Читать книгу Der Tote vom Oberhaus - Dagmar Isabell Schmidbauer - Страница 14
Оглавление„Ist Walter noch da?“, fragte Franziska und hoffte dass Carlos sie auch zum zweiten Mal an diesem Tag kommentarlos einlassen würde. Doch die Proben waren beendet, und Carlos war in Plauderstimmung.
„Schon wieder Walter! Warum besuchst du nicht mal mich?“
Er nahm eine Pose ein, die Franziska beeindrucken sollte, und bedachte sie dann mit einem zweideutigen Blick.
Franziska verkniff sich zu sagen: Es ist nicht so, wie du denkst. Denn dieser Satz war absolut verbraucht. Sie selbst konnte sich an Dutzende Situationen erinnern, in denen ein Zeuge zu ihr gesagt hatte: „Es war nicht so, wie Sie denken, Frau Kommissarin!“
„Ich muss ihn sprechen. Es ist wichtig“, gab Franziska patziger als beabsichtigt zurück.
„Na klar, war ja auch nur ein Versuch. Komm rein!“ Carlos schenkte ihr ein beschwichtigendes Lächeln und gab die Tür frei. Mit dem Kopf zeigte er nach nebenan. „Er ist in der Werkstatt, zumindest hab ich ihn dort noch vor ein paar Minuten gesehen.“
Franziska ging den kurzen Gang entlang, blieb vor den beiden Türen stehen und lauschte. Hinter der rechten glaubte sie den Mezzosopran der Katharina Eschenbacher zu hören, war sich aber nicht ganz sicher. Die linke Tür stand einen Spalt offen. Ohne zu zögern, drückte sie die Tür zur Werkstatt auf, schlüpfte hinein und schloss sie sorgfältig hinter sich.
„Das ging aber schnell.“
Walter kam auf sie zu, lächelte erfreut und wollte sie gerade umarmen, als Franziska ihn anfauchte: „Warum hast du mir nichts davon gesagt?“
Verwirrt zog er seine Hände zurück und schaute sie fragend an. „Von was hab ich dir nichts gesagt?“
„Dass du im Oberhausmuseum arbeitest!“
„Hätte es dich interessiert?“Walter wich einen Schritt zurück. Er lächelte unsicher.
„Ja!“
„Warum?“ Der Bühnenkünstler schüttelte verwirrt den Kopf.
„Weil dort heute ein Mann erstochen wurde und du in den Fall verwickelt bist!“
„Spinnst du?“, keuchte Walter und sah Franziska ungläubig an.
Dann drehte er sich weg und begann, einige Dinge auf der Werkbank hin und her zu rücken. Franziska beobachtete ihn bei dieser nutzlosen Tätigkeit, wartete aber, bis er sich wieder zu ihr umdrehte.
„Ein Toter im Oberhaus. Und du glaubst, dass ich etwas damit zu tun habe?“, fragte er schließlich.
„Du hattest einen Schlüssel zu der Tür, hinter der er gefunden wurde“, erklärte sie und versuchte, ihre Emotionen herauszuhalten.
Walter nickte, schob seine Hände in die Taschen seiner Shorts und holte sie verwundert wieder heraus – sie waren leer.
„Und was soll das beweisen?“
„Erst einmal nichts“, lenkte Franziska ein. „Aber nur, wenn du ein Alibi hast!“
„Dich.“ Walter lächelte unsicher.
„Hast du vielleicht noch ein besseres?“ Franziska fand das alles überhaupt nicht spaßig.
„Ein besseres als dich? Die Oberkommissarin?“Walter grinste anzüglich, gerade so, als habe sie nur einen Spaß gemacht. Dennoch lehnte er sich unsicher an der Werkbank an.
„Ganze zwei Stunden nach der Tat“, fuhr sie ihn genervt an, weil jetzt einfach nicht die richtige Zeit für seine Spielchen war.
„Du hast mich in der Hand.“ Er lächelte bitter, und als sie noch immer nichts sagte, fragte er: „Macht dir das wenigstens Spaß?“
„Nein, es macht mir überhaupt keinen Spaß!“, rief Franziska enttäuscht. „Aber vielleicht machst du das ja mit Absicht! Vielleicht ist es dir gar nicht ernst, und du bist heilfroh, wenn du dich nicht auf mich einlassen musst!“
Walter löste sich von der Werkbank und kam auf Franziska zu. Er nahm ihre Hände in die seinen und schaute sie ruhig an. „Also gut. Ja, ich habe ein Alibi. Ich war hier.“
Er schenkte ihr eines seiner bezaubernden Lächeln und wartete darauf, dass sie sich damit zufriedengab.
„Kann das jemand bezeugen?“ Franziska schluckte schwer an ihren Gefühlen für ihn.
„Carlos, Katharina, Nina … Ich weiß nicht, wer noch alles bei der Probe war.“
„Und haben die dich auch alle gesehen?“
„Das musst du sie schon selber fragen.“ Er ließ ihre Hände so plötzlich los, dass sie wie bei einer Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hatte, nach unten fielen. „Aber sag mir eines: Warum hätte ich so etwas tun sollen? Warum sollte ich jemanden erstechen? Und womit überhaupt – mit meinem Langhaarpinsel?!“
„Mit einer Partisane!“
„Mit einer was?“
„Er wurde mit einer Art Stoßlanze getötet.“ Franziska wusste, dass sie Walter mit Informationen versorgte, die sie ihm in dieser Situation nie hätte geben dürfen.
„Das ist doch vollkommen absurd“, begehrte Walter auf.
„Sie lag in dem Raum, in dem du die Skizze gemacht hast. Vielleicht hat dich das Opfer bei deiner Arbeit gestört? Du bist erschrocken, hast die Waffe ergriffen und ihn aus Versehen getötet.“
„Aus Versehen?“, fragte Walter höhnisch.
„Ja“, bestätigte Franziska und hoffte inbrünstig, dass alles nur ein Missverständnis war, dass der Mann, der sie noch vor ein paar Stunden auf so wunderbare Weise verführt hatte, nichts, aber auch gar nichts mit dem Mord an Xaver Mautzenbacher zu tun hatte.
„Nein!“, schrie Walter so laut in ihre Gedanken hinein, dass Franziska zusammenzuckte. Für einen Moment fürchtete sie, die ganze Sängerschar würde zur Tür herein kommen, um nachzusehen, was hier los war.
„Schrei doch bitte nicht so“, bat sie flüsternd und schaute ihn hilflos an. „Ich kann doch auch nichts dafür. Warum musst auch ausgerechnet du einen der beiden Schlüssel haben? Und warum hast du ihn überhaupt stecken lassen? Es ist doch deiner, oder?“
Sie dachte an die leeren Hosentaschen, die Walter ihr vor wenigen Minuten noch gezeigt hatte.
„Ja, es ist meiner. Ich habe ihn stecken lassen, weil ich es eilig hatte, ob du es glaubst oder nicht! Ich habe mich auf den Nachmittag mit dir gefreut. Da kann man schon mal vergessen, einen Schlüssel abzuziehen!“
Franziska wollte ihn sanft am Arm streicheln, aber Walter schüttelte ihre Hand ab.
„Auf was wollen wir uns denn jetzt einigen?“, fragte sie und unterbrach damit das eisige Schweigen.
„Einigen?“, fragte Walter mit ausdruckslosem Blick, bis sich sein Gesicht plötzlich erhellte. „Ach, ich verstehe. Du willst nicht, dass dein Kollege weiß, dass du hier warst!“ Sein gequältes Lächeln klang bitter. „Du fürchtest dich vor seiner Eifersucht.“
„Hannes ist doch nicht eifersüchtig!“
Überrascht lachte Walter auf. „Ach, Franziska, ich hab doch gesehen, wie er dich anschaut!“
„So ein Quatsch!“ Franziska schüttelte kurz den Kopf. „Hannes ist mein Kollege, mehr nicht.“
Walter nickte resigniert. „Franziska, du würdest es doch gar nicht merken, wenn sich ein Mann nach dir verzehrt.“
In diesem Moment kam Franziska ihr ehemaliger Chef in den Sinn. Der war von einer schönen Frau angebaggert worden, weil sie von ihm wissen wollte, wie seine Ermittlungen liefen.
Was, wenn Walter sie auch nur benutzte?
Was, wenn ihr das Gleiche passierte, wie Berthold Brauser?
„Willst du unsere Freundschaft beenden?“, fragte Walter in die Stille hinein.
Franziska schloss die Augen. Es fiel ihr sehr schwer zu sagen, was sie sagen musste. Aber Walter hatte ein Recht darauf, dass sie ehrlich zu ihm war.
„Nein, natürlich nicht. Aber wir sollten uns nicht mehr treffen, bis ich weiß …“ Sie brach mitten im Satz ab, um die richtigen Worte zu finden.
„Bis meine Unschuld erwiesen ist?“
„Ja. Nein. So ein Blödsinn. Aber versteh mich doch!“
„Ich versteh schon. Du willst deine Karriere nicht ruinieren.“ Walter nickte. Und sah dabei unheimlich traurig aus.
Franziska gab sich einen Ruck und wandte sich zur Tür. Kurz davor blieb sie noch einmal stehen und sah sich um.
„Ich will das alles nicht. Aber ich muss es einfach tun. Verstehst du das?“
Dann ging sie, ohne Walter Gelegenheit zu geben, sich noch irgendwie von ihr zu verabschieden.