Читать книгу Der Tote vom Oberhaus - Dagmar Isabell Schmidbauer - Страница 16
ОглавлениеAls Franziska am Dienstagmorgen die Glastür zum Flur der Mordkommission aufstieß, trug sie eine enge Jeans, bequeme Sandalen und ein ärmelloses Shirt. Über der linken Schulter hing ihre braune Wildledertasche, in der sie stets alles bereithielt, was sie während ihrer Ermittlungsarbeiten brauchte. Zusätzlich hatte sie eine Tasche mit zwei Flaschen Mineralwasser und einem Vorrat an Müsliriegeln dabei. Am gestrigen Abend hatte sie alle wesentlichen Informationen im Fall Mautzenbacher in ihr grünes Notizbuch eingetragen und war nun bereit, sich in die Ermittlungen zu stürzen.
„Guten Morgen Ramona!“, rief sie der Sekretärin zu, als sie gerade an deren Schreibtisch vorbeilief. „Na, womit beschäftigst du dich denn schon in aller Herrgottsfrühe?“
„Das sind die Zeugen, die ich vorladen soll“, erklärte sie und sah von ihrer Liste auf. „Der Chef ist auch schon da.“
„Und Hannes?“
„Stell dir vor, sogar Hannes war heute pünktlich!“
Franziska nickte verschwörerisch und ging in ihr Büro.
An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Steht eigentlich schon was in der Zeitung?“
„Nein.“
„Sehr schön.“
Als sie gerade die Bürotür öffnen wollte, hörte sie, wie jemand ihren Namen rief.
„Ach, Frau Steinbacher, kommen Sie doch bitte mal in mein Büro!“
Franziska drehte sich um, sah den neuen Chef im Flur stehen, lächelte und versprach: „Ja, natürlich. Sofort.“
Gleich darauf schloss Franziska die Tür zum Chefzimmer und nahm auf dem angebotenen Stuhl Platz. Während sie darauf wartete, dass Schneidlinger das Gespräch eröffnete, schaute sie sich kurz um. Es war Berthold Brausers ehemaliges Büro, auch wenn nichts mehr an den alten Chef erinnerte. Statt der schäbigen Möbel, wie sie im ganzen Haus als Einrichtung dienten, gab es einen modernen Schreibtisch aus Buchenholz und Edelstahl. In einer Ecke des Raumes stand ein Tischchen mit zwei zierlichen Sesseln, neben dem Waschbecken ein moderner Kaffeeautomat. Schneidlinger hatte eine Tasse vor sich stehen, der Kaffee darin roch köstlich. Trotzdem lehnte Franziska sein Angebot ab. Er würde irgendwann schon noch begreifen, dass sie nur Tee trank.
„Sie haben sich bereits in den Fall eingearbeitet?“, begann Schneidlinger endlich.
Franziska nickte, ohne weiter darauf einzugehen.
„Gut. Ich möchte eine Sache von Anfang an klarstellen.“
Schneidlinger rührte eine Weile in seinem Kaffee, und Franziska befürchtete schon, er habe den Faden verloren.
„Egal, worauf Sie in diesem Fall stoßen, egal, welche Zeugen Sie vernehmen und egal, welche Beweise Sie sichern“, ohne auch nur einen Gesichtsmuskel zu bewegen, blickte er Franziska fest in die Augen, „ich will über alles genauestens informiert werden. Ich erwarte von Ihnen ausführliche Berichte. Ist das klar?“
Franziska nickte. Und fühlte sich ertappt. Hatte Hannes ihm von Walter Froschhammer erzählt? Vielleicht die Kollegen oder Samantha Halmgaard? Franziska rutschte auf ihrem Stuhl nach vorn, wollte gerade zu einer Beichte ansetzen, als Schneidlinger zu lächeln begann und hinzufügte: „Ja, dann - fangen Sie an! Man muss die Spuren auswerten, solange sie frisch sind.“
„Ja, natürlich“, antwortete Franziska verunsichert und erhob sich. Sie hielt das Gespräch für beendet.
„Ist ja wirklich zu schade, dass Sie keinen Kaffee mögen. Ich könnte ohne meinen Koffeinkick überhaupt nicht mehr arbeiten.“ Dann warf er einen Blick auf die Uhr. „Wir treffen uns um zehn zu einer Besprechung. Ich möchte, dass Sie und Hollermann die Kollegen mit allen Fakten vertraut machen.“
Franziska stand auf und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sie spürte seinen Blick in ihrem Rücken und fühlte sich durchschaut. Hatte Hannes etwas mit dieser Belehrung zu tun? Egal, mit diesem Gespräch hatte sich Schneidlinger bei ihr viele Sympathiepunkte verspielt, und sie beschloss, dass dieser neue Chef von ihr immer nur hieb- und stichfeste Beweise und ausnahmslos Dienstliches erfahren würde.