Читать книгу Die Taufe auf den Tod Christi - Claudia Matthes - Страница 77
1.5.4.1 Neutestamentliche Einheitskonzepte allgemein
ОглавлениеLaut Betz stehen die neutestamentlichen Konzepte unter dem „Einfluß der für die antike Religion, Philosophie und Politik grundlegenden Denkkategorie Einheit–Vielheit. Das Urchristentum teilt in vollem Maße die gemeinantike Bevorzugung von Einheit und die negative Einschätzung von Vielheit in ihren verschiedenen Manifestationen.“1
Wesentlich expliziter ausgeführt und nicht zuletzt für die paulinische Theologie grundlegend ist die Vorstellung von der Einzigkeit Gottes und deren Bedeutung für die Konstitution der christlichen Gemeinde. Der Monotheismus wird dabei nicht nur in seinen Inhalten, sondern oft auch in seinen prägenden Formeln aus dem Judentum übernommen: Die sogenannte Monotheismusformel, wie sie ins jüdische Glaubensbekenntnis eingegangen ist (יהוה אלהינו יהוה ארד […] / […] κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν κύριος εἷς ἐστιν [Dtn 6,4]) und von Jesus als das höchste Gebot zitiert wird (Mk 12,29 par), findet sich an prominenten argumentativen paulinischen Stellen wie etwa in Gal 3,20 ([…] ὁ δὲ θεὸς εἷς ἐστιν) oder Röm 3,30 (εἴπερ εἷς ὁ θεὸς ὃς δικαιώσει […]),2 später aber auch in den Evangelien (z.B. Mt 23,8–10). Dass der monotheistische Glaube der in der Antike verbreiteten Vielgöttervorstellung manifest gegenübersteht, verleiht seiner argumentativen Verwendung etwa bei der Beschreibung der Gemeinde ein spezielles, teilweise wohl erläuterungsbedürftiges Gewicht.
Was aber meint „Einzigkeit“? Im Kontrast zu vielen Göttern hat die Vorstellung von nur einem Gott automatisch den Aspekt der Einzigartigkeit. Dies lenkt bereits den Blick von der rein nummerischen Aussage (einer anstatt fünf) auf die Qualitätsebene. Dass diese zweite Dimension der Einzigkeit christlicherseits als mindestens ebenso wesentlich wahrgenommen wird, macht spätestens die „Erweiterung“ der Formel auf Christus deutlich: „Die Monotheismusformel wird variiert, um analog zur Einzigkeit Gottes die einzigartige Stellung Christi festzustellen (Jak 4,12; Mt 23,8–10).“3 Neben der gesonderten Stellung und Einmaligkeit Christi4 wird in der johanneischen Theologie dazu speziell die Einheit mit Gott betont: ἐγὼ καὶ ὁ πατὴρ ἕν ἐσμεν (Joh 10,30). Mit Blick auf die Interpretation von Gal 3 ist dazu festzuhalten, dass das Einssein des Vaters mit Christus nie als Identität verstanden, sondern stets als besonders qualitative Form von Gemeinschaft, nämlich Einheit, dargestellt wird. Davon wird auch eine Einheitsvorstellung für andere abgeleitet: ἵνα πάντες ἓν ὦσιν, καθὼς σύ, πάτερ, ἐν ἐμοὶ κἀγὼ ἐν σοί, ἵνα καὶ αὐτοὶ ἐν ἡμῖν ὦσιν […] (Joh 17,21).5 Beachtenswert ist hierbei, dass die Einzigkeitsvorstellung, welche auf Einheit abhebt, mit einer (reziproken) ἐν-Aussage kombiniert ist, wie wir sie auch in 3,28d vorfinden.6 Paränetisch-argumentativ wird die Einzigkeit Gottes gelegentlich aber auch unabhängig vom Einheitsaspekt hervorgehoben: Ὑμεῖς δὲ μὴ κληθῆτε ῥαββί· εἷς γάρ ἐστιν ὑμῶν ὁ διδάσκαλος, πάντες δὲ ὑμεῖς ἀδελφοί ἐστε. (Mt 23,8).7