Читать книгу Eigensinn und Bindung - Daniel Hoffmann G. - Страница 40
Gertrud von le Fort (1876 – 1971) Gertrud von le Fort
Zwischen christlicher Moderne und evangelischer Katholizität Aleksandra Chylewska-Tölle
ОглавлениеAls Gertrud von le Fort im Jahr 1956 durch die Katholische Theologische Fakultät der Universität in München mit dem Titel eines Dr. theol. h. c. ausgezeichnet wurde, fand dies im katholischen Deutschland ein gewaltiges Echo, weil ihr als erster Frau diese Würde zuteil wurde. Bereits seit den 20er-Jahren galt sie in vielen Leserkreisen als „katholische Dichterin“, und zwar aufgrund der ihre Werke konstituierenden Elemente wie der Wahrung katholischer Tradition oder der Beschreibung katholischer Bräuche und der Schönheit der Liturgie. Dennoch ist es unmöglich, das Werk le Forts in irgendeiner Weise theologisch zu vereinnahmen. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Theologie für ihre Dichtung methodisch irrelevant war. Sie selbst bemühte sich darum, falsche „Theologisierungen“ ihres Werkes abzubauen.
Gertrud von le Fort war keine Theologin und sie betrachtete ihr Gesamtwerk nicht als eine dienende, eine ancilla-Funktion der Theologie. Sie war auch keine Philosophin, wie Joël Pottier zu Recht vermerkt, sondern eine Dichterin, die „in Bildern und Visionen lebte“,1 die aber zugleich philosophisch-theologisches Gebiet betreten hat. In ihren Werken, aber auch in der umfangreichen Korrespondenz und in den autobiographischen Schriften, begriff sie die „Mysterientheologie“ als Kern der Auseinandersetzung mit dem Christentum. Gemeint war hier das erneuerte Verständnis der christlichen Religion in ihrem Geheimnischarakter und die erneuerte Besinnung auf die Realität der sakramentalen Anwesenheit Christi auf Erden. Die letztlich von der Kirche so hoch geschätzte Gertrud von le Fort hatte jedoch lange auf eine öffentliche Anerkennung ihrer Arbeiten warten müssen. Um ihre Bedeutung im katholischen Milieu Deutschlands deutlich zu machen, muss deshalb zunächst kurz auf ihr Werk eingegangen werden.