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Stunde 3 GELASSENHEIT

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Das Rennen im Rennen hat Christoph Strasser noch vor dem Anstieg für sich entschieden. Natürlich war es nur zum Spaß, denn Florian Kraschitzer, sein Teamchef vom RAA und treuer Betreuer seit Jahren, fährt eine Liga unter ihm. Trotzdem hat er sich respektabel geschlagen. Am Start ist er nur etwas mehr als zwei Stunden vor Christoph ins Rennen gegangen und er konnte seinen »Vorsprung« immerhin bis hierher verteidigen – schon über die Hälfte der Strecke ist geschafft. Was Florian zum Glück noch nicht weiß: Bis ins Ziel wird sich sein Zeitverlust verfünffachen. Auf knapp 250 Kilometern fällt er acht Stunden zurück, was in etwa Christophs Fahrzeit auf der verbleibenden Strecke entspricht.

Wie ist das möglich? Natürlich, Florians Fitness ist nicht vergleichbar, dennoch steht der Leistungsabfall in keinem Verhältnis zum Ausgangstempo. Die Antwort liegt in der Krise. Christophs vermeintlich größter Vorteil: Er baut langsamer ab, und wenn er einbricht, fällt die Leistungskurve flacher ab und wendet sich schneller wieder ins Positive. Oder sie stagniert auf einem Niveau, das ihn weiterfahren lässt, fast so als wäre er eben erst gestartet und nicht schon Stunden, Tage, manchmal Wochen auf dem Rad. Das wahre Erfolgsrezept: Christoph Strasser bleibt in Ultracycling-Wettkämpfen nur stehen, wenn die Crew es ihm erlaubt. Das klingt zugegebenermaßen krass. Aber nur so lassen sich die Stehzeiten so brutal reduzieren. Was in Rennberichten extrem hart und unbarmherzig wirken mag, wird schon vor dem Rennen genau abgesprochen und ist ganz in seinem Sinne. Oft betont er, wie unbedingt er diese Rollenverteilung braucht, um richtig schnell sein zu können.

»Wenn ich selbst entscheiden würde, wann und wie lange ich pausiere, wäre ich für mein letztes RAAM wahrscheinlich heute noch unterwegs. Darum müssen meine Betreuer in ihrer Rolle manchmal streng zu mir sein und dafür bin ich dann im Nachhinein dankbar – auch wenn ich während des Rennens jammere, klage oder um Pausen bitte. Ich gebe Entscheidungsbefugnis und Kontrolle im Rennen total ab, trete nur links und rechts hinunter, ansonsten höre ich auf mein Team. Die einzige Entscheidung, die ich selbst treffe, ist die, ob ich als nächstes Ensure mit Schokolade- oder Vanille-Geschmack trinke.«

Jede Minute, die Florian nicht in die Pedale tritt, weil er sich kurz erholen, zum Essen stehen bleiben, seinem Gesäß eine Pause gönnen oder einfach dem konstanten Zwang, Meter zu machen, entfliehen will, lässt Christoph ihn 500, vielleicht 700 Meter weiter hinter sich. Und zwar ohne dass Florian sich danach besser fühlen oder sich auch nur einen Meter zurückerkämpfen würde, sobald er wieder in Bewegung kommt. Die physischen Strapazen gepaart mit Schlafentzug verursachen Vergesslichkeit. Entschlossenheit und klare Ziele werden mit jeder Stunde, die ein langes Rennen andauert, ersetzt durch kindliche Wehleidigkeit und den immer lauter werdenden Wunsch, der Müdigkeit und der Verlockung einer erlösenden Schlafpause nachzugeben. Florian selbst weiß das, denn er kennt Christophs offenes Geheimnis von Tausenden hinter ihm im Betreuerauto verbrachten Rennkilometern. Nichtsdestotrotz vermag er – wie die meisten Konkurrenten in diesem und allen anderen Rennen – nicht, die simple und brutale Erfolgstaktik selbst anzuwenden.

1000/24: Christoph Strasser und die Jagd nach dem perfekten Tag

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