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1.4.3 οὐκ ἔνι ἄρσεν καὶ θῆλυ (Gal 3,28c)

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Wie in den beiden voranstehenden Paarungen handelt es sich bei der Polarität der Geschlechter um eine der grundlegendsten Unterscheidungen nicht allein der antiken Gesellschaft. Die Überwindung scheint zunächst noch unvorstellbarer und fraglicher als die der beiden anderen Paare,1 da es sich bei der Scheidung der Menschheit in männlich und weiblich um eine in der Schöpfung grundgelegte und gesegnete Statute handelt. Daraus erwächst die Frage, ob der Bruch des parallelen Aufbaus darauf hinweist, dass gar nicht die Negierung des Gegensatzes im Blick ist. Dieses dritte Paar erweist sich als das umstrittenste und vielfältigst diskutierte – vermutlich auch deshalb, weil es in den beiden Parallelüberlieferungen der Formel fehlt. Was lässt sich also zunächst an sicheren Beobachtungen festhalten?

Anstatt des kontrastierenden οὐδέ, wird hier das verbindende καί verwendet. Während es sich bei Ἰουδαῖος/Ἕλλην und δοῦλος/ἐλεύθερος um Substantive handelt, begegnen mit ἄρσεν und θῆλυ Adjektive. Außerdem ist festzuhalten: „The adjectives ἄρσεν and θῆλυ are not the ordinary terms used to speak of man and woman, but they are specifically used to emphasize the gender distinction, male and female.“2 Ob dieser Parallelitätsbruch inhaltliche, das Paar betreffende Gründe hat, muss diskutiert werden angesichts der Beobachtung, dass es sich hierbei um die gleiche Formulierung handelt, welche die LXX in Gen 1,27 bietet: καὶ ἐποίησεν ὁ θεὸς τὸν ἄνθρωπον, κατ‘ εἰκόνα θεοῦ ἐποίησεν αὐτόν, ἄρσεν καὶ θῆλυ ἐποίησεν αὐτούς.3 Der priesterschriftliche Schöpfungsbericht spricht also von der Erschaffung der Menschheit in zwei Geschlechtern, wobei gemeinhin darin weniger eine Betonung der Gegensätzlichkeit, als vielmehr der Zusammengehörigkeit gesehen wird: „Der Mensch ist hier als ein Gemeinschaftswesen, als ein zu zweit Existierender gesehen, und so etwas wie Menschlichkeit kann es dann auch nur bezogen auf den zu zweit existierenden Menschen geben.“4 Zudem wird für beide in gleicher Weise5 die Gottebenbildlichkeit (Gen 1,26f) festgestellt. Darin unterscheiden sich die Menschen bekanntlicherweise von sämtlichen anderen Geschöpfen, über welche sie dann auch einen Herrschaftsauftrag (Gen 1,28) erhalten. Verbunden ist dieser wiederum mit dem Fortpflanzungsauftrag (Gen 1,28), welcher wiederum auf der Zweigeschlechtlichkeit fußt. Dies alles wird von Gott nicht nur als καλά (vgl. u.a. Gen 1,4.10.12), sondern sogar als καλὰ λίαν (Gen 1,31) beurteilt.

Will Gal 3,28c bewusst auf Gen 1,27 verweisen, so rückt neben der geschlechtlichen Zweiteilung also v.a. die Gottebenbildlichkeit6 in den Fokus. Diese im AT explizit nur selten7 vorkommende Aussage kann dennoch als „Spitzenaussage der bibl. Anthropologie“8 bezeichnet werden. Aus der Königsideologie entstammend wird die Aussage in exilischer Zeit ‚demokratisiert‘, d.h. auf alle Menschen übertragen, wobei Exegeten heute meist betonen, dass es sich dabei um eine funktionale und nicht etwa qualitative Bestimmung handelt.9 Jedoch steht hinter den beiden in Gen 1,26f verwendeten hebräischen Vokabeln für „(Eben-)Bild“, nämlich ‎‏צלם‏‎ und ‎‏דמות‏‎, eine lange und v.a. vielfältige Traditionsgeschichte, welche immer wieder auch Anlass zu qualitativen Deutungen gibt. Gerät aber die wesentliche Ähnlichkeit mit Gott in den Blick, so bietet sich Gen 1,27 an, diese für Männer und Frauen, und im Weiteren für alle Menschen, wie unterschiedlich sie auch sein mögen, in gleicher Weise zu betonen.10

Zwei Aspekte kommen also in Frage, auf welche Gal 3,28c mit der bewussten Aufnahme von Gen 1,27 verweisen könnte: 1) Die Erschaffung des Menschen in seiner Zweigeschlechtlichkeit, die neben der Unterscheidung aber v.a. auf die gegenseitige Zuordnung und damit Verbindung abhebt,11 2) die für alle Menschen ausgesagte Gottebenbildlichkeit. Die Scheidung und grundlegende Zueinanderordnung des Menschen als männlich und weiblich ist als Gottes Schöpfungswerk (‎‏ברא‏‎ [Gen 1,27]) notwendig und zudem von ihm gesegnet und für sehr gut befunden. Wie kann dies verneint oder gar aufgehoben werden?

Hinzu tritt der Befund, dass sich dieses Paar nicht an den beiden anderen Stellen findet, wo die Formel verwendet wird – weder in 1Kor 12,13 noch in Kol 3,11. Konnte man sich die Negierung der Zweigeschlechtlichkeit nicht vorstellen? Oder dass das Gen 1,27-Zitat aus der grammatikalischen Parallelführung ausbrach? Gegen Letzteres spricht, dass bereits 1Kor 12,13 die beiden ersten Paare sprachlich abwandelt12 und Kol 3,11 sogar die (Gegensatz-)Paarstruktur aufgibt. Auch gemeinhin als Parallelen aus der nichtkanonischen und rabbinischen Literatur herangezogenen Texte sind oft von motivischer, als tatsächlich sprachlicher Ähnlichkeit und lassen v.a. die beabsichtigte Deutungsrichtung des Exegeten erkennen: 1) Betonung der Gleichheit vor Gott, z.B. Yalkut Lek leka sec. 76: „God said to Moses: Is there respect of persons with me? Whether it is Israelite or Gentile, man or woman, slave or handmaid, whoever does a good deed shall find the reward at its side […]“.13 2) Vorstellung einer (Wieder-)Vereinigung, z.B. in EvÄg: Der Herr sprach: „Wenn ihr das Gewand der Scham mit Füßen treten werdet und wenn die zwei eins werden und das Männliche mit dem Weiblichen und weder männlich noch weiblich [sein wird].“14 EvPhil 78 spricht davon, dass die Trennung von Mann und Frau zum Tode geführt habe. „Deswegen ist Christus gekommen, um die Trennung, die von Anfang an bestand, zu beseitigen und sie beide wieder zu vereinigen […]“.15 3) Sexualethische Paränese, z.B. 2Clem 12,2.5, wo καὶ τὸ ἄρσεν μετὰ τῆς θηλείας οὔτε ἄρσεν οὔτε θῆλυ erklärt wird mit „in keiner Weise an sie als Frau denken …“16 Auch wenn sich die Kommentatoren uneins sind, ob dies eine Forderung nach absoluter sexueller Enthaltsamkeit17 oder lediglich nach ehelicher Treue18 darstellt, wird die sexualethische Dimension durchaus deutlich. Eine klare Bezugnahme auf Gal 3,28 oder die Taufe ist in keiner der genannten, meist spruchhaften Aussagen zu erkennen.

Bleibt also lediglich noch nach der Unterschiedlichkeit männlicher und weiblicher Existenzen damals zu fragen, um mögliche Konsequenzen einer Negierung dieser Unterscheidung oder aber ihrer Bindung aneinander auszuloten.19 Zunächst ist dabei festzuhalten, dass die in der Neuzeit verstärkt thematisierte dezidierte Unterscheidung zwischen Geschlecht und Gender als unterschiedliche Kategorien für die Antike so nicht belegt ist und daher im Folgenden auch vernachlässigt wird.20 Jedoch gilt: „‚Mann‘ und ‚Frau‘ sind kulturell bedingte vielschichtige Konstrukte, bestimmt von Auffassungen über Körper und Differenzierungen, von sexueller Orientierung, Geschlechterordnung und -beziehung und von Ursprungstheorien.“21

Ist οὐκ ἔνι ἄρσεν καὶ θῆλυ der Beweis dafür, dass bereits in der Antike Gleichberechtigung und -stellung vorstellbar waren – jedenfalls gefordert wurden? Die grundsätzliche Gleichstellung von Männern und Frauen ist ein der griechisch-römischen Philosophie bekanntes Ideal oder besser eine Utopie: „Within the philosophical schools the equality of women with men was generally affirmed in principle but, apart from the Epicureans, hardly ever actualized in practice.“22 Der faktischen Realität treten prominente Stimmen an die Seite, wie etwa Plato, welcher „women as inferior by nature to men“23 einstuft. Jüdischerseits äußert sich Josephus ganz ähnlich: γυνὴ δὲ χείρων ἀνδρὸς εἰς ἅπαντα (Flav.Jos.Apion. 2,24). Und besonders eindrücklich findet sich diese Auffassung dann in den Charakterisierungen von Frauen bei Philo wieder: schwach, einfach zu täuschen, krank, gering, unterjocht, schwerfällig usw.24 Trotz dieses Konsenses über die vermeintliche Minderwertigkeit der Frau sind die tatsächlich vorherrschenden Ungleichheiten und Ungleichbehandlungen von Männern und Frauen in der hellenistischen Gesellschaft, der jüdischen Religion und den aufkommenden christlichen Gemeinden noch einmal zu differenzieren.

Exkurs: Position und Funktion(en) von Frauen in der hellenistischen Gesellschaft

In der Antike waren einzelne Gesellschaften wie die der Iberer und Kreter bekannt, in denen „mutterrechtliche Verhältnisse“ herrschten: „Da ist es z.B. Brauch, daß nur die Töchter erben; sie haben deshalb die Pflicht, ihre Brüder zu verheiraten und auszustatten.“1 Diese Ausnahmen wurden jedoch zumeist kritisch betrachtet: „Strabon nennt das ‚eine Art Frauenherrschaft‘ (τινὰ γυναικοκρατίαν): er findet solche Ordnung ‚wenig staatsmännisch‘ (οὐ πάνυ πολιτικόν).“2 Denn die Mehrheit der bekannten Gesellschaften war patriarchalischer Natur. Dennoch führte das allgemeine intensive Nachdenken über die (ideale) Gesellschaft auch zu einer (Neu-)Bewertung der Stellung der Frau: Man hat „nicht nur ihre Geltung und Aufgaben in der Familie geprüft, sondern auch über ihr Auftreten in der Öffentlichkeit und ihre juristische Einordnung reflektiert.“3 Im Folgenden kann nur ein kleiner Überblick darüber geboten werden.4

Während in Athen ein überzähliges oder schwächliches Mädchen noch verkauft oder ausgesetzt wird, kennt Rom diesen Brauch nicht mehr (Burck, Die Frau in der griechisch-römischen Antike, 20). Sie wächst im Hause des Vaters auf, welcher als pater familias die patria potestas über alles Lebende und Unbelebte des Haushaltes innehat (25). In Rom werden Töchter vermehrt in Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet, einzelne sogar auf Privatschulen geschickt (21). Ihre sonstige Tätigkeit besteht v.a. in der Verarbeitung von Wolle (22) und in ihrer Freizeit im Singen und Tanzen, „wie man es von ihnen für die religiösen Prozessionen und Feste forderte.“5 Heiratsfähig wird sie – je nach Autor – mit 15, 18 bzw. 20 Jahren. Mit der Eheschließung wechselt sie in „die hausherrliche Gewalt ihres Gatten“6 über. Die griechische wie römische Gesellschaft pflegt die Einehe, normalerweise unter Verbot der Geschwister- und teilweise sogar Verwandtenehe (14f). Als Frau des Hauses obliegt ihr nun die Erziehung der Kinder, die Aufsicht über die Sklavinnen und die Hausarbeit (27). Dass dazu auch eine gewisse finanzielle Verantwortung gehört, belegt das Bsp. Ciceros, der vom „Finanzgenie seiner Frau Terentia“ (27) erheblich profitiert. „There is some indication that in Asia Minor women were able to hold more positions in public life.“7 Es ist allgemein eine Entwicklung von der griechischen hin zur römischen Gesellschaft wahrzunehmen, welche die Position der Frau, nicht zuletzt gegenüber ihrem Ehemann, stärkt.

Eine solche Tendenz lässt sich allerdings nicht für die jüdische Frau erkennen: Zwar behauptet Josephus, dass es einen allgemeinen Unterricht in Lesen und Schreiben gäbe (Flav.Jos.Ant. 2, 204), dennoch sind Frauen vor Gericht auf die Unterschrift eines Tutors angewiesen (CPJ 453). Eine Klassengrenze scheint dabei keine Rolle zu spielen.8 Neben dem Erwerb der Grundfertigkeiten tritt die religiöse Erziehung, welche v.a. die Unterweisung in die für Frauen spezifischen Gebote und Verbote umfasste. Die rechtliche Stellung gestaltet sich ganz ähnlich der einer römischen Frau: Ihr pater familias ist ebenfalls entweder der Vater (in Vertretung: der Bruder) oder der Gatte. Immerhin kann sie Eigentum besitzen, das sie entweder geschenkt9 oder sogar ererbt bekommt, falls keine Söhne vorhanden sind.10 Dieses Vermögen kann die Frau zwar nicht ihrem Mann, wohl aber ihrem Sohn weitervererben.11

Die Taufe auf den Tod Christi

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