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Ziele und Argumentation der Münsteraner Liga
ОглавлениеIn der Bittschrift5 wurde keineswegs die völlige Abschaffung der kirchlichen Bücherzensur gefordert, sondern lediglich Milderungen und Modifikationen des geltenden Rechts erbeten.
Eine zentrale Bitte war die Beseitigung der namentlichen Verbote. Ein Buch konnte auf zweierlei Weise verboten sein: Entweder, indem es namentlich per Dekret verboten und dann in den Index aufgenommen wurde, oder es war verboten, weil es von einer der allgemeinen Indexregeln betroffen war. So waren zum Beispiel alle Werke der „Häresiarchen“ Luther, Calvin und Zwingli für Katholiken per se nicht erlaubt. Gleiches galt für diejenigen Bücher, die vermeintlich gegen den Glauben und die guten Sitten verstoßen.6
Die Index-Bittschrift schlug vor, statt einzelne Werke namentlich zu indizieren, sollten „im Vertrauen auch auf die aus eigener Kraft sich durchdringende, selbständig werbende Kraft der Wahrheit“7 nur noch die allgemeinen Indexregeln gelten und diese zeitgemäß umgestaltetet werden.
Wenn der Papst die Abschaffung der namentlichen Verbote nicht für möglich hielte, sollte doch wenigstens alles beseitigt werden, was „dem germanischen Volksgewissen aufs allertiefste widerspricht“: nämlich die Verurteilung ohne vorherige Anhörung des Angeklagten, die Geheimhaltung der Indizierungsgründe und die Verpflichtung des Verurteilten zum Schweigen, ohne dass eine Schweigepflicht für die Gegner des Verurteilten bestünde. Dem Autor sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, sich schriftlich und mündlich zu verteidigen und vor der Indizierung sein Werk zurückzuziehen und beanstandete Stellen zu ändern.8 Mit Blick auf die Leser wurde eine Abschaffung der Exkommunikation als Indexstrafe angeregt.9 Ferner sollte der Beichtvater die Möglichkeit bekommen, den Dispens zur Lektüre verbotener Bücher auszustellen.10 Nach den bisherigen Regelungen lag diese Vollmacht bei den Bischöfen und den römischen Zensurbehörden.
An der bestehenden Zensurpraxis bemängelten die Autoren der Bittschrift, dass sie dem wissenschaftlichen Fortschritt im Weg stehe und die Kluft zwischen Wissenschaft und Glauben vergrößere.11 Die Werke „tiefgründiger Forscher und wahrhaft christlicher Vorkämpfer“ seien oft besonders gefährdet wegen der „Denunziationsbegier (...) kurzsichtiger Gemüter“.12 Dagegen würde „dem Mutternamen der Heiligen Kirche (...) eine liebevolle Beratung entsprechen, die geleitet wird von dem ruhigen Vertrauen, daß alle Wissenschaft notwendig schließlich doch im Brennpunkte der Wahrheit zusammenfließen muß“.13
Durch namentliche Indizierungen könne vor zensurwürdigen Publikationen wegen ihrer großen Zahl nicht wirksam geschützt werden. Hier werde vielmehr „selbstverantwortliches Handeln jedes einzelnen zur heiligen Pflicht“.14 Die notwendige Schulung der gebildeten Katholiken, um alles in Christus zu erneuern, sei nicht möglich, „wenn selbst unentbehrliche Werke, wie Kants Kritik der reinen Vernunft namentlich verboten werden, wenn also selbst inmitten der Geisterschlacht das geistige Fastengebot des Index gilt“.15
Dadurch, dass die Erlaubnis, verbotene Bücher lesen zu dürfen, bei der bischöflichen Behörde und nicht beim Beichtvater eingeholt werden müsse, habe der Index seine Funktion als Seelenführer eingebüßt. Er laufe Gefahr, zum Kampfmittel der Parteien und Strömungen zu werden und so der Wissenschaft zu schaden.16
Die Zensurprozesse wurden als unzeitgemäß empfunden, da sie nicht den modernen rechtsstaatlichen Standards entsprachen. Die Verteidigungsmöglichkeiten des Autors waren gering, und durch die nicht gewährte Akteneinsicht blieb der Autor über die Begründungen des Verbots seines Buches im Einzelnen meist im Unklaren.
Während Indexapologeten argumentierten, durch den Index schütze die Kirche ihre Kinder vor Irrtümern, stand in der Bittschrift: „Der Vater wird wohl dem unmündigen Kinde, nicht aber dem erwachsenen die Namen der Bücher vorschreiben, die gefahrbringend und bei Strafe zu meiden sind.“17 Formulierungen wie diese zeugen von einem neuen Selbstbewusstsein der Laien:18 Mit Hilfe der allgemeinen Indexregeln sollte der mündige Katholik selbst die Gewissensentscheidung fällen, welche Bücher er zu meiden habe.