Читать книгу Sehnsuchtskarussell - Cleo Maria Kretschmer - Страница 17
Оглавление1. Februar
Strahlend schön scheint die Sonne schon am ersten Tag meines geliebten Februars, und es ist draußen warm. So warm, dass über Nacht die dicke, weiße Schneedecke einfach weggeschmolzen ist.
Gibt es einen größeren Luxus, als an einem Sonntag bei verlockendem Sonnenschein und Frühlingswärme im Bett zu bleiben? Ich putze mir heute nur die Zähne und ziehe meinen rosa gestreiften Schlafanzug den ganzen Tag nicht aus.
Der Januar war ja köstlich.
Als Bibelleserin weiß ich jetzt, dass unsere Steuern ihren Ursprung in den biblischen Opfergaben haben, bin mithin im Besitz der genauen Bauanleitung für die Bundeslade und kenne die Maße für die bimmelnden Priestergewänder; auch sonst bin ich reicher geworden um die Erfahrung, dass Märchenprinzen aus Ex-Jugoslawien sich oft als liebe, schüchterne, kleine und fleißige Bauarbeiter mit Zahnlücke aus Albanien entpuppen, deren Bauernschlauheit direkt hinter ihren Ohren sitzt. So nach dem Motto: Du heiratest mich, ich gebe dir irgendwann einmal 10000 Euro, ziehe zu dir in deine Wohnung und wenn ich keine Arbeit habe, lebe ich halt von dir. Ich habe Tränen gelacht.
Dafür ist ein anderer Prinz in mein Leben getreten. Ein verwunschener, tief in seinem Inneren trauriger Prinz. Groß, attraktiv und sehr männlich.
Ich nenne ihn den schwarzen Prinzen, weil er nur schwarze Gewänder trägt. Er ist ein Freund von Don Quijote, hat aber mein Interesse gleich bei der ersten Begegnung geweckt. Dem Don Quijote war die albanische Lachnummer anscheinend so peinlich, dass er mich zu seinem und meinem Trost wenigstens zu einem guten Essen in das schöne Wirtshaus in Hinterberg einladen wollte.
»Hast du etwas dagegen, wenn ich einen guten Bekannten mitbringe?«, hatte er gefragt.
»Nur zu, solange er keine Zahnlücke und kurze, krumme Beine hat.« Das zu sagen, konnte ich mir nicht verkneifen.
Ja, und da stand er vor mir, der schwarze Prinz und war mir sofort sympathisch, denn für dramatische Lebensgeschichten habe ich die feinsten Antennen dieser Welt.
Menschen finden sich gegenseitig anziehend, wenn sie den gleichen Schmerz in sich fühlen, obwohl ihnen das nicht bewusst ist. Denn wer macht sich in seinem alltäglichen Leben schon Gedanken über die Wurzeln der Worte, die benutzt werden.
Was, wenn dieser ruhige dunkle Mann der zweite Kandidat der Göttin ist?
»Das Leben ist ein Glücksspiel«, sagte er an diesem Abend. »Und manchmal auch wie ein Russisches Roulett.«
In diesem Moment sah ich den Schmerz in seiner Seele, und ich begann mit ihm zu fühlen.
»Ich würde gerne mit dir am Wochenende zum Essen in mein Lieblingsrestaurant gehen – wenn du Zeit hast? «, sagte er beim Abschied vor meiner Haustür und schaute mich dabei so sehnsüchtig an, dass ich einfach ja sagen musste.
Er hat mich eine Woche später in ein wunderschönes Lokal geführt, das an der B15 zwischen Haag und Wasserburg liegt und als solches gar nicht leicht zu erkennen ist. Der Ramslhof, ein allein stehender prächtiger Bauernhof, verunsichert auf den ersten Blick. Er sieht einfach zu privat aus. Dieser intime Charakter wird innen noch verstärkt. Kostbare Antiquitäten schmücken den Gewölberaum, dazu liebevoll gedeckte Einzeltische und ein offener Kamin, gerahmt von einer dunkelgrünen Marmorkonsole, in dem ein anheimelndes Feuer Wärme verbreitet und einen guten Duft verströmt.
Das lästige Suchen auf der Speisekarte wird den Gästen hier erspart, die Qual der Wahl umgangen, denn man bekommt serviert, was der begabte Koch gerade in seiner Küche gezaubert hat. Frisch gefangener norwegischer Lachs mit extrem klein geschnittenem Ingwer und Frühlingszwiebeln in einer leichten Sojasoße angemacht. Danach eine würzige Bouillon mit hausgemachten Leberspätzle, damit man das Gefühl für Bayern nicht verliert. Und dann ein saftiges zartrosa Rinderfilet mit köstlichem Gemüse und einer Sauce Bernaise vom Feinsten. Alles keine Fünf-Sterne-Küche, wie der ältere, dickgemütliche Wirt immer wieder eifrig betont.
Doch wie ich bald herauskriege, ist er Sternzeichen Krebs und will eigentlich von uns nur das Gegenteil hören. Man nennt so etwas Fishing for Compliments, denn Krebsmenschen hängen ihre Angel gerne weit ins Wasser, weil sie innerlich oft sehr unsicher sind und Streicheleinheiten dringender brauchen als andere die Luft zum Atmen. Es ist köstlich.
Zum Rauchen wird man in das Nebenzimmer gebeten, eine gemütliche Bauernstube, in der ebenfalls ein lustiges Kaminfeuer prasselt. Der schwarze Prinz erzählt mir alles. Wie es war, als er seine Undine traf, und wie tief der Schmerz in seiner Seele sitzt, wenn er an den Tag denkt, an dem sie gemeinsam mit seinem geliebten fünfjährigen Sohn zurück in das Wasser ging, aus dem sie gekommen war. Trotz dieses Schmerzes hat er seine Seele niemals aus sich verstoßen, habe ich den Eindruck. Das adelt ihn. Er gefällt mir. Auch wenn mächtige Feen ihn noch gefangen halten. Vielleicht kennt er den Gesang von der Geburt der Liebe im Herzen. Ein schönes Lied über eine Liebe, die sich im Tod erfüllt und auch im Grab des Sees nicht stirbt.
Ich habe dem Prinzen eine dieser edlen Davidoff-Zigarren mitgebracht, denn ich finde, dass diese wundervoll riechen.
Viel besser als seine stinkigen Zigaretten. Seit neun Monaten bin ich Nichtraucherin. Seit einem Jahr beschränkt sich mein Alkoholkonsum auf ab und zu ein sehr gutes Glas Wein zu einem köstlichen Mahl, am liebsten ein Glas Rotwein, und am allerliebsten Rotwein aus Südafrika.
Das Dessert lockte und verführte auf seinem schönen Teller mit Vanilleeiscreme, Früchten, Schokoladensoufflee und diversen anderen Schönheiten. Der traurige Prinz war glücklich an diesem Abend. Und so beschloss ich, ihn bald wiederzusehen.