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1. Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG

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Der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz fordert nicht die unbedingte Gleichstellung aller Sachverhalte im Gesetz. Nach der „neuen Formel“ des BVerfG liegt eine unzulässige Ungleichbehandlung vielmehr nur dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine derart substanziellen Unterschiede bestehen, welche die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.[13]

Durch § 55 Abs. 3 SGB XI werden Kinderlose im Verhältnis zu den Personen ungleich behandelt, die ihren Kinderwunsch erfüllen können. Beide Gruppen unterscheiden sich jedoch dadurch, dass diese einen generativen Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung leisten, jene aber nicht. Dies begründet einen durchaus substanziellen Unterschied im Hinblick auf das Ziel der Regelung, die beitragsrechtliche Besserstellung von Beitragszahlern mit Kindern zu bewirken: Das BVerfG[14] war der Auffassung, es sei mit Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG unvereinbar, „dass Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden“. Das BVerfG[15] verlangte daher, dass die Versicherten regelmäßig für den Schutz vor einem altersspezifischen Risiko durch die Sozialversicherung sowohl einen monetären, als auch einen regenerativen Beitrag leisten. Erbrächten sie lediglich den monetären, nicht aber den regenerativen Beitrag, müssten sie diesen Ausfall durch einen höheren monetären Beitrag ausgleichen.

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Indes werden alle kinderlosen Versicherten zu einem Beitragszuschlag herangezogen. Sie werden gleich behandelt, obwohl die Kinderlosigkeit auf unterschiedlichen Gründen beruhen kann – sowohl auf einer höchstpersönlichen Entscheidung über die eigene Lebensgestaltung als auch auf der medizinischen Unfruchtbarkeit. Es ist jedoch fraglich, ob die Motivation, Kinder zu bekommen, einen derart substanziellen Unterschied zwischen beiden Gruppen begründet, dass eine Differenzierung nach dem Grund der Kinderlosigkeit geboten ist.[16] In letzter Konsequenz wird damit die Frage aufgeworfen, ob allein die subjektive Bereitschaft Kinder aufzuziehen, eine beitragsrechtliche Privilegierung im Recht der sozialen Pflegeversicherung nach sich ziehen muss. Das BVerfG hat seine umstrittene Forderung nach der beitragsrechtlichen Entlastung von Eltern auf den in Art. 6 Abs. 1 GG verankerten besonderen Schutz der Familie gestützt. Dieser Gedanke kann schlechterdings nur Personen betreffen, die als Familie leben, setzt also das Vorhandensein von Kindern zwingend voraus. Es ist daher bereits fraglich, ob überhaupt eine Ungleichbehandlung vorliegt.

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