Читать книгу Sehnsuchtskarussell - Cleo Maria Kretschmer - Страница 11

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16. Januar

BMW hat ein neues goldenes Kalb in seinem Tempel aufgestellt, und das Volk kommt, um es anzubeten. Für seine Schöpfer ist dieses Automobil eine wertvolle Perle in schimmerndem Schwarz, das 6er Coupe 645 Ci. Sieht edel aus wie Fury, der arabische Hengst. Seit siebzig Jahren immer wieder neu gezüchtet und verfeinert, erblüht es jetzt in faszinierender Schönheit, weckt Lust und Gier und den Hunger des Besitzenwollens. Dazu Essen von Dallmayr, Mode von Escada.

Barbara Schöneberger, Hohepriesterin der Göttin Venus, führt durchs Programm und flüstert den Gästen die geheimen Formeln ins Ohr, auch SKH Prinz Leopold von Bayern ist da und gibt seinen Segen. Ich bin beeindruckt.

Es kommt nicht oft vor, dass ich nach München reise, um dort auf ein Fest zu gehen. Aber manchmal lasse ich mich verlocken.

So war ich mit meiner Freundin Veruschka auf einer Filmpremiere im Gloria-Palast. Der Wunschbaum, ein Straßenfeger, Dreiteiler für die ARD. Endlich, endlich! Eine geglückte Verfilmung. Ein Vergnügen.

In der Hauptrolle glänzt Alexandra Maria Lara. Die Darsteller, die Regie, die Kamera, die Ausstattung, die Kostüme, die Maske und das Licht sind berauschend. Ja, vor allem das Licht ist wundervoll.

Endlich mal ein nicht-deutsches Licht. Ein Licht, für das man sich nicht zu schämen braucht. Ein Licht, mit dem man sich auch im Ausland sehen lassen kann. Warum? Weil es sensibel ist. Endlich mal ein feinfühliges Licht in einem deutschen Fernsehfilm. Danke. Wenn man einmal beobachtet, wie liebevoll in Amerika, Frankreich oder Italien die Stars in Filmen oder Fernsehstudios ausgeleuchtet werden, und dann einen Blick auf die deutsche Beleuchtungskunst wirft, wird einem klar, dass Letztere sich eher für eine Geisterbahn eignet, in der man das Gruseln lernen soll.

Geschlafen habe ich bei Veruschka, denn mein letzter Zug war schon lange abgefahren. Lange lagen wir noch wach, schwärmten seufzend von Valmont. Valmont – der wunderschöne Mann aus Rio de Janeiro, der lange Zeit ihr Romeo war. Ach, komm zurück, Valmont! Wir vermissen dich so. Deine weichen, zärtlichen Augen, deine schönen Lippen, dein Lachen, deinen Körper, die Hände, die Füße, deine glänzenden, schwarzen Locken, deinen Geist und deine Seele.

Ich hatte ihn und Veruschka bei Dreharbeiten zu einem bayerisch-brasilianischen Film kennen gelernt. Seitdem sind wir Freunde.

Schade, dass er plötzlich nach Hause wollte, um dort eine Band zu gründen, und erst zurückkommen will, wenn er berühmt geworden ist und auf Tournee gehen kann. Moqueca de Peixe, deinen Fischeintopf, möchten wir wieder – von dir zubereitet – genießen, und das Dessert mit den vielen Eigelben, noch mehr Zucker und deinem Geheimnis, deine Skulpturen möchten wir bewundern, deiner Gitarre und deinen Gesängen lauschen.

Ja, Valmont, wir lieben dich, und kommst du nicht zu uns, dann kommen wir eben eines Tages zu dir und stehen plötzlich vor deiner Tür. Der Weg zum Ruhm ist eine gefährliche Straße, lieber Valmont. Deine persönliche Freiheit musst du im Tempel des Ruhms zum Brandopfer tragen und zusehen, wie dein normales Menschsein im Rauch verdampft. Mit deinem eigenen Blut wird der Opferaltar gesegnet, werden die Stierhörner gesalbt. Sühneopfer für einen Star, der auf seine Seele nicht verzichten will, werden gefordert. Gnadenlose Richter erheben ihr Haupt und ihre Stimmen oft aus dem engsten Kreis. Die Hyänen der Medien zerfleischen sich gegenseitig und häuten dich bei lebendigem Leib. Wahrhaftig eine schöne Gesellschaft.

Selbst RTL schickt kleine Gladiatoren als Schlachtvieh in den australischen Dschungel, um die Sehnsucht von Zuschauern zu stillen, die gern zuschauen, wie hungrige Schlangen in Terrarien hilflose Mäuschen bei lebendigem Leib verschlingen. Ja, ihr Lieben! Dummheit und Blutdurst setzen sich durch, denn Dschungelcamp wird heute genannt, was früher das Kolosseum war.

Sehnsuchtskarussell

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