Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 3 - Attravals Grab - Christian Linberg - Страница 20
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Leider waren Wege, Treppen, Gänge, Tunnel und Plattformen ohne jeden erkennbaren Plan gebaut, daher ging es überall rauf und runter, hin und her. Manche Gänge wanden sich ohne sich zu treffen umeinander, andere führten geradewegs ins Nichts, zerbrochen oder niemals fertiggestellt. Einige trafen gleich zu mehreren in einem Mausoleum aufeinander. Manche Gräber waren kostbar verziert, andere Tote waren wie Vorräte regelrecht in Regalen in kleinen Fächern in den Wänden verstaut, die wiederum als Stützen für einen Weg dienten, der darüber hinweg führte.
Nur ein Betrunkener konnte die Gräberhalle geplant haben – dachte ich zu Beginn. Doch nach und nach wurde mir bewusst, dass er eigentlich genial gewesen sein musste. Oben befanden sich die oft schlichten Gräber der Gründungsmitglieder eines Clans. Ihre Gräber waren alt, aber sämtlich intakt. Offenbar waren sie lange gepflegt worden, während die tiefer liegenden Gräber oft in bedeutend schlechterem Zustand waren.
Wie weit es nach unten ging, war schwer festzustellen, nur dass sich der Zustand der Gräber grundsätzlich verbesserte.
Zwei volle Kerzenlängen marschierten wir kreuz und quer durch die Halle, bis ich mir sicher war, dass ich nicht mehr ohne weiteres zurückfinden würde.
Bislang hatten wir an verschiedenen Stellen Lichter entdeckt, aber keine Leute dazu. Manche Orte wurden von lange brennenden Kerzen erhellt, die so dick wie mein Oberschenkel waren. An anderer Stelle waren es Öllampen mit einem sehr großen Vorrat an Öl, so dass sie über mehrere Winter brennen würden.
Einige der Lampen entzündeten sich von selbst, wenn wir eine Tür öffneten oder einen bestimmten Gangabschnitt betraten, doch es tauchten weder Hinweise auf den Verbleib unserer Feinde noch auf Attravals Grab auf.
Nach der dritten Kerze rief Droin uns wieder zusammen: „So hat das keinen Sinn. Die Anlage ist sogar noch größer als ich dachte. Wenn wir nicht gezielter suchen, finden wir das Grab möglicherweise nie. Und unser Proviant reicht nicht für eine tagelange Suche.“
„Gut, dass Du das sagst, meine gesamte Ausrüstung ist bei den Spinnen zurückgeblieben. Ich habe nur noch den Inhalt meiner Gürteltaschen“, gab ich zu bedenken. Aus Sattel, Gambeson und ein paar Lederriemen hatte ich ein primitives Tragegeschirr geknotet. Es war unbequem, aber besser, als die Sachen in der Hand zu halten.
„Außerdem sind fast alle verletzt“, ergänzte Anaya.
„Und gleich werden es noch mehr“, hörten wir Jiangs ruhige, aber alarmierte Stimme plötzlich unvermittelt.
Wir fuhren herum, um ihrem ausgestreckten Arm zu folgen.
Zehn Schritt von uns entfernt hocke ein riesiger Käfer mitten auf dem Weg, der uns mit seinen unergründlichen Augen anstarrte.
Das Tier maß gute zwei Mannslängen vom Kopf bis zu seinem Hinterteil, und war ohne die Beine je zwei Schritte breit und hoch. Zwei große Kieferzangen ragten aus seinem Maul, die so aussahen, als könne er damit leicht einen Ochsen in zwei Hälften zerteilen. Seine Beine waren überall mit dornigen Stacheln bedeckt und endeten in zweizehigen Klauen.
Sein Kopf war fast völlig von einer dicken Schale verdeckt, die ungefähr die Form eines bleichen Schädels hatte. Daher auch der Name des Tieres: Schädelkäfer.
Wir sprangen alle auf, um hinter den nächstliegenden Grabsteinen Deckung zu suchen. Droin zerrte Phyria mit sich, Jiang verfuhr mit der Gefangenen ebenso.
Fast zeitgleich stemmte sich Käfer plötzlich auf seine Hinterbeine. Sein Hinterleib schwang vorwärts.
„Deckung!“, rief Droin laut.
Der Hinterleib pulsierte einmal, dann schoss ein langer Strom einer gelblich weißen Flüssigkeit daraus hervor. Das Zeug klatschte zielsicher gegen die Grabsteine hinter denen wir Deckung genommen hatten.
Es war fast geruchlos und auch nicht giftig, doch es klebte besser als Harz und Pech zusammengenommen. Was davon bespritzt wurde, blieb am nächsten Gegenstand oder der nächsten Sache hängen, mit der es in Berührung kam.
Auf diese Weise jagte der Käfer seine Beute. Erst versprühte er das Sekret, der sie an der Flucht hinderte, dann konnte er sie in aller Ruhe erlegen.
Da wir wussten, was uns erwartete hatten wir Deckung suchen können.
Trotzdem hörte ich Anaya fluchen, als der Strom der Flüssigkeit endlich versiegte.
Sie zerrte an ihrer rechten Hand, die jedoch wie angewachsen am Grabstein vor ihr haften blieb.
Als sie merkte, dass das keinen Sinn hatte, begann sie hektisch in ihren Taschen zu wühlen.
Der Käfer gab dazu erregte Klicklaute von sich. Ganz langsam kam er auf sie zu.
Ich hätte mich gerne auf ihn gestürzt, aber die klebrige Flüssigkeit bedeckte den Boden und die Grabsteine zwischen uns. Aus diesem Grund konnte ich Anaya auch nicht zu Hilfe kommen.
Droin feuerte einen Bolzen nach dem anderen auf den Käfer, aber die Geschosse prallten all von seinem unglaublich harten Panzer ab.
Nicht anders erging es den Flammenstößen von Phyria. Sie leckten hungrig über den Körper des Tieres, aber sonst geschah nichts. Es zischte wütend, kam aber unbeirrt auf Anaya zu, die noch immer versuchte, eine Flüssigkeit zusammen zu mischen, die den Klebstoff auflöste.
Währenddessen hatte Jiang drei kleine grüne Schriftzeichen beschworen, die wie wütende Bienen um den Kopf des Käfers schwirrten und immer wieder nach unten stießen.
Zwei oder drei Mal schnappte der Käfer nach ihnen, war aber zu langsam.
Hätte ich noch genügend Energie gehabt, hätte ich mit einem Blitz vielleicht noch etwas ausrichten können, aber mit dem kümmerlichen Rest, der noch übrig war, konnte ich ihm wenig anhaben.
„Drakk! Tu etwas!“, flehte Anaya verzweifelt
Vermutlich hatte sie die gleiche Idee wie ich gehabt.
Hektisch überlegte ich, was ich sonst noch tun konnte.
Anaya hatte den Versuch aufgegeben, mit einer Hand eine Tinktur zu mischen, sondern versuchte, mit einem Messer ihre Hand vom Stein zu befreien. Stattdessen blieb die Klinge praktisch sofort am Stein kleben.
Sie kreischte frustriert auf und verfluchte uns, den Käfer, die bescheuerte Idee, hierher zu kommen, einfach alles, was ihr einfiel.
Ich schätzte die Entfernung ab, die zwischen dem Käfer und mir lag. Viel zu weit zum Springen. Mit ein paar Schritten Anlauf vielleicht, aber meine Stiefel würden sofort stecken bleiben.
Während ich darüber nachdachte, sah ich plötzlich, wie Anaya ein Lederband hektisch so fest sie konnte um ihren Unterarm wickelte. Sie hatte den Griff eines ihrer Knochenmesser zwischen die Zähne geklemmt.
Sie wollte ihre Hand abtrennen, um zu entkommen!
Droin hatte das ebenfalls erkannt, und er war näher dran. Er machte einen Schritt nach vorne, und blieb sofort am Boden kleben. Er drehte an dem Rad auf dem Unterarm der Rüstung und zog an seinem Bein. Das Metall der Rüstung ächzte und protestierte, an verschiedenen Stellen trat Dampf aus, dann knirschte es und mit einem Ruck war sein Fuß frei.
Beinahe wäre er gestürzt, aber er fing sich mit einem weiteren Schritt ab. Keine Frage, er würde Anaya erreichen, aber zu spät.
Der Käfer war praktisch schon bei ihr. Sie duckte sich unter seinen Kieferzangen weg und schlug mit dem zweiten Knochenmesser nach ihm.
Socken!
Ein Gedankenblitz durchzuckte mich plötzlich.
„Anaya! Warte!“, brüllte ich so laut ich konnte. Ich schlitzte meine Stiefel auf, riss mir die Socken fast bis zur Ferse herunter, ehe ich wieder lose hinein stieg.
Dann katapultierte ich mich auf den Käfer zu. Sofort blieben meine Stiefel kleben, aber ich konnte weiterlaufen, weil ich sie nur lose trug. So schnell hatte ich sie noch nie ausgezogen. Mein rechter Socken folgte, dann mein linker. Ich spürte, wie Teile meiner Haut an den Fußsohlen abriss und kleben blieb, verdrängte den Schmerz aber und sprang mit dem letzten Schritt so weit und so hoch ich konnte.
Im Flug riss ich mein Schwert mit beiden Händen über den Kopf, die Spitze nach unten gerichtet.
Der Käfer drehte sich herum, um mich abzufangen. Seine Zangen öffneten sich weit in Erwartung der Beute, die da auf ihn zugeflogen kam.
Doch diese Beute hatte einen Stachel mitgebracht. Krachend barst der Schädelpanzer unter der Spitze meines Schwertes. Angetrieben von der Wucht des Aufpralls mit meinem gesamten Körpergewicht, bohrte sich die Klinge durch den Kopf des Käfers und trat unten wieder aus.
Ein Ruck ging bei der Landung durch meinen Körper, der mir die Waffe aus den tauben Händen riss. Der Käfer zuckte einmal, wobei die Kiefer zuschnappten und sich wie ein Schraubstock um meine Taille schlossen. Anaya schrie entsetzt auf, aber es lag keine Kraft mehr in der Attacke, es war nicht mehr als ein letzter Reflex.
Er zappelte noch einen Moment, dann lag er still.
Eine gefühlte Ewigkeit sagte niemand etwas. Schließlich brach ich die Stille selbst: „Ähm Anya? Könntest Du mich von dem Kleber befreien? Meine Füße werden kalt“
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