Читать книгу Der Tote vom Oberhaus - Dagmar Isabell Schmidbauer - Страница 20

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„Glaubst du mir jetzt, dass du nur Gespenster gesehen hast?“

Franziska und Hannes hatten ihren Wagen auf dem Besucherparkplatz abgestellt und gingen zu Fuß durch die weitläufige Burganlage.

„Immerhin passen die gut zu diesen alten Gemäuern.“ Franziska zeigte auf das erste Burgtor und den dahinter liegenden Durchgang.

„Ja, aber irgendwie nicht zu Schneidlinger. Er ist bemüht. Er will ein gutes Klima. Ich kann eigentlich nichts an ihm aussetzen.“

„Schon gut, schon gut“, wiegelte Franziska ab und konzentrierte sich auf das kommende Gespräch. Sie hatten den Eingangsbereich und mit ihm den Kassentresen erreicht.

„Frau Meisel?“, sprach die Kommissarin eine schlanke ältere Dame an, die trotz der Hitze in einem dunklen Leinenkostüm hinter der Kasse saß. Franziska zeigte ihren Ausweis. „Franziska Steinbacher von der Mordkommission Passau. Ich hätte ein paar Fragen an Sie.“

„Oh, ja, natürlich. Einen Moment bitte, ich muss nur noch schnell die nächste Gruppe abkassieren!“

Franziska nickte und stellte sich, um Platz zu machen, zu einem Tisch, auf dem Prospekte ausgelegt waren. Hannes folgte ihr. „Wahnsinn, was man in Passau alles anschauen kann. Wusste gar nicht, dass wir in einer so interessanten Stadt leben.“

Franziska sah Hannes prüfend an. Doch er schien es ernst zu meinen.

„Man nimmt sich einfach zu wenig Zeit …“

„So, ich wäre jetzt so weit.“ Mit federnden Schritten kam Petra Meisel zu ihnen herüber. „Heute ist hier die Hölle los.“ Franziska nickte. Obwohl noch nichts in der Zeitung stand, hatte sich die Nachricht von einem Toten in der Burg natürlich blitzschnell herumgesprochen.

„Sie saßen gestern Nachmittag an der Kasse?“, begann Franziska mit ihren Fragen.

„Ja, von eins bis fünf!“

„Und erinnern Sie sich auch an diesen Mann?“ Franziska hielt der Kassiererin das Foto aus Mautzenbachers Wohnung entgegen.

„Ja, sicher“, bestätigte die Frau. „Sehr gut sogar. Ein ganz außergewöhnlicher Mann.“

Franziska straffte die Schultern. Es wurde spannend. „Wie meinen Sie das?“

„Nun, es war ein Mann ohne Seele!“

Die beiden Kommissare wechselten einen schnellen Blick und sahen dann wieder zu Petra Meisel.

„Ist Ihnen das noch nie aufgefallen?“, fragte diese ganz selbstbewusst und lieferte gleich darauf die Erklärung. „Wenn Sie einen Menschen anschauen, ich meine so richtig anschauen – nicht nur ins Gesicht, sondern in die Augen und durch die Augen hindurch, bis in die Seele … dann erst wissen Sie, wen Sie vor sich haben!“

Sie ließ den Kommissaren Zeit, um ihre Ansicht zu verinnerlichen.

„Nicht jeder Mensch ist gleich. Es gibt Menschen, die haben eine junge“, sie lächelte, „beinahe verspielte Seele. Die müssen noch viel durchmachen, um zu reifen. Und dann gibt es Menschen, die haben eine alte Seele, eine, die schon viele Leben hinter sich hat. Sie ist voller Weisheit und Erfahrung, und man merkt das den Menschen mit so einer alten Seele auch an. Ja, und dann gibt es noch die ohne Seele, ohne Gewissen. Die sind zu allem fähig. Wenn ich solche Leute treffe, dann schaudert es mich, aber es ist auch sehr interessant, sie zu beobachten.“

„Gibt es viele solcher … Seelenlosen?“, fragte Franziska und merkte zu spät, worauf sie sich da gerade eingelassen hatte.

„Oh ja! Aber es ist mir selten so sehr aufgefallen wie bei diesem Mann!“ Petra Meisel zeigte auf das Foto, das Franziska noch immer in der Hand hielt. Sie sah nun selbst darauf, suchte in seinem Blick nach einem Merkmal, um künftig Menschen ohne Seele erkennen zu können, als Hannes sich räusperte.

„War der Mann allein, oder war er in Begleitung?“, fragte er, um wieder auf ihr eigentliches Anliegen zurückzukommen. Im Vergleich zu seiner Kollegin hatte sich Hannes nämlich überlegt, wie sich die Exkursion in die Seelenvariationen der Menschheit in ihrem späteren Bericht machen würde.

„Er war allein. Zumindest kaufte er sich nur ein Einzelticket.“

„Ihnen ist also niemand aufgefallen, der sich für Herrn Mautzenbacher interessiert hätte?“, fragte Hannes eindringlicher.

„Nein, offen gestanden nicht.“

„Dann eine andere Frage: Kennen Sie diesen Mann?“ Hannes zog ein Foto von Walter Froschhammer aus seinem Notizbuch, und als Franziska erkannte, um wen es sich handelte,

sog sie hörbar die Luft ein. Hannes stieß sie mit dem Ellenbogen unauffällig in die Seite.

„Aber das ist doch der Künstler, der die neuen Räume gestaltet, dieser …“, sie überlegte, schien aber nicht auf seinen Namen zu kommen. Dann huschte ein feines Lächeln über ihr Gesicht. „Dieser Mann hat zum Beispiel eine alte Seele, sehen sie!“ Sie zeigte auf seine Augen.

„Können Sie das auf einem Foto erkennen?“, fragte Franziska ungläubig.

Petra Meisel lachte. „Nein, natürlich nicht. Aber ich habe mich schon ein paar Mal mit ihm unterhalten. Er geht ja hier ein und aus. Und er ist einfach faszinierend, wenn ich das so sagen darf.“

Um ein Haar hätte Franziska sie gefragt, ob der Künstler sie am Ende schon gemalt hatte, als Hannes die beiden Frauen wieder auf Kurs brachte.

„Walter Froschhammer war gestern Nachmittag in der Burg. Haben Sie ihn gesehen?“

„Walter Froschhammer, genau, so heißt er.“ Frau Meisel sah Hannes an und nickte. „Ja. Er kam, als ich gerade anfing.“

Hannes ließ nicht locker. „Und wann ging er wieder?“

„Hm, lassen Sie mich mal überlegen. Vielleicht so gegen zwei? Zumindest glaube ich, dass ich ihn da gesehen habe. Da kam ein Geschichtskurs aus dem Adalbert-Stifter-Gymnasium, die hatten sich für die Führung ‚Von der mittelalterlichen Burg zur barocken Festung‘ angemeldet. Gestern war ganz schön was los“, fügte sie erklärend hinzu.

„Das heißt, Sie wissen nicht mit Sicherheit, ob Walter Froschhammer um zwei Uhr das Oberhaus verlassen hat?“, versuchte Hannes die Aussage von Petra Meisel zu präzisieren.

„Nein. Sicher bin ich mir nicht.“


Der Tote vom Oberhaus

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