Читать книгу Sehnsuchtskarussell - Cleo Maria Kretschmer - Страница 12

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21. Januar

Heute ist Neumond im Wassermann. Ich bin sehr gespannt, was er mir bringt. Er steht für einen Neustart. Neustart wohin? Wassermanntage sind drollig.

Astrologie ist mein Hobby, so wie andere Menschen basteln, sich sportlich betätigen, Seesterne sammeln oder sonst etwas treiben, was ihnen Freude macht. Das Firmament mit seinen geheimnisvollen Zeichen habe ich schon als Kind geliebt. Auch war ich stolz darauf, ein Wassermann zu sein, denn ich habe damals natürlich geglaubt, dass mir das ganze Meer gehört und überhaupt alles, was aus und im Wasser ist. Nixen, Seejungfrauen, Perlen, Korallen, Muscheln, Delfine, Wale und vor allem die Seepferdchen.

Damals hatte ich ja noch keine Ahnung, dass der Wassermann ein Luftzeichen ist, das viel mit Wissenschaft, Ufos, Raumfahrt, Zukunft und allem, was mit Äther und Wellen zu tun hat, korrespondiert. Eine der Haupteigenschaften des Wassermanns ist seine Neugierde, und genau diese Eigenschaft trieb mich im Alter von achtzehn Jahren zu meiner ersten Astrologin, der in den folgenden Jahren noch viele folgten. Irgendwann begann ich dann Bücher zu lesen, studierte den Saturn, den Pluto, die Lillith, den Neptun, die Häuser und was es sonst noch so gibt, und bin jetzt so weit, dass ich die Konstellationen und ihre Wirkungen an mir und anderen lebenden Objekten beobachten kann. Wie gesagt, es ist mein Hobby, und es wird mir niemals langweilig dabei.

Das Wetter ist heute sehr durchwachsen. Ein bisschen Regen, ein bisschen Sonnenschein, und leise rieselt der Schnee.

Euer Ehren, der Herr Kardinal aus dem Bayerischen Wald, erfreut mich mit einem Call aus dem ICE nach Nürnberg und verspricht mir gut gelaunt, sechs Nürnberger Bratwürstel mit einer Extraportion frisch geriebenem Meerrettich für mich mitzuessen. Am Abend selbstverständlich, denn am Mittag isst er ja nichts, wegen der Figur.

Sollte er vielleicht mit dem Neustart gemeint sein? Wir haben uns ja wochenlang nicht gesehen. Unsere erste Begegnung an einem schönen Sonnentag im Oktober letzten Jahres war schon sehr eigenartig gewesen. Fröhlich war ich die Maximilianstraße hinuntergeschlendert, und wenn ich mein Bild in den spiegelnden Schaufenstern der großen Geschäfte sah, war ich mit meinem sexy Outfit und meinem Aussehen sehr zufrieden. Es war einer dieser Tage, an dem man sich noch einmal sommerlich kleiden kann, bevor der Herbst endgültig an die Türe klopft. Hohe, gut sitzende braune Schnürstiefeletten machten meine Beine noch etwas länger, und ein khakifarbener Hosenanzug passte hervorragend zu meinem frisch gewaschenen, rot glänzenden schulterlangen Haar. Das Top war ebenfalls in einem Khakiton, und seine seidige Textur brachte meine Brüste sehr wirkungsvoll zur Geltung.

Serienstar Peppi Krämer hielt an diesem Tag zum ersten Mal nach seinem schweren Motorradunfall und der langen Genesungszeit in seinem Stammcafé Roma Hof und hatte mich eingeladen. Ganz offensichtlich hatte er sich über meine Besuche in den verschiedenen Kliniken doch sehr gefreut, denn er wusste ja, wie schwer es für mich ohne Auto war, ihn in Österreich zu besuchen.

Vor allem, weil ich ja auch kein Geld hatte und mich nicht einfach in einen Zug setzen konnte.

Ich stöckelte also die Maximilianstraße hinunter in Richtung Café Roma und konnte, wie immer, an den Schaufenstern von Hermes nicht vorbeigehen, weil ich die Accessoires dieser französischen Firma einfach liebe. Plötzlich stand ein auf den ersten Blick unglaublich gut aussehender älterer Herr hinter mir und sprach mich an. Er stellte sich vor und fragte, ob ich Maria Mariak sei oder ob er sich täusche. Im selben Augenblick, als ich mich umdrehte und ihn zum ersten Mal erblickte, verpasste ich ihm insgeheim den Namen »Kardinal«, denn seine Haltung und seine Kleidung waren dermaßen edel und distinguiert, dass gleich die Dornenvögel zu flattern begannen.

Wie sich herausstellte, waren wir beide im selben Ort zur Welt gekommen. Zwei Menschen aus Scheideweg trafen sich also hier so einfach per Zufall. Eine Einladung zum Kaffee konnte ich leider nicht annehmen, weil ja der Peppi auf mich wartete. Stattdessen tauschten wir unsere Telefonnummern aus, und die Drähte liefen ein paar Wochen lang heiß.

Er muss sich anstrengen, wenn er etwas von mir will, hatte ich mir gedacht, denn sein Sternzeichen ist der Widder, und einen Widdermann, so wie einen Ex-Freund namens Orshi, wollte ich eigentlich nie wieder.

Ein paar Wochen hatte der Kardinal sich dann nicht gemeldet, jetzt war er wieder da, und er rief heute sogar aus dem Zug an. Olala, gar nicht mal so schlecht. Vor zwei Tagen sei er in Köln gewesen, auf einer Messe, wo er Möbel aus seinem Verlag verkaufen wollte, erfahre ich von ihm. Heute werden ganz geheime Geheimgeschäfte gemacht.

Fast siebzig Jahre alt ist dieser Mann, und er hat eine Energie wie ein Tornado. Würde er seine erstklassig handgenähten Cary-Grant-Anzüge im Schrank lassen und mehr auf Papagallifarben stehen, könnte man ihn locker für den Formel-1-Manager Flavio Briatore halten, obwohl dieser erst Anfang fünfzig ist. Ein gefährliches, geschmeidiges Raubtier ist dieser Mann. Bis jetzt habe ich mich nicht getraut, Stuhl und Peitsche aus der Hand zu legen, sonst geht es mir noch wie dem armen Roy aus Las Vegas.

Dieser Mann, also der Kardinal, muss hunnisches Blut in seinen Adern haben, genau wie ich, denn wir sind ja beide in Scheideweg geboren worden, und das ist mitten im tiefsten Bayerischen Wald, in dem vor langer Zeit die Hunnen siedelten.

All meine Kartenlegerinnen haben mir schon seit drei Jahren einen Mann wie ihn prophezeit: »Dieser Mann, der da kommt, ist älter als du, ist schwerreich, liebt dich über alles, wird dir den Platz in der Gesellschaft geben, der dir zusteht, und dich auf Händen tragen.«

Ach, wie schön! Anscheinend gibt es auch weiße Zigeunerinnen, die dir deine geheimen Wünsche vorspiegeln.

Außerdem ist der Kardinal ohnehin beweibt und damit für mich tabu. Aber gefallen tut er mir schon, weil er so ein charmanter Hallodri ist.

Kaum hat der Herr Kardinal das Liebesgesäusel eingestellt und das Gespräch mit vielen Bussis beendet, klingelt das Telefon erneut. Mein lieber Freund Don Quijote ist am Apparat. Wir kennen uns seit fünfundzwanzig Jahren, er ist von Beruf Architekt. Schon lange kämpft er mit dem Umbau seiner alten Mühle, in der er lebt, und nur sehr schleppend kommt er damit vorwärts. Der Kampf mit diesem widerspenstigen Gemäuer hat ihm den Namen Don Quijote eingebracht. Der Don hat immer die allertollsten Ideen. Ich muss sagen, dass er sich wirklich Sorgen um mich macht, weil er weiß, wie deprimiert ich werden kann, wenn Ebbe in der Kasse herrscht.

»Also«, setzte er an, »meine Freundin hat eine Freundin und die hat einen Freund, und dieser Freund hat wiederum einen Freund, und der muss ganz schnell eine deutsche Frau heiraten und zahlt dafür 10000 Euro cash. Wäre das nichts für dich?«

Gegen Vernunftehen ist im Grunde ja nichts einzuwenden. Und wenn man nur noch 100 Euro besitzt, sind 10000 Euro mehr als vernünftig. Vielleicht ist das ja schon der Mann, den das Schicksal für mich ausersehen hat? Es ist eine feste Bindung, die ich mir wünsche, und etwas Festeres als eine Hochzeit kann es doch kaum geben.

Leider wusste der Don sonst gar nichts über diesen willigen Heiratskandidaten. Doch er vermutet, dass dieser aus Ex-Jugoslawien oder so stammt.

In Jugoslawien, vielmehr im ehemaligen Jugoslawien, war ich ja noch nie. Vielleicht ist dieser Mann aus Kroatien. Kroatien soll wunderschön sein. Auf jeden Fall verabredeten wir uns mal für das Wochenende mit diesem Herrn. Don Quijote will seine niemals fertig werdende romantische Mühle am Fuße der Burg Rain zur Verfügung stellen und bietet sich selbst für die Rolle des Hofmarschalls an. Ich wäre nicht ich, würde ich zu so einem Abenteuer nein sagen. Was, wenn der Märchenprinz persönlich auf seinem weißen Pferd dahergeritten kommt und mich auf sein prächtiges Schloss entführt? Man hat doch schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Das Leben ist voller Wunder.

Eine Freundin von mir hat zum Beispiel für 10000 Dollar einen russischen Fürsten geheiratet. Sie hat in Moskau das Fest ihres Lebens erlebt, in Krimsekt gebadet, sich mit Kaviar eingeschmiert und ihre Hochzeitsnacht mit einem – oder waren es zwei? – berühmten Astronauten verbracht.

Ja! Sein Leben muss man leben, denn tot sein kann man später. Es ist der erste Kandidat, den die Göttin mir zur Ansicht schickt. Das Spiel hat also begonnen.

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