkeiten ergoss sich aus der Wunde auf den Boden. Wo er mit dem klebrigen Sekret in Berührung kam, zischte und blubberte es kurz.

„Sein Blut löst das klebrige Zeug auf“, bemerkte Droin: „Warte bis es Dich erreicht hat, dann kannst Du da weg.“

„Weiß ich. Aber meine Hände sind noch taub von dem Schlag. Ich kann nicht wirklich zupacken. Dauert noch einen Moment.“

„Sieht so aus, als könnten wir alle eine Pause gebrauchen.“

Der Vorschlag von Phyria hatte etwas für sich.

„Das ist eine gute Idee. Aber erst muss jemand den Weg sauber machen, sonst werden meine Kleider schmutzig“, fügte Jiang hinzu.

Ich drehte mich auf der Stelle um, so gut ich konnte: „Und irgendjemand hält am besten die Klappe, sonst werden aus den Kleidern gleich Putzlappen“, herrschte ich sie an: „Versuch das nächste Mal etwas Nützliches und nicht diesen Kinderkram.“

„Die Zeichen von Chi Shin sind nicht nutzlos. Wenn Du mir nicht glaubst, kann ich gerne welche für Dich zeichnen“, schimpfte sie.

„Toll, wenn ich ein Bild haben möchte, frage ich ein kleines Mädchen. – Ach halt, dass bist dann wohl Du.“

Ehe sie antworten konnte, hob ich die Hand: „Und wenn Du nicht hier und jetzt mit dem herumkommandieren aufhörst, landest Du gleich in dem widerlichen Zeug hier.“

„Hört auf euch wie kleine Kinder zu benehmen. Drakk, hol uns aus dem widerlichen Zeug raus. Jiang, koch uns was zu Essen. Bitte“, fügte Droin nach einer kurzen Pause hinzu: „Und Anya, Du könntest Dich um unsere Verletzungen kümmern, während Phyria mich aus meiner Rüstung befreit“

Ich nickte, warf Jiang aber trotzdem einen bösen Blick zu.

Sie musste meine Laune wohl erkannt haben, denn dieses Mal hielt sie wohlweißlich den Mund.

Als meine Hände wieder einigermaßen aufgehört hatten zu kribbeln, schlitzte ich den Unterleib des Käfers an einer weichen Stelle zwischen zwei seiner Panzerplatten auf.

Die Flüssigkeit, die sich daraus ergoss, stank erbärmlich nach alter Pisse, aber immerhin löste sie zischend das klebrige Sekret auf. Nach wenigen Augenblicken hatte ich mich komplett befreit. Allerdings brannten dafür meine Füße höllisch.

Angewidert verteilte ich sie überall um mich herum, bis ich den Eindruck hatte, alle wichtigen Stellen erreicht zu haben. Dabei befreite ich auch Anayas Hand von dem Stein. Sie beugte sich zu mir herüber, um mir einen Kuss zu geben. Anschließend wischte sie den Felsen mit einem Tuch ab, um sich darauf niederzulassen.

Ich machte mich auf den Weg zu Droin hinüber. „Au! Au! Au!“, fluchte ich bei jedem Schritt. Die kleinen Wunden in meinen Füßen brannten fürchterlich.

„Hoffentlich hole ich mir keine Krankheit von dem Käfer“, schimpfte ich.

„Nein. Schädelkäfer übertragen keine“, erklärte Anaya: „Wäre es ein Aaswurm gewesen, wäre die Sache jetzt anders.“

„Sehr tröstlich.“

„Außerdem bringt uns das nicht weiter. Wir wissen noch immer nicht, wo das Grab von Attraval ist“, wandte Phyria ein, die neben dem Grabstein stand, hinter den Droin sie in Deckung gezerrt hatte.

„Richtig. Und das Suchen macht auch keinen Spaß. Wir sollten die Ruhe der Toten nicht stören. Das verärgert sie nur.“

„So wie die da?“

Seufzend wandte ich mich um. Anaya deutete auf ein durchsichtiges Etwas, das neben ihr über dem Abgrund schwebte.

Sie hatte einen wütenden Gesichtsausdruck: „Untote? Droin Fenloth? Dein Volk erschafft Untote?“, wollte sie wütend wissen.

Er zögerte einen Moment.

„Nicht mehr.“

Er blickte an ihr vorbei zu dem Geist: „Wir sind nicht hier, um die Ruhe Deiner Vorfahren zu stören. Wir werden hier nicht verweilen, sondern weiterziehen.“

„Ich brauch eine Pause“, protestierte ich.

„Nicht hier.“

„Warum nicht?“

„Wo der Geist herkommt, sind noch andere.“

„Macht nichts“, mischte sich Anaya ein: „Das ändert sich gleich.“

In einer einzigen, fließenden Bewegung riss sie ihren Bogen hoch, zog die Sehne bis zum Ohr und schoss.

Die knochige Spitze drang genau dort in den Körper, wo einst eines der beiden Herzen des Naurim gewesen sein musste. Er leuchtete kurz auf, dann erlosch der Geist und der Pfeil verschwand in der Dunkelheit.

„Was hast Du getan, Du Idiot?“

Droin war wirklich zornig.

„Ich dulde keine Untoten in meiner Nähe!“, fauchte sie zurück.

„Das wird die Wächter der Halle wecken. Willst Du um jeden weiteren Schritt hier kämpfen?“

„Das wird nicht nötig sein. Ich habe ihn befreit. Das wird die anderen Geister nicht wecken.“

„Hoffen wir es.“

„Gut, dann machen wir jetzt hoffentlich doch eine Pause. Ich habe gerade das Wasser für eine Ginjo-Suppe heiß gemacht“, ließ sich Jiang verlauten.

Wie als hätte sie es geplant, erreichte mich in diesem Moment auch der Duft, der mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

„Riecht gut. Und Hunger habe ich auch.“

„Wir werden die Vorräte rationieren müssen, damit uns nicht das Essen ausgeht, bevor wir die Halle verlassen“, grummelte Droin unzufrieden: „Ich hoffe wirklich, Du hast nicht die Wächter geweckt.“

„Können wir das beim Essen klären?“, bat ich ihn. Ich hatte wirklich Hunger und außerdem war ich ziemlich erschöpft von der ganzen Rennerei. Wir hatten seit dem Aufbruch aus dem Lager der kalteanischen Armee keine Pause eingelegt.

Da wir kein Lager aufschlagen mussten, und ich auch kein Gepäck mehr besaß, ließ ich mich einfach in der Nähe von Jiang nieder. Sie ignorierte mich und fuhr damit fort, Zutaten in einen kleinen Kessel zu werfen.

Die anderen gesellten sich nach und nach zu uns, sobald sie nicht mehr Gefahr liefen, bei dem Versuch am Boden kleben zu bleiben.

Ich lehnte mich gegen einen Grabstein und löste dann das Buch, das ich von Biraanogk bekommen hatte, aus der Gürteltasche,

Noch immer verwehrten mir die Siegel und Bänder den Zugang zu dem Wissen darin. Inzwischen war ich mir darüber im Klaren geworden, dass ich sie nicht mit roher Gewalt öffnen konnte. Außerdem hatten sie bislang allen meinen Bemühungen, sie mit meinen arkanen Kräften zu entfernen, widerstanden. Also war es entweder eine Frage des Willens oder speziellen Wissens, über das man verfügen musste, um das Buch zu öffnen.

Die beiden Bänder, enthielten eine ganze Reihe unterschiedlichster Knoten, die ich allesamt nicht kannte oder verstand. Sie waren am unteren Ende durch ein Wachssiegel verschlossen. Ohne Enden konnte ich die Knoten nicht lösen, aber ohne die Siegel zu brechen, kam ich nicht an die Enden heran. Und wie ich das schaffen sollte wusste ich eben nicht. Das war zum verrückt werden!

Fluchend legte ich das Buch zur Seite. Gerade rechtzeitig, um von Jiang eine kleine Schale mit Suppe in Empfang zu nehmen.

„Danke.“

Doch sie hatte sich schon wieder umgedreht.

Toll, jetzt war sie sauer, dabei war sie es, die sich danebenbenommen hatte.

Während ich aß, konnte ich Anaya dabei beobachten, wie sie einen ihrer Heiltränke zubereitete und mit einer Schale Suppe vermischte, die sie danach löffelweise an unsere Gefangene verfütterte. Die anfänglichen Schluckbeschwerden wichen nahmen nach und nach, bis sie schließlich alleine essen konnte. Dankbar nickte sie Anaya zu.

„Das heißt dann wohl, dass sie ein paar Fragen beantworten kann“, bemerkte Droin zu den Fortschritten.

„Sieht so aus“, seufzte Anaya: „Aber übertreibt es nicht. Sie ist noch nicht geheilt.“

„Ist mir egal. Ich will Antworte“, schmatzte ich zwischen zwei Löffeln Suppe.

„Ich auch“, fügte Phyria hinzu.

„Vielleicht ist es besser, wenn ich die Fragen stelle“, erwiderte Droin: „Mach es Dir einfach“, fuhr er an die Gefangene gewandt fort: „Sag uns was wir wissen wollen, dann kannst Du gehen“

„Und wenn ihr alles erfahren habt, lasst ihr mich einfach hier zurück, bis mich entweder ein Käfer, die Spinnen, die Geister oder eine Falle töten. Da könnt ihr mich auch gleich in den Abgrund stoßen“, erwiderte sie zu unserer Verwunderung mit leiser Stimme.

Als ich mich gerade erheben wollte, um ihr den Gefallen zu tun, winkte Droin ab: „Ja, natürlich könnten wir das tun, aber das werden wir nicht. Wir sind nicht wie Deine Landsleute, die ohne Vorwarnung Unschuldige überfallen und einen Krieg beginnen.“

„Ich kenne Deine Art.“

Ihr Finger zeigte anklagend auf mich: „Dämonenkind. Von euch gibt es viel zu viele.“

„Unwahrscheinlich“, gab ich kalt zurück.

„Was hat den Krieg ausgelöst?“, fragte Droin, bevor sie darauf antworten konnte.

„Als wenn ihr das nicht wüsstet.“

„Was? Der Kompass? Dafür führt ihr Krieg?“

Sie lachte freudlos: „Unsinn. Davon wusste ich nichts, bis ich euch zugehört habe. Ich habe keine Ahnung, was das it. Stellt euch nicht dumm. Ihr wisst genau Bescheid.“

Doch anscheinend machten wir überzeugend ratlose Gesichter, denn sie schien verwirrt.

„Nein, wir wissen überhaupt nichts. Und das hier ist auch nicht unser Land. Wir sind ohne Absicht in den Krieg hineingeraten. Also sag uns, wen ihr dafür verantwortlich macht.“

„Ihr seid Söldner, die für Geld seine Arbeit tun“, erwiderte sie bitter: „Mein Land war ein schönes Land, bis er seine schmutzigen Finger danach ausgestreckt hat. Wir sind für uns geblieben, weil wir die Dekadenz eurer Länder nicht ertragen haben, aber ihr konntet uns nicht in Ruhe lassen.“

„Wer? Und wer ist „wir“? Wir kommen aus unterschiedlichen Ländern, die noch niemals zusammen ein Ziel verfolgt haben.“

„Und doch seid ihr vereint unter einem Herrscher.“

„Nein, sind wir nicht“, gab Droin zurück. Die Naurim haben Klans, die Alian ihre Zirkel, die Kaltländer ihren Auldmidh, ihren Ältestenrat, die Shâi den Jadekaiser, die Maganer einen König, ebenso wie die Kalteaner. Also, wen meinst Du?“

„Du hast einen vergessen, den, der über euch alle regiert.“

Droin wurde langsam ärgerlich: „Es gibt niemanden. Hör zu.“

„Und was ist mit Ristam Karelov? Eurem Imperator?“

„Was? Ristam „der Fettsack“? Und das glaubst Du wirklich?“, Droin fing an zu lachen. „Ja, es gibt das Alte Reich noch, aber es hat keine Macht mehr im Norden. Schon lange nicht mehr.“

„Ich glaube euch kein Wort“, erwiderte sie sichtbar wütend.

„Sag uns wenigstens, wie Du heißt“, forderte Anaya sie auf.

„Nein, er raubt sonst meine Seele“, gab sie mit einem Blick in meine Richtung zurück.

Dazu brauche ich Deinen Namen nicht, dachte ich. Laut sagte ich: „Unsinn. Dazu bräuchte ich Deinen wahren Namen. Und der hat nichts damit zu tun, wie man Dich nennt.“

Sie zögerte, doch anscheinend hatte ich die richtigen Worte gefunden: „Mara Masatief.“

„Danke Mara“, erwiderte Anaya: „Ich bin Anaya’Saar, dies sind Jiang zen Yao, Droin Fenloth, Phyria Pashar und Drakkan Vael. Die anderen wirst Du noch kennen lernen.“

„So, wo wir jetzt alle gute Freunde sind: Was zum verschissenen Frostwurm ist hier los?“, brüllte ich sie an: „Seit ich Phyria im Wald aufgelesen habe, versucht mich alle paar Schritte jemand zu töten. Ich will endlich wissen, warum.“

Jiang wandte sich an mich: „Beruhige Dich. Das gehört sich nicht.“

„Für Dich vielleicht nicht. Aber ich bin nicht zivilisiert. Darauf weist Du mich doch bei jeder Gelegenheit hin! Ich will Antworten.“

„Deine Wut schüchtert mich nicht ein. Ich weiß, wozu Deine Art fähig ist. Ihr seid schuld, dass wir in einen Krieg hineingezogen wurden, der uns nichts angeht.“

„So kommen wir nicht weiter. Ich werde Dir erzählen, was wir in den letzten Wochen erlebt haben. Vielleicht kommen wir so voran.“

Mit ruhiger Stimme begann Droin zu berichten. Anaya kümmerte sich unterdessen um unsere Verletzungen. Zu Anfang lauschte ich noch der Geschichte, doch bald fielen mir die Augen zu. Nur mühsam konnte ich mich ein paar Momente lang wach halten.

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 3 - Attravals Grab

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