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Erfüllung des Weges

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Die Kreatur ist und bleibt „geteilt“ („dividuum“). Sie findet ihre Ergänzung und letzte Erfüllung nur, wenn jede eigenwillige Erkenntnis zerbricht und der Mensch bereit wird, sich in erneuerter Erkenntnis zu empfangen. Selbst die christlichen „Begriffe“ machen nicht satt, sondern hungrig, weil sie in sich selbst gespalten bleiben. So erscheint die Welt wie geteilt in ihrem letzten und tiefsten Grund; mit sich selbst uneins, bleibt sie reiner Mangel.

Nicht anders verläuft für Konrad Weiß der Weg zur Wahrheit menschlichen Lebens. Sie lässt sich nicht wie ein Begriff oder System in der Lehre der Universität, nicht idealistisch erfassen, sondern nur geschichtlich, beladen mit aller Not und Schicksalhaftigkeit der Geschichte und ihrer Stunde. Er will nicht aus den Geschehnissen zeitlose Ideen retten, sondern sich dem großen Mitleiden der Zeit hingeben, beladen mit ihrer Not. Sein Denken wendet sich bewusst von aller Idealität ab, um sich ganz der Sprache der Inkarnation zu verschwören. Im Leben des Glaubens geht es um gestalthafte Ausprägung jenes in der Geschichte offenbar gewordenen In-Bildes,33 wie es im Menschensohn sichtbar geworden ist. Den Weg dahin beschreibt Konrad Weiß in seiner „Cumäischen Sibylle“. Der Mensch kann das im Paradies verlorene göttliche Bild niemals durch eigenes Wollen wiederherstellen; steigt er aber vom Berg seiner Selbstherrlichkeit herab in die dienende Demut des kreatürlichen Geistes, wird er alles in seinem Dasein „filioque vermittelt“ erfahren und empfangen.34

Hier wird nochmals deutlich, warum Konrad Weiß das scholastische Denken und seine Vorstellung vom Leben im Glauben ablehnen muss, denn die Schultheologie stellt alles unter das Gesetz der „Analogie“, also eines Verhältnisdenkens, das den Abstand, den es unmittelbar zwischen Schöpfer und Geschöpf gesetzt sieht, nur moralisch zu überbrücken versteht. Heißt es in der Heiligen Schrift: „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!“, so meint die Scholastik, dies sei auf „analoge“ Weise zu verstehen, da der Mensch nur auf begrenzte Weise vollkommen werden könne; allein der Vater im Himmel ist vollkommen. Aber ein solches Denken, das meist in dem moralischen Appell endet: „Strengt euch an, damit ihr vollkommener werdet!“, nimmt die irdische Kreatur nicht derart ernst, wie der Schöpfer aller Dinge sie offensichtlich ernst genommen hat, da er ein solches Wort sagt. Seine Weisung: „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!“ will zum Stachel der leidenschaftlichsten, „neidvollen“ Form irdischer Existenz werden. Nun sieht sich der Mensch unmittelbar in Vergleich, in „Komparation“ gesetzt zu jenem, der ihn an seiner Vollkommenheit teilhaben lässt. Im Prosatext „Dunkel des Blutes“ führt Konrad Weiß zu diesem „Gesetz der Komparation“ aus:

„,Lebe aus deiner geringsten Kraft.‘ Erkenne das Tun des Blutes; es hat keine Wahl im Geiste, sondern nur in der Erfüllung des Weges. Das Wort und das Blut bilden eine nahtlose Fügung. Empfangen durch das Auge im stummen Vorübergang des Wesens wird das Menschliche abgetrennt, um seine Ausgeburt im Dunkel zu vollbringen. Durch Schwere steigt das Dunkel im Lichte. Rettung liegt in allen Dingen und in der Kraft ihrer Namen. Aber nichts wird erkannt, bevor ihm nicht die Tat des Blutes gedient hat. Es ist Abtrennung. Erkenne diese Macht, der Reinheit zuvorzukommen. Aber die Treue bricht den Weg in meine Maße.“35

Ein Geschichtsverständnis, wie es sich in der Kunst und erst recht im Leben des Glaubens darstellt, hat seine eigene „Logik“. Selbst die Geschicke der Völker, die scheinbar fern jeder göttlichen Weisung verlaufen, dienen in allen ihren Phasen der Geschichte der Offenbarung und entfalten auf „logische“ Weise das menschgewordene Wort. Denn die Geschichte geschieht nicht wie in einem abstrakten Begriff oder einer absoluten Idee, sondern in jenem „Gethsemane“, das einen Tod zum Inhalt hat.

Eigensinn und Bindung

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