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3. Historische Auslegung

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Die historische Auslegung leitet aus der Entstehungsgeschichte einer Norm deren Bedeutungsgehalt ab. Dies setzt eine Dokumentation der Entstehungsgeschichte voraus, die nicht immer gegeben ist. Außerdem kommt dem Abschluss vertraglicher Regelungen, insbesondere im zwischenstaatlichen Bereich, häufig ein Kompromisscharakter zu, dem nicht allein sachliche Erwägungen zugrunde liegen. Teilweise wird daher vorgeschlagen, der historischen Auslegung, zumal bei älteren Rechtstexten, nur eine Hilfsfunktion bei fortbestehenden Unklarheiten zukommen zu lassen. Dafür spricht auch die Einordnung als ergänzendes Auslegungsmittel in Art. 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention[37].

Beispiel:

In der Rs. C-583/11 P (Inuit) hatte der EuGH als Rechtsmittelgericht über die Voraussetzungen der dritten Individualklagevariante bei Nichtigkeitsklagen (Art. 263 IV 3. Var. AEUV) zu entscheiden. Mit systematischen und historischen Auslegungsargumenten – lesenswert die Rn. 59 f. des Urteils – kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass Verordnungen nicht als „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ zu qualifizieren sind.[38]

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Schließlich wird die historische Auslegung dem dynamischen Charakter der Europäischen Integration nicht immer gerecht, da sie begriffsnotwendig rückwärtsgewandt ist. Hier wird ein immanentes Spannungsverhältnis mit der insofern wirkmächtigeren teleologischen Auslegung (dazu sogleich) sichtbar.

Beispiel:

Verpflichtungsadressaten der Grundfreiheiten waren nach dem Wortlaut der EU-Verträge und dem Gründungsgedanken der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Mitgliedstaaten, deren unterschiedliche nationale Regelungen grenzüberschreitendes Wirtschaften erschwerten. Später erweiterte die Rechtsprechung des EuGH den Kreis der Verpflichteten auf sozial mächtige Berufsverbände und schließlich auf private Akteure, die den Marktzugang wirtschaftlich Tätiger faktisch beschränken können.[39]

Europäisches Prozessrecht

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