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II. Schriftliches Verfahren
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Im anschließenden schriftlichen Verfahren (Art. 20 II GHEU-Satzung) werden Schriftsätze ausgetauscht, bis die letzte Frist für die Einreichung eines Schriftsatzes verstrichen ist.
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Im Einzelnen umfasst dies in direkten Klageverfahren die Zustellung der Klageschrift und die Einreichung der Klagebeantwortung (nach deutscher Terminologie: der Klageerwiderung) binnen Zweimonatsfrist unter den in Art. 123 I VerfO-EuGH genannten Voraussetzungen. Diese können durch Erwiderung und Gegenerwiderung (Replik und Duplik) ergänzt werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Präklusionsvorschrift des Art. 127 I VerfO-EuGH, nach der
„[d]as Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens (…) unzulässig [ist], es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.“
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In diesem Zusammenhang ist außerdem die (teilweise kritisierte) Begrenzung der Schriftsatzlänge zu erwähnen, die sich aus Art. 58 VerfO-EuGH i.V.m. Nr. 12 ff. der Praktischen Anweisungen für die Parteien ergibt. Danach sollen die Klageschrift und die Klagebeantwortung 30 Seiten, die Erwiderung und die Gegenerwiderung etwa 10 Seiten nicht überschreiten. Die erlaubte Schriftsatzlänge kann allerdings im einzelnen Verfahren ggf. konkretisiert wird.
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Im Vorabentscheidungsverfahren wird das Ersuchen zunächst in alle Amtssprachen übersetzt und den Parteien des Ausgangsrechtsstreits, den Mitgliedstaaten und den beteiligten EU-Institutionen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zugestellt (Art. 23 GHEU-Satzung, Art. 98 VerfO-EuGH).
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In allen Verfahren entscheidet die Generalversammlung über die Verweisung der Rechtssache an die Spruchkörper auf Grundlage des Vorberichts des Berichterstatters (Art. 59 f. i.V.m. Art. 25 VerfO-EuGH). Die Zuweisung an den Vorberichterstatter durch den Präsidenten des EuGH und die Entscheidung der Generalversammlung nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens, die Rechtssache einem bestimmten Spruchkörper zuzuteilen, sind mit dem deutschen (Recht auf den) gesetzlichen Richter nach Art. 101 I 2 GG schwer zu vereinbaren. So muss in den deutschen Gerichtsbarkeiten bei Eingang der Rechtssache ohne Ansehung ihres konkreten Gegenstandes oder der Beteiligten anhand von abstrakt-generellen Kriterien bereits feststehen, welcher Spruchkörper die Rechtssache entscheiden wird. Damit soll unsachlichen Manipulationsversuchen der Rechtsschutzsuchenden, aber auch anderer Staatsgewalten und der Judikative selbst vorgebeugt werden.[24] Freilich ist dieser Grundsatz für den GHEU nicht bindend; die Anwendbarkeit seiner Ratio auf den GHEU kann aber durchaus kontrovers diskutiert werden.[25]