Читать книгу Sehnsuchtskarussell - Cleo Maria Kretschmer - Страница 6

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1. Januar

Ich habe Blei gegossen heute Morgen – ein eng umschlungenes, sich küssendes Paar – und mir im Tarot als Jahreskarte Die Liebenden gezogen. Jede Faser meines Herzens frohlockt und sagt ja. Ich werde ihn also endlich treffen, dieses Jahr. Den Mann, auf den ich schon so lange gewartet habe, denn ich bin endlich offen dafür, die Liebe zu empfangen.

Wie wird er wohl sein, dieser Mann, den mir das Schicksal aus der Tüte zaubern wird? Hat er endlich schwarze Locken, grüne Augen, olivfarbene Haut, einen Schmusemund und ein Herz aus Gold? Künstlerische Begabung wäre auch nicht schlecht. Oder wenigstens jemand, der weiß, wie man Geld verdient und etwas Vernünftiges damit macht, einer, der nicht nur ausgeben kann, sondern es auch versteht, etwas Bleibendes aufzubauen.

Ich wünsche mir einen Mann, von dem ich lernen kann, der Humor hat, mich zum Lachen bringt und mir vor allem seine Gefühle zeigt.

Ja – ich glaube, das ist mir jetzt am wichtigsten. Ich wünsche mir einen Mann, der mich von Herzen liebt und mir all seine Gefühle zeigt. Nicht nur die schönen meine ich damit, sondern auch die Ängste, Schuldgefühle, Aggressionen und was es sonst noch gibt.

Vielleicht war ich früher zu sehr auf die Oberfläche eines Mannes fixiert, habe mich von Status oder optischer Schönheit zu sehr blenden lassen. Oder war ich gar in das Gefühl, verliebt zu sein, verliebt? Wie dem auch sei ...

Diesmal will ich wirklich alles, denn ich bin bereit zu empfangen, und zwar alles, was die Gottheit der Liebe mir schicken wird. Ich bin bereit, dieses seelische Traumland zu verlassen, in dem ich die Königin bin, um wieder hier auf der realen Erde zu leben. Innere Welten, in denen man ebenso gut existieren kann wie in der äußeren Welt, waren viele Jahre mein Zuhause, weil mir die irdische Wirklichkeit zu einsam war.

Ich bin Wassermann, doch in meinem persönlichen Horoskop ist das Zeichen Fisch – somit das Reich Neptuns – extrem stark besetzt. Venus, Mars, Jupiter und Mondknoten tummeln sich darin, und entsprechend ist es für mich sehr leicht, der realen Welt zu entfliehen und in den Traumwelten meine Lieblingsrolle zu spielen. Dort bin ich Morgaine le Fay, die Priesterin aus Die Nebel von Avalon von Marion Zimmer Bradley, und diene der großen Göttin.

Meine kleine Wohnung, hier in Dreitorenbach, gleicht ohnehin einem Tempel, und ich habe in jedem Zimmer einen Altar.

Das Bild der Göttin lebt in meinem Herzen, und das, seit ich denken kann.

Vielleicht liebe ich deshalb meinen Namen so sehr. Maria. Mariechen wurde ich als kleines Mädchen gerufen; die Maiandacht war mein Lieblingsgottesdienst. Den Marienkäfer wollte ich als Wappentier haben, und wenn wir in der Schule etwas über Länder lernten, in denen es Göttinnen gab, war ich hellwach.

Dass Dreitorenbach ein Marien-Wallfahrtsort ist, versteht sich von selbst, denn sie, die Maria, und ich, wir beide sind untrennbar. Ich vertraue ihr voll, denn der Mann, der für mich bestimmt ist, kommt von ihren Gnaden. Erkennen muss ich ihn allerdings selbst, denn »Erkenne dich selbst« heißt das Spiel. Ich glaube daran, dass in jeder Liebe der Partner gleichsam ein Spiegel ist, und all das, was wir an ihm lieben oder hassen, ein ungelebter Teil von uns selbst ist.

Ich bin schon so gespannt, was dieses Jahr mir bringen wird – und wo und wann ich ihm begegne.

Sehnsuchtskarussell

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