Читать книгу Die Sanduhr - Claudia Gürtler - Страница 15
Dreizehn
ОглавлениеWeder Moser noch Meier noch die jungen Polizisten Graber und Linsenmann kamen nach der Nachtschicht zu ihrem verdienten Feierabend. Mosers Gesicht war mit hektischen roten Flecken übersät, als sie frühmorgens die frischen Rapporte abheftete und endlich den Posten verliess. Es war Sonntag, und fürs erste Tram war es noch zu früh. Übermüdet schlurfte die Polizeikommissärin ihrer Wohnung zu, etwa zur selben Zeit, als auch Meier schwankend vor Erschöpfung das Kantonsspital verliess. Er fuhr zusammen, als Polizist Linsenmann unvermittelt aus dem Schatten trat und rapportierte, es sei ihm nach heftigen Diskussionen mit einem sturen Zollbeamten gelungen, das aus dem Rhein geborgene Pferd bei einem Bauern im nahen Elsass unterzubringen. Es sei verschwitzt und schreckhaft und sehr nervös gewesen, habe sich aber unter der kundigen Hand des Elsässers beruhigt. Nun stehe es also in dessen Stall, fresse seinen Hafer und warte darauf, dass sein Besitzer in der Lage sei, es wieder abzuholen.
Sein Besitzer, entgegnete Meier resigniert, sei mehr oder weniger mit dem Schrecken davon gekommen. Die Ärzte hätten es kaum fassen können, dass jemand von einem Sturz aus solcher Höhe lediglich ein paar Prellungen davongetragen habe. Der Schock des Mannes sei zwar beträchtlich gewesen, doch habe er sich auch davon in Windeseile erholt. Kurz und gut, kaum hätten alle Ärzte und Krankenschwestern das Zimmer verlassen, um dem Patienten Ruhe zu gönnen, habe sich dieser in Luft aufgelöst.
Linsenmanns Augen weiteten sich und sein Gesicht leuchtete noch blasser aus dem Schatten des Eingangspfeilers, in welchem er noch immer stand.
Meiers Gesicht verzog sich zu einer müden spöttischen Grimasse.
„Du glaubst wohl an Geister, was, Linsenmann?“
„Durch die Tür konnte der Patient ja nicht entkommen“, stotterte Linsenmann aufgeregt. „Du hast doch davor Wache gestanden.“
„Leider nein“, gestand Meier freimütig. „Ich war auf der Suche nach einem Kaffeeautomaten. Falls das Perpetuum Mobile schon erfunden worden ist, bin ich es jedenfalls nicht.“
Jetzt verzog sich Linsenmanns Gesicht zu einem Grinsen, welches Meier ganz richtig als schadenfreudig deutete.
„Moser wird ...“, begann er, aber Meier schubste ihn in Richtung Strasse und sagte: „Mach, dass du nach Hause kommst, Linsenmann. Ein bisschen Schlaf kann einem Gespensterjäger wie dir nicht schaden.“
Linsenmann stolperte davon und malte sich genüsslich aus, was Graber zu der Geschichte sagen würde, wenn er sie ihm erzählte.
Meier stieg hinter dem Hotel Dreikönig an den Rhein hinunter und setzte sich auf die unterste Stufe. Er hatte keine Lust auf einen Fussmarsch nach Hause, und wenn die Trams ihren Betrieb aufnahmen, würde er es von hier aus hören. Er hätte nichts dagegen gehabt, Hans Christian auftauchen zu sehen. Etwas Gesellschaft wäre ihm recht gewesen.
Aber es blieb still. Niemand war unterwegs am frühen Sonntagmorgen. Und selbst der Rhein, der wenig Wasser führte, gab nur verhalten Geräusche von sich. Während es langsam hell wurde grübelte Meier darüber nach, was für eine seltsame Stadt Basel doch geworden war, seit Polizeikommissärin Moser zu viele Horoskope las.