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Wissenschaftliche Rezeption des Werkes

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Die Pluralität der Perspektiven, Methoden und nicht zuletzt auch der persönlichen Voraussetzungen, mit welchen die Forschung den Werken Gertrud von le Forts begegnet, ist mittlerweile unüberschaubar geworden und lässt deshalb jede Darstellung des Forschungsstands19 und der Rezeption unvermeidlich als bruchstückhaft erscheinen. Neben Literaturwissenschaftlern beschäftigen sich vor allem Philosophen und Theologen mit der le Fortschen Dichtung, und dies schon längst über den deutschen Sprachraum hinaus.

Ein bedauernswerter Mangel ist zweifellos das Fehlen einer historisch-kritischen Ausgabe der Werke Gertrud von le Forts als unabdingbare Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung. Größtenteils unerforscht blieb darüber hinaus der im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar aufbewahrte Nachlass der Dichterin, wobei jedoch mittlerweile ein zunehmendes Interesse an einer Auswertung der Korrespondenz Gertrud von le Forts zu beobachten ist. Erwähnenswert sind auch die Ausstellungen und die dazu veröffentlichten Kataloge, welche noch in enger Zusammenarbeit mit Eleonore von la Chevallerie, der letzten Sekretärin Gertrud von le Forts (1961 – 71), zusammengestellt wurden.20

Besonders zwischen 1945 und 1955, auf dem Höhepunkt des Ruhms der Autorin, entstanden zahlreiche Arbeiten zu ihrem Werk. In ihnen werden meist Bezüge zu den theologischen Quellen aufgezeigt sowie Parallelen zur dogmatischen Gestaltung ihrer Themen präsentiert. Ansätze zu einer Betrachtung unter konfessionellen Gesichtspunkten bleiben häufig an der Oberfläche einer statistischen Aufzählung und Gruppierung und begnügen sich mit äußerlicher Betrachtung christlicher Motive in einzelnen Werken. Bei der Durchsicht dieser Forschungsliteratur ist festzustellen, dass die meisten Beiträge paradigmatisch orientiert sind und der sprachlichen Präsentation der religiösen Thematik kaum Aufmerksamkeit widmen. Sie konzentrieren sich vielmehr auf die den le Fortschen Werken zugrunde liegende religiöse Sicht und zeigen häufig den Zusammenhang zwischen dem religiösen Paradigma der Dichterin und ihrer Dichtung auf. Darüber hinaus werden spirituelle und moralisch-didaktische Bedeutungsinhalte behandelt. Ihren Bezugspunkt finden diese Arbeiten in der Erschütterung durch die Kriegsfolgen. Sie sind weniger eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der le Fortschen Dichtung, sondern suchen in ihr vielmehr eine „Botschaft“ für die Nachkriegszeit. Die theologisch-philosophischen Darstellungen vernachlässigen dabei ein tieferes Eindringen in die Problematik der Persönlichkeit der Autorin, und sie beinhalten auch keinen Gesamtüberblick über ihr Werk und dessen Entwicklungsstränge.

Gertrud von le Forts literaturgeschichtlicher Standort bleibt bis heute ungeklärt, was bedeutet, dass es nur wenige Arbeiten gibt, die ihr Schaffen in die verschiedenen kulturellen und literarischen Kontexte und Diskurse der Jahrhundertwende, der Weimarer Republik, des „Dritten Reiches“ und der Nachkriegszeit einordnen. Vor diesem Hintergrund wäre „die größte Dichterin der Transzendenz unserer Zeit“, wie Carl Zuckmayer sie einmal nannte,21 angemessen zu würdigen, auch in ihrer fortdauernden Bedeutung.

Schriften von Gertrud von le Fort: Erzählende Schriften. 3 Bde. München/Wiesbaden 1956 – Der Turm der Beständigkeit. Novelle. Wiesbaden 1957 – Die letzte Begegnung. Novelle. Wiesbaden 1959 – Das fremde Kind. Erzählung. Frankfurt a. M. 1961 – Die Tochter Jephtas. Eine Legende. Frankfurt a. M. 1964 – Das Schweigen. Eine Legende. Zürich 1967 – Unsere liebe Frau vom Carneval. Eine venezianische Legende. Zürich 1975 – Gedichte. München 1970 – Die ewige Frau. Die Frau in der Zeit. Die zeitlose Frau. Essays. München. Erw. Ausg. 1960 – Woran ich glaube und andere Aufsätze. Zürich 1968 – Aufzeichnungen und Erinnerungen. Einsiedeln/Zürich/Köln 1951 – Hälfte des Lebens. Erinnerungen. München 1965.

Sekundärliteratur: Hedwig Bach (Hg.): Dichtung ist eine Form der Liebe. Begegnung mit Gertrud von le Fort und ihrem Werk. München 1976 – Eugen Biser: Überredung zur Liebe. Die dichterische Daseinsdeutung Gertrud von le Forts. Regensburg 1980 – Lothar Bossle/Joël Pottier (Hg.): Christliche Literatur im Aufbruch. Im Zeichen Gertrud von le Forts. Würzburg 1988 – Diess. (Hg.): Deutsche christliche Dichterinnen des 20. Jahrhunderts. Würzburg/Paderborn 1990 – Aleksandra Chylewska-Tölle: Literarische Entwürfe und Formen der Wandlung im Werk Gertrud von le Forts. Frankfurt am Main 2007 – Sabine Düren: Die Frau im Spannungsfeld von Emanzipation und Glaube. Eine Untersuchung zu theologisch-anthropologischen Aussagen über das Wesen der Frau in der deutschsprachigen Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung von Edith Stein, Sigrid Undset, Gertrud von le Fort und Ilse Stach. Regensburg 1998 – Gertrud von le Fort. Ausstellung in der Universitätsbibliothek Marburg. Zusammengestellt von Eleonore von la Chevallerie. Marburg 1983 – Roswitha Goslich: Orientierungssuche im Zeitalter der Angst. Gertrud von le Forts Weg zur Mystik. Hildesheim/Zürich/New York 2003 – Antje Kleinewefers: „Eine ganz neue Liebe zur Liebe“. Gertrud von le Fort. Annweiler 2003 – Renate Krüger: Aufbruch aus Mecklenburg. Lebenswelten der Gertrud von le Fort. Norderstedt 2000 – Joël Pottier: Zwischen Ernst Troelsch und Edith Stein: Gertrud von le Forts einsamer Weg. In: Wiener Jahrbuch für Philosophie, 34 (2002), 185 – 225 – Helena Mary Tomko: Sacramental Realism: Gertrud von le Fort and German Catholic Literature in the Weimarer Republik und 3rd Reich (1924 – 1946). London 2007

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