Читать книгу Die Taufe auf den Tod Christi - Claudia Matthes - Страница 70
1.4.3.1 Position und Funktion(en) von Frauen in der jüdischen Religion
ОглавлениеDas Hauptanliegen des Paulus im Galaterbrief ist bekannterweise, zu verdeutlichen, dass eine (freiwillige) Beschneidung die Galater dem jüdischen Gesetz komplett verpflichten würde. Aber Frauen werden im Judentum nicht beschnitten und auch sonst stellt sich das Verhältnis zum jüdischen Gesetz für Frauen und Männer unterschiedlich dar:1 Zwar gelten für Frauen mit wenigen Ausnahmen2 die gleichen Verbote, wie sie auch bei Zuwiderhandlungen dem gleichen Zivil- und Kriminalrecht unterworfen sind,3 doch besitzen sie nicht das Recht, als Zeugin aufzutreten4 und sind v.a. auf andere Weise den Geboten des Gesetzes unterworfen: „Man erklärte, daß sie nur zu denjenigen Geboten verpflichtet sei, deren Erfüllung nicht an eine bestimmte Zeit gebunden sei.“5 Auch mit Blick auf Ämter und Funktionen im jüdischen Kultus bietet sich ein ambivalentes Bild: Einerseits dürfen sie keine dezidierten Kultämter übernehmen,6 andererseits können bestimmte religiöse Funktionen, z.B. im Zusammenhang mit Lebensbeginn und -ende7 allein von Frauen ausgeführt werden.
Zudem interessant zu erwähnen ist das bereits von Sklaven bekannte Phänomen, persönliche Gelübde nur eingeschränkt ablegen zu können: Der Vater einer ledigen Frau – entsprechend dem Herr eines Sklaven – hat stets ein Einspruchrecht bei einem freiwilligen Gelübde, das dieses für nichtig erklären kann.8 „Heiratet ein Mädchen, so geht das Einspruchrecht vom Vater auf den Gatten über: er darf selbst solche Gelübde auflösen, die vor der Hochzeit geleistet wurden.“9 Lediglich Witwen und geschiedene Frauen können vollständig selbstbestimmt Gelübde ablegen (Num 30,10). Während die alttestamentlichen Gesetzestexte all diese unterschiedlichen Anforderungen und Verpflichtungen von Männern und Frauen ohne weitere Begründungen lediglich aufführen, reflektieren rabbinische Schriften später durchaus über deren Ursache. Hierbei wird stets darauf verwiesen, dass es sich beim Verhältnis Mann–Frau um keines auf Augenhöhe handelt. Dies wird an späterer Stelle noch genauer darzustellen sein.
Fragt man nun, wie Jesus und die frühen christlichen Gemeinden Frauen wahrnehmen und einbinden, so sei zunächst festzuhalten, dass keinerlei programmatische Emanzipation zu erkennen ist. Wohl aber wertet Jesus Frauen, indem er sich ihnen zuwendet, dennoch anders, als es in der damaligen jüdischen Gesellschaft üblich ist:10 Einerseits begegnet er notleidenden Frauen als Wohl- und Wundertäter – nicht anders wie anderen Hilfesuchenden und Randgruppen der Gesellschaft, wie etwa Zöllnern und Samaritanern. Indem Jesus sich etwa einer Witwe zuwendet, die dabei ist, ihren einzigen Sohn zu Grabe zu tragen (Lk 7,11–16), erweist er sich als Mildtäter, jedoch noch ganz im Rahmen der jüdischen Gemeinschaft. Wenn er andererseits Frauen dadurch würdigt, dass er sie lehrt und ihrem Alltag Gleichnisse widmet, überschreitet er darin die jüdischen Gepflogenheiten weit. Dennoch wählt er lediglich Männer zu seinen Jüngern und engsten Vertrauten, wenn auch Frauen als Unterstützerinnen und Anhängerinnen erwähnt werden.
Unser Bild der ersten christlichen Gemeinden ist einerseits von dem zwiespältigen Frauenbild der Paulusbriefe (1Kor 11,2–16; 14,33–40) und andererseits von den Berichten der Apg geprägt (Apg 1,14; 5,1–11; 16,14f u.w.). Ohne auf Details und Hintergründe an dieser Stelle näher eingehen zu können, ist festzustellen, dass das Gemeindeleben von Frauen aktiv mitgestaltet wird, diese teilweise auch Leitungsfunktionen übernehmen, was in unterschiedlicher Weise bewertet wird.