Читать книгу Sehnsuchtskarussell - Cleo Maria Kretschmer - Страница 14
Оглавление26. Januar
Komisch, immer wenn ich an meinen Vater denke, bekomme ich Appetit auf Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl. Mein Vater war ein grauenvoller Koch, der auf eine klare Spargelsuppe aus der Dose Fettaugen zauberte, indem er einen kräftigen Schuss Speiseöl hineinkippte, oder die nur von ihm geliebten Bohnengerichte mit schaufelweise Mehl so kräftig eindickte, dass der Löffel wirklich darin stecken blieb.
Hätte er uns diese Eigenkreationen wenigstens in einem Blechnapf unten im eiskalten Kohlenkeller serviert, garniert mit russischen Kriegsgeschichten, hätte ich damit leben können. Aber so ... Doch Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl beherrschte er königlich. Wenn man in Frankfurt an der Oder geboren ist, gibt es zwei Dinge, mit denen man sich wirklich auskennt. Mit Fischen und Kartoffeln in jeder Form.
Vor einem Jahrzehnt war ich einmal in der Geburtsstadt meines Vaters und habe dort mit der Starfotografin GABO eine Titelgeschichte über den Boxer Axel Schulz für den Stern produziert. Dabei stellte ich fest, dass es dort von Anglern und Kartoffelrestaurants nur so wimmelt. Ein Zeichen dafür, dass Fische und Kartoffeln an der Oder wirklich geliebt werden, und was man liebt, damit kennt man sich aus.
Dem Rest meiner Familie hat es vor diesem Leinölzeugs gegraust, denn im Bayerischen Wald nimmt man so etwas höchstens zum Verdünnen von Ölfarbe. Was tut man nicht alles aus Liebe, hat meine Mutter dabei immer verzweifelt gescherzt, doch in Wahrheit nur um des lieben Friedens willen. Aber mir hat dieses Gericht schon allein wegen seiner preußischen Exotik ganz wunderbar geschmeckt.
Frau Holle hat heute Nacht Überstunden gemacht, denn draußen liegt fünfundzwanzig Zentimeter dicker, feuchter Neuschnee.
Ideal zum Schneemannbauen. Dazu leuchtet der Himmel in einem strahlenden Blau, ein Wetter wie für den Kaiser.
Die Kartoffeln sind aufgestellt, der Quark mit ein wenig Magermilch, einer Prise gebranntem Curry, Kurkuma, Kreuzkümmel, Pfeffer, Griechenklee, Bierhefeflocken und dazu frisch gemahlenem, naturreinem Meersalz angerührt. Kalt gepresstes Leinöl steht bereit. Es ist besonders gut bekömmlich und von hoher ernährungsphysiologischer Bedeutung. Es enthält zirka 72 Prozent der unverzichtbaren, mehrfach ungesättigten essenziellen Fettsäure, die unser Körper nicht selbst bilden kann, und unter anderem von allen Speiseölen den höchsten Gehalt an wertvollen Omega-3-Fettsäuren. Mmmh, mir läuft das Wasser im Mund zusammen. So etwas Tolles hat der strenge Papa für uns gekocht, und wir lausigen Hinterwäldler haben das nicht zu schätzen gewusst.
Wenn man das Ganze dann zu einem richtigen Kartoffelquarkbrei in seinem Teller zusammenmanscht, das Leinöl und frisch gehackte Kräuter darübergibt, entsteht daraus eine richtige Omegabombe, die dann so schmeckt wie Dotterblumen riechen.
Ich liebe die Kartoffeln.
Ich liebe Frankfurt an der Oder.
Ich liebe meinen Vater.
Gott hab ihn selig.