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Entäußerung des guten Lebens

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Seinen ersten Gedichtband veröffentlichte Konrad Weiß 1918, also mit 38 Jahren. Über die Zeit davor wissen wir kaum etwas. Allerdings sind Studienhefte aus den Jahren 1909 bis 1915 und Tagebücher aus den Jahren 1914 bis 1919/20 erhalten; es waren Jahre der inneren Krise, aber auch der Synthese.2 Nach dem Abschied aus der Mitarbeit am „Hochland“ wandte er sich nun ganz der Lyrik zu.

Die Aufzeichnungen dieser Zeit, die bruchstückhaft waren, blieben für Konrad Weiß so wichtig, dass er in späteren Jahren immer wieder an ihnen weiterarbeitete. Festgehalten sind einzelne Begebenheiten des Alltags wie auch Erwägungen zu inneren und äußeren Erlebnissen, vor allem die Erfahrung des Dunkels und der Ferne Gottes. Was er schmerzvoll durchleidet, wird nicht nachträglich begrifflich systematisiert; er belässt es in seinem Mangel und in seiner unfertigen Bruchstückhaftigkeit. Vieles bleibt offen – „auf dem Wege“. Was ihn zutiefst bewegt, fasst Konrad Weiß am 29. September 1915 in folgende Worte:

„Es drängt sich mir bei Betrachtung der angesammelten Gedanken und unvollendeten Werke eine fast frevelhaft gegen die Unendlichkeit scheinende Lebensregel auf: Man darf nichts größer werden lassen als man selber in seiner Zeit gerade ist (solange es die Beziehung seiner Natur zur Geschichte betrifft), man darf die Einsicht nicht über die Kräfte und sich die Wahrheit Gottes in der Welt nicht über den Kopf wachsen lassen. Man darf nicht reifer sein im Geiste als in der Sünde seiner Natur.“3

Konrad Weiß verzichtet bewusst darauf, sein Leben in den Griff zu bekommen. Erstes Zeichen dafür ist 1904 sein Austritt aus dem Priesterseminar in Tübingen und später sein Weggang vom „Hochland“. Etwas von dem, das ihn zu diesem Schritt bewogen haben mag, scheint in der eher brüsken Feststellung auf:

„Das Christentum, daß man es nicht vergißt,/das Christentum ist ein Verein/zufrieden als ein Kreissegment,/beamtet und voll braver Seelen ...“4

Konrad Weiß beschreibt es als „Faulheit“, aufgrund derer einer sich nicht in das Leben gestellt sehen will, um nur ja aller Tragik zu entkommen, und weshalb sich einer lieber mit einer „abstrakten“ bzw. „ästhetischen“ Existenz begnügt. Doch selbst wenn Konrad Weiß bekennt, dass er immer wieder der Versuchung begegnete, sein Leben nicht in die Hand zu nehmen, handelt es sich bei ihm keineswegs um „faule“ Bequemlichkeit: „Erfahrung, daß keiner sich selber einholen kann und auch sein Nächster kann ihn nicht einholen.“5

Kein Mensch kann den Bauplan seines Lebens wie ein „Ideal“ konzipieren und gleichsam vorwegnehmen; doch der Sünder will in sich selbst stehen und seine eigene Mitte sein. Der Glaubende hingegen ist in seinem Tun reines Empfangen; er lässt sich durch Sünde und Reue zu Gott hindrängen. Konrad Weiß erkennt, dass ihm kein anderer Ausweg bleibt, als sein Dasein als „passive Passion“ zu ergreifen und zu leben, denn, so lautet seine eher zaghaft formulierte Frage: „Wie kann man Gott zuvorkommen?“6 In dieser Zeit der inneren Krise wie auch ihrer Überwindung wendet sich Konrad Weiß bewusst der Lyrik zu.

Eigensinn und Bindung

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