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Zwischen Bild und Wort

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Es ist nicht leicht, einen angemessenen Zugang zum Werk und zur Sprache von Konrad Weiß zu finden. So las Frau Weiß in Siedlinghausen immer wieder viele Stunden und Tage lang aus dem Werk ihres 1940 verstorbenen Mannes vor, um es anderen auszulegen und sie zu einem tieferen Verständnis zu führen. Auffällig für seine Gedichte sind versetzte Wortstellungen, sogar Verstöße gegen die gängige Sprache, Zersetzung des grammatikalischen Gefüges und Brechung des Sprachrhythmus, Wechsel der Perspektiven, Verfremdungseffekte, einzelne abgebrochene, unvollendete Sätze, unterschiedliche Strophenlängen. Kaum dürfte es gelingen, die von Konrad Weiß formulierten Verse in einer für alle Leser verständlichen Weise zu kommentieren, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Das Besondere an Konrad Weiß ist sein Verständnis vom Auftrag des Dichters. In seiner Schrift „Vom Wesen der Dichtung“ beschreibt er in kurzen Worten, wie er seine eigene Sendung versteht: „Dichtung denkt nicht, sie findet sich in einem Sinne. Getrieben und gespiegelt geht sie die Spuren, in denen sie einen Weg findet zwischen Bild und Wort, einen Weg, als ob er von einem Sinne geplant sei (...) Die Blindheit muß sein wie ein Opfer. Sie kann nicht gedacht werden, aber sie bedeutet die Richtung und die Wahrheit des innersten Wortes.“7 Konrad Weiß verfasst mit seiner Dichtung ein Werk, das sich nicht in sich selbst („hermetisch“) verschließen will. Die Dunkelheit des Ausdrucks ist nicht gesucht und gewollt, sie ist etwas, was sich von selbst einstellt. Nicht Willkür ist es, die so sprechen lässt, auch keine ästhetische Selbstverliebtheit in irgendwelche sprachlichen Extravaganzen; alles kommt aus der Erfahrung, dass das, was der Dichter ins Wort zu fassen sucht, sich ihm selbst entzieht.

Das Dunkel des Wortes kommt weniger aus dem Dunkel einer tiefen seelischen Impression wie bei Georg Trakl, auch ist die Dunkelheit der Sprache nicht belastet mit der ungeheuren Tiefe seelischen Ringens und Kämpfens, selbst wenn vieles davon bei Konrad Weiß anklingen mag. Solche Dunkelheit erklärt sich aus der anderen, nicht allgemein vertrauten Erfahrung der „Erde“ und des Lebens, die sich intellektuell nicht gleich einholen lässt, weil sie als solche wohl einzigartig ist.

Aufgrund seiner ihm eigenen Erfahrung wendet sich Konrad Weiß entschieden gegen alle sich bloß auf die Tagespolemik einlassenden Schriftsteller, erst recht gegen jene, die sich einem „liberalen Idealismus“ anpassen wollen. Zurück bleibt die „Kreatur des Wortes“, die Erfahrung der endlichen und gebrochenen Wirklichkeit und Geschichte, nicht aber das System eines Geistes und einer Idee.8 Es gilt, in der Grammatik selbst einen Raum frei zu halten für die „Wortwerdung der Wahrheit“. In den „Nachgedanken“ heißt es: „Der allgemeine bürgerliche Geist arbeitet mit nebeneinander und gleichgestellten Begriffen. Er glaubt die Mittel zu besitzen, um welche Gott kämpft und die Schöpfung sinnt.“9

Den Willen, die Sprache gegenüber dem Geheimnis der Kreatur zu neutralisieren, erklärt Konrad Weiß mit dem Uranliegen der abendländischen Philosophie, die Wahrheit der Seinswirklichkeit definieren zu wollen. Statt Definition im System und Absicherung im Begriff geht es Konrad Weiß um Wortwerdung im Geheimnis der Kreatur, in dem ein letzter Rest verharrt, der sich nicht von der Logik einholen lässt. So wird der Kreatur ihr Schweigen, das sich nicht begrifflich ausdrücken lässt, belassen; sie verbleibt im Unaussprechbaren.

Eigensinn und Bindung

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