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Apokalyptische Bilder
ОглавлениеTheodor Haeckers Position als Mentor lässt sich auch an vielen anderen Äußerungen in den Flugblättern der „Weißen Rose“ erkennen – in Argumentationsweise, Diktion und Gehalt sowie einer Vielzahl apokalyptischer Bilder.53
So reflektiert er beispielsweise den Begriff der „Gottesgeissel“ in seinen „Tag- und Nachtbüchern 1940“. Auch die „Weiße Rose“ spricht in ihrem ersten Flugblatt, das im Mai 1942 erschien, von der „Geissel der Menschheit, wider den Faschismus und jedes ihm ähnliche System des absoluten Staates“.
Haecker zeichnet apokalyptische Bilder vom Krieg. In seiner tagebuchartigen Kritik an zwei Weltkriegen und ihren wahrhaft apokalyptischen Situationen zeigt sich einmal mehr die satirisch-polemische Seite des Kulturphilosophen. Insbesondere in „Satire und Polemik“ (1922)54 geht er unter Bezug auf den Ersten Weltkrieg darauf ein, dass „die Ehre des natürlichen Menschen, des Kriegers und Soldaten (...) in diesem Krieg für den konkreten europäischen Menschen vollends vernichtet worden“55 sei. In seinen Tagebuchaufzeichnungen beruft er sich wiederholt darauf, dass das technisch Machbare moralisch nicht zu bewältigen sei, und er macht diese Aussage zum Kernpunkt der Kritik des modernen Krieges.
Ein weiteres wichtiges Thema bei Haecker und der „Weißen Rose“ ist die als solche bezeichnete „Judenfrage“. Obwohl er auch mit Beiträgen im „Hochland“ dieser schwierigen Frage und der sich abzeichnenden Katastrophe nachging, wurde er kaum gehört. Seine Argumente und Appelle an Menschenwürde und Gerechtigkeit und sein Aufzeigen der Gefahren für die jüdische Bevölkerung verhallten. Aus der Erkenntnis, dass der Nationalismus äußerst bedrohlich für die jüdische Bevölkerung sei, stellte er fest, dass die Juden „dort, wo diese Welt des Nationalismus siegt, immer für Feinde gelten“56 werden. Ebenso sieht er den durchschnittlichen Bürger in Deutschland als „latenten Antisemiten“.
Im Zusammenhang mit dem christlichen Menschenbild, das den Menschen als Ebenbild Gottes sieht und das auch Theodor Haecker in seinen Schriften „Der Christ und die Geschichte“ und „Schöpfer und Schöpfung“ (1935) zu vermitteln suchte, ist verständlich, dass die „Weiße Rose“ die Nationalsozialisten anprangerte. Nicht zufällig scheint im zweiten Flugblatt die Frage nach dem „Sinn der Geschichte“ und die letztliche Reinigung durch das Leid auf, wenn über die bestialische Ermordung von Juden berichtet wird.