Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 3 - Attravals Grab - Christian Linberg - Страница 16
Оглавление1 - 13 Vielbeinige Überraschung -
Hätte ich das wirklich getan, wäre es vermutlich das Letzte gewesen, dass ich vollbracht hätte.
Eine Fingernagelbreite bevor ich das Gebilde berührte, gab es darunter plötzlich eine wellenförmige Bewegung, die sich fast sofort wieder beruhigte. Das war kein Schutt und er war auch nicht zugedeckt worden!
Ich blieb stocksteif stehen.
Schweiß brach aus allen Poren hervor. Jetzt eine falsche Bewegung, ein überflüssiges Geräusch und ich war so gut wie tot. Von allen Dingen ausgerechnet Tunnelspinnen!
Die „Decke“ war ein Netz, und darunter lagen die Leichen von mehreren Soldaten aus Morak. Die Bewegung stammte von den Jungtieren, die gerade die glücklosen Soldaten fraßen.
Tunnelspinnen waren blind. Sie jagten Geräusche, Gerüche und Wärme.
Wenige Dinge versetzten mich derart ernstlich in Angst, aber diese Spinnen, die wie ein Rudel Wölfe auf Beutefang gingen, gehörten eindeutig dazu.
Die handtellergroßen Spinnen hatten weiße Körper voller langer, giftiger Haare und großer Beißwerkzeuge. Sie waren so intelligent, dass sie es verstanden, Beute zu umzingeln, einzukreisen oder sogar in eine Falle zu locken, ehe sie zu Hunderten angriffen.
Ein Biss konnte bereits dazu führen, dass man einen Arm oder ein Bein verlor, weil das Gift das gebissene Körperteil in eine schleimige Masse verwandelte, aus der nur noch blanke Knochen herausragten.
Oft schon hatten die Spinnen ganze Siedlungen von Naurim ausgelöscht.
Daher wurden die Tiere überall verfolgt. Bisweilen sogar durch Jagden im Umkreis mehrerer Tagesreisen ausgerottet. Hier auf sie zu treffen, konnte für uns alle den Tod bedeuten.
Sehr, sehr langsam richtete ich mich wieder auf, sah hinter mich und machte dann einen Schritt rückwärts, blieb stehen, sah mich wieder um, und machte dann einen zweiten. Dann noch einen und noch einen. Ich schwitzte, und wusste doch, dass der Geruch nach Schweiß die Spinnen anlocken würde.
Meine Hände und Knie zitterten vor Anspannung.
Bei den anderen angekommen, ging ich zu Droin und gab ihm in Zeichensprache zu verstehen, er solle sofort Licht anmachen, und dabei leise sein.
Er sah die Dringlichkeit in meinen Gesten und verzichtete auf Fragen.
Augenblicke später flammten ein paar Fackeln auf, die Phyria auf seine Bitte hin entzündet hatte.
Die anderen drehten sich überrascht herum, als sie das Licht sahen. Ich winkte sie heran.
„Was ist?“, fragte Jiang sehr leise.
Ich deutete den Gang entlang: „Tunnelspinnen.“
„Oh Mist“, rutschte es Anaya heraus.
Droin nickte mit bleichem Gesicht: „Kommen wir vorbei?“
Das wusste ich wirklich nicht: „Mit Glück.“
„Was sind Tunnelspinnen?“, fragte Phyria verwirrt.
„Das da“, erwiderte ich entsetzt und deutete dabei über ihre Schulter auf ein einzelnes Tier, das scheinbar unbeteiligt genau in der Mitte des Tunnels hockte, genau neben dem Haken, an dem das diesseitige Endes des Laufseils befestigt war.
„Ganz leise“, befahl Droin mit kaum hörbarer Stimme. Er nahm zwei der Fackeln von Phyria entgegen. Eine legte er in Zeitlupe direkt vor sich auf den Boden, die andere behielt er in der Hand.
Während er das tat, ließ er die Spinne keinen Moment aus den Augen.
Der Rest von uns hielt den Atem an, während wir ihn dabei beobachteten.
Ich sah mich auch die ganze Zeit über nach weiteren Tieren um, konnte aber keine entdecken.
„Weg hier.“
Droin scheuchte uns ganz vorsichtig von hier weg.
Während die anderen sich einer nach dem anderen weg schlichen, blieb ich stehen, bis auch Droin hinter mir verschwunden war.
Bei jedem Geräusch, das einer von ihnen machte, zuckte die Spinne mit einem ihrer vorderen Beine.
Als sie das zum ersten Mal tat, hätte mein Herz vor Schreck beinahe aufgehört, zu schlagen.
Immer wieder sah ich hinter den anderen her, die sich unendlich langsam vorwärts bewegten.
Der Schein der Fackeln hinter mir reichte bald nicht mehr zu mir und auch ich war langsam rückwärts von den Spinnen weggeschlichen. Als ich im Dunkeln stand, außerhalb der Lichtkegel musste ich auf Dunkelsicht wechseln, damit ich nicht versehentlich gegen einen Stein stieß oder stolperte.
Obwohl das nur einen Lidschlag dauerte, musste ich entsetzt feststellen, dass die Spinne direkt neben der Fackel saß.
Und nicht nur das, sie hatte Freunde mitgebracht. Zwei weitere Spinnen waren wie zufällig langsam über die Abbruchkante geklettert.
Sie näherten sich der Fackel träge aus unterschiedlichen Richtungen.
Dabei hielten sie immer einen Abstand von einem Fuß bei.
Ich bemühte mich, flach zu atmen, aber mein Herz hämmerte so stark in meiner Brust, ich fürchtete, sie würden es hören.
Vorsichtig machte ich wieder ein paar Schritte rückwärts.
Die Spinnen verteilten sich um das Feuer herum, ohne mich zu beachten. Trotzdem blieb ich wachsam und hielt mein Schwert schlagbereit, wobei ich die Breitseite nach vorne hielt.
Fast hatte ich es befreit, als plötzlich der kleine, weiße Körper einer Spinne auf mich zugeflogen kam. Sie war über das Feuer gesprungen und segelte mit ausgestreckten Beinen auf mich zu.
Ich reagierte ohne nachzudenken, verwendete mein Schwert wie eine Keule und schmetterte die Spinne mit der flachen Seite in die Tunnelwand.
Mit einem hässlichen Klatschen zerplatzte sie dort und rutschte langsam die Wand hinunter, wobei sie eine Spur aus Blut und Innereien hinterließ.
Kaum war die erste Spinne gesprungen, war eine ihrer Schwestern losgelaufen und die andere hinterher gehüpft.
Ich zerteilte die Springerin mit dem Schwert in der Luft in zwei Teile, während ich auf die andere einfach drauftrat. Klebrige Reste waren alles, was von beiden übrigblieb. Aber Zeit, mich darüber zu freuen hatte ich keine, denn jetzt krabbelten gleich ein Dutzend oder mehr über den Rand des Tunnelbodens und auch an den Wänden entlang.
Ich fuhr auf dem Absatz herum und sprintete los, alle Heimlichkeit vergessen: „Rennt! Weg hier!“, brüllte ich den anderen hinterher, die zusammenzuckten und sich umgedreht hätten, wenn Droin sie nicht ebenfalls angebrüllt hätte: „Rennt oder sterbt!“
Ohne zu warten, begann er mit donnernden Schritten den Gang entlang zu sprinten.
Phyrias Hände flammten auf, denn im Stockdunklen in unbekannter Umgebung zu laufen, hätte spätestens an den Leichen zu Problemen geführt. Sie hatte als einzige außer mir keine Fackel entzündet.
Dadurch konnte ich auch sehen, dass die Anderen bereits einen Vorsprung hatten, auch wenn die Gefangene schnell zurückfiel. Das verletzte Knie verhinderte, dass sie schnell genug laufen konnte.
Droin passierte gerade die Netze mit den Leichen und den Jungtieren, dicht gefolgt von Anaya, die sich anschickte, ihn zu überholen.
Jiang und Phyria sprinteten Seite an Seite um die Hindernisse herum, wobei Phyria einen kurzen Flammenstoß in das Netz am Boden schickte.
Eine Stichflamme schoss daraus empor, die auch die Spinnweben an der Decke entzündete. Flammenzungen liefen die Fäden entlang, brennende Fetzen und Körper toter Spinnen regneten auf sie herunter. Es bildete sich ein öliger, stinkender Qualm im Gang, der wich würgen ließ.
Hinter mir erklang ein Klicken und Zischen, als hunderte, vielleicht auch tausende von Spinnen über Wände, Böden und Decke in den Gang quollen.
Sie rasten über jeden Fleck des Tunnels hinweg, erstickten die Fackel mit ihren Körpern und kletterten sogar übereinander in der Hast den Mörder ihrer Brut zu erreichen.
Panik durchflutete mich, wie noch nie zuvor. Ich rannte, als wären mir plötzlich Flügel gewachsen. Im Zeitraum von zwei Herzschlägen hatte ich die noch immer qualmenden Reste der Jungtiere erreicht.
Einige zuckten und zappelten noch und hier und da rannten einzelne Tiere brennend im Kreis. Die Körper knirschten unter meinen Stiefeln, aber die Geräusche davon konnten nicht das Klicken tausender, rennender Spinnenbeine übertönen, die ich nicht nur hinter mir, sondern auch um mich herum hörte.
Kurioserweise ging mir dabei durch den Kopf, dass ich Anaya vorhin doch hätte besteigen sollen, statt nur ein paar Küsse mit ihr zu tauschen.
Ein gewisses Bedauern konnte ich nicht unterdrücken.
Dann verdrängte der Gedanke, von Spinnen gefressen zu werden, jede andere Überlegung. Ich lief noch schneller, flog praktisch den Gang entlang. Das Blut pulsierte in meinen Schläfen, mein Herz hämmerte in meiner Brust, ich konnte an nichts mehr denken, als die Spinnen.
Droin war an einer Wegkreuzung angelangt, wo er ohne zu zögern oder langsamer zu werden, rechts um die Ecke bog.
Anaya lief ohne Mühe neben ihm her, Jiang und Phyria kurz dahinter. Unsere Gefangene hatte bereits einige Schritte auf sie verloren, während ich gerade im Begriff war, sie einzuholen.
Als ich nur noch zwei Schritte hinter ihr war, regnete es vor uns plötzlich regelrecht Spinnen. Sie fielen aus Rissen, Löchern und Spalten, quollen wie Ameisen aus dem Boden hervor, und versperrten uns den Weg, kaum fünf Schritte von uns entfernt.
Die Gefangene schrie entsetzt auf und wurde langsamer. Ich nicht. Arkane Energien sprangen beinahe in meinen Körper, füllten meine Muskeln. Nach nur zwei Schritten vibrierte jede Faser von mir vor arkaner Macht. Direkt vor mir schoss ein Tor aus Blitzen empor, das auf die andere Seite der Spinnenbarriere führte. Mit einer Hand packte ich die Soldatin, warf sie mir wie eine Stoffpuppe über die Schulter, während ich mich kurz umsah. Dann sprang ich kaum einen Schritt vor den Spinnen durch das Tor.
Der Augenblick im Nichts war so kurz, dass ich die Zwischenwelt beinahe nicht bemerkte. Dann rannte ich bereits mit der keuchenden und würgenden Gefangenen auf der Schulter den Gang entlang.
Hinter uns verwandelte sich der Korridor in einen wogenden, weißen Teppich aus wütenden Spinnen.
Das Tor hatte uns gerettet, aber auch sehr viel von meiner Kraft gekostet. Viel mehr als ein oder zwei Mal konnte ich das nicht mehr wiederholen.
Aber besser geschwächt als tot, versuchte ich mir einzureden. Unpraktischerweise führte das eine auch schnell zum anderen.
Der Gang, in dem wir abgebogen waren, war drei Schritte breit und ebenso hoch. Im Schein von Phyrias flammenden Händen und den flackernden Fackeln waren keine Besonderheiten zu erkennen.
Kaum hatte ich den Gedanken beendet, brüllte Droin eine Warnung und ließ sich fallen. Er schlitterte ein paar Fuß auf dem Bauch durch den Gang. Aus der Dunkelheit sausten wirbelnde Äxte heran.
Anaya hüpfte wie ein junges Reh hin und her, Phyria tat es Droin gleich. Jiang machte eine kurze Bewegung mit dem Handgelenk, woraufhin eine grünlich schimmernde Wand vor ihr erschien, die die Äxte aus dem Weg schob, die sie hätten treffen können.
Mir blieb kaum Zeit zu reagieren. Ich schleuderte die Gefangene von meiner Schulter herunter, dann hechtete ich vorwärts, ganz knapp über eine der tödlichen Waffen hinweg.
Im Flug warf ich mich herum, um einer weiteren Axt zu entgehen.
Doch der Stiel streifte mich an der Schulter.
Die Wucht reichte beinahe aus, mir den Knochen zu brechen. Der Schmerz schoss durch meinen Arm und die Schulter in den Nacken bis hinunter zum Rücken.
Der Treffer brachte mich ins Taumeln, so dass ich statt sauber abzurollen, elegant wie ein nasser Sack Getreide quer auf dem Boden aufschlug.
Um mich schepperte es, als Teile meiner Ausrüstung aus dem Rucksack fielen, der an der Seite einen langen Schnitt von der ersten Axt erhalten hatte.
Stöhnend rollte ich mich auf die Füße, den Blick auf die heranbrandende Masse an Spinnen gerichtet, deren vorderste Tiere nur noch fünf Schritte von mir entfernt waren.
Die Soldatin war bereits wieder auf den Beinen und humpelte voller Panik so gut sie konnte an mir vorbei.
Der Anblick der Spinnen erfüllte meinen Körper praktisch mit neuer Kraft. Ich sprang auf, warf die Reste meines Rucksacks ab, erhaschte gerade noch den Sattel und rannte los. Dabei blieb ich beinahe in meinem schönen, neuen Polsterwams hängen. Ich packte ihn, riss ihn hoch, um ihn einzustecken.
Dann fiel mir auf, dass ich keinen Rucksack mehr hatte, und fluchte. Ich musste ihn zusammen mit dem Sattel, dem Schwert und dem Schild in den Händen halten.
Während ich mir die Sachen unter den Arm klemmte, rutschte eine tönerne Flasche mit Lampenöl aus seinen Falten heraus, die ich nicht mehr fangen konnte.
Klirrend zerbarst sie auf dem Boden.
„Phyria! Das Öl! Schnell!“, brüllte ich rennend.
Sie reagierte blitzschnell. Ein Blick genügte ihr, dann schoss eine kleine Feuerkugel aus ihrer Hand. Mit einer Stichflamme entzündete sich das Öl und blockierte einen kleinen Teil des Ganges.
Der Spinnenschwarm geriet kurz ins Stocken, strömte dann aber um das Feuer herum.
Der kurze Moment genügte mir, um die humpelnde Soldatin einzuholen. Zuerst warf ich mir den Schild auf den Rücken und steckte das Schwert ein. Dann rammte ich sie kurzerhand mit meiner unverletzten Schulter im Kreuz. Dabei packte ich sie mit meiner freien Hand hinten am Gürtel, damit sie nicht fiel und hob sie hoch auf meine Schulter. Sanft war die Methode nicht, aber ich war mir sicher, dass sie die Prellung des Rückens eher verkraften konnte, als von den Spinnen gefressen zu werden.
Ich rannte weiter den Gang entlang, hinter Phyria und Jiang her, die die Führung übernommen hatte. Anaya stand an der linken Tunnelwand, die linke Hand auf das Gestein gepresst. Mit der anderen Hand hielt sie sich den Arm knapp unterhalb der Schulter.
Blut sickerte zwischen ihren Fingern hindurch. Sie nickte mir kurz zu, hielt den Blick aber auf die Spinnen gerichtet.
Droin kniete dagegen mitten im Gang. Eine Hand nutzte er dazu, sich am Boden abzustützen, mit der anderen hielt er sich stöhnend die Verletzung von dem Bolzen der Statur. Er mühte sich ab, auf die Füße zu kommen, aber ich erkannte, dass er nicht schnell genug sein würde.
Ich sog die letzten Reste meiner arkanen Energie aus meiner Quelle in die Muskeln meines rechten Armes.
Er begann zu vibrieren, fühlte sich irgendwie lebendiger an, als sonst. Ich konnte jede Faser darin spüren. Ich hatte nur eine Chance. Griff ich daneben, war Droin verloren.
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