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III Wir haben zwar Teams, aber wenig Teamarbeit
ОглавлениеDie Arbeitsaufgabe des Teams bestimmt den primären Fokus der Teamaktivitäten. Wenn einem Team nicht klar ist, warum und mit welchen Zielen es zusammenarbeitet, kann dies unterschiedliche Gründe haben: Es kann sein, dass die Arbeit unzureichend gemeinsam reguliert wird, die Arbeitsgestaltung die Teamarbeit behindert oder es keine gemeinsamen herausfordernden Ziele gibt. In diesem Kapitel geht es um die kollektive Regulierung von Teamarbeit, die die Grundlage für die Konstruktion einer gemeinsamen Wahrnehmung der Arbeit ist. Dabei ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Arbeitsaufgabe so gestaltet ist, dass sie tatsächlich für Teamarbeit geeignet ist. Das Kapitel beschreibt, wie verschiedene Arbeitsgestaltungsmerkmale sowie die gemeinsame Ausrichtung der einzelnen Teammitglieder die Teamleistung und die Leistungsergebnisse beeinflussen. Es wird dargestellt, wie Arbeitsgestaltung und organisationale Ziele in Passung gebracht werden können.
Teamarbeit umzusetzen bedeutet, die Struktur in der Organisation zu verändern. Dabei sind Strategie und Struktur eng miteinander verbunden. Wenn eine Organisationsstrategie Teamarbeit als »eine Säule der Innovation« beinhaltet, hat diese Strategie – wenn sie ernst gemeint ist – Auswirkungen auf Struktur und Gestaltung der Arbeit, denn nur dann kann sie Lern- und Kreativprozesse im Team unterstützen. Dies ist in der Praxis nicht immer der Fall. Manchmal haben Teams wenig Autonomie und die Aufgaben sind standardisiert, dennoch wird von ihnen ein intensiver Austausch und die Einbindung in Innovationsprozesse erwartet. Manchmal ist die Strategie auch sehr vage, Teamarbeit wurde zwar implementiert, aber warum und was genau mit ihr erreicht werden soll, ist nicht allen klar. Der Fokus dieses Kapitels liegt auf den Voraussetzungen der Arbeitsgestaltung, die gegeben sein müssen, damit Teams effektiv arbeiten können. Der Ausgangspunkt ist ein häufiges Problem: Mitarbeiter*innen sind in Teams organisiert, aber sie arbeiten nicht als Team zusammen.
Was ist Arbeitsgestaltung? Eine typische Definition der Arbeit einer Person besteht in der Zusammenfassung der Arbeitsaufgaben, die ihr zugewiesen werden (Wong & Campion, 1991). In Teams bildet die Aufgabe den Hauptinput, da sie den zentralen Fokus der Teamaktivitäten darstellt (Kozlowski & Ilgen, 2006). Inhalt und Gestaltung der Arbeit legen fest, wie Teammitglieder kooperieren und welche Kompetenzen sie für die Aufgabenbearbeitung im Team benötigen. Morgeson und Humphrey (2008) definieren Arbeitsgestaltung als Untersuchung, Festlegung und Modifikation von Arbeitsplätzen und Rollen in Bezug auf Inhalte, Zusammensetzung der Aufgaben, Struktur und Arbeitsumgebung. Diese Definition impliziert zum einen, dass Arbeit gestaltet und redefiniert werden kann, und zum anderen, dass Arbeitsgestaltung auf Teamebene erfolgen kann. Arbeit kann auch als kollektiv ausgeführte Aufgabe untersucht werden (Parker, Morgeson & Johns, 2017). Forschungsergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, die Kombination unterschiedlicher Arbeitsmerkmale zu untersuchen, d. h. wie verschiedene Aspekte der Arbeitsgestaltung und der Arbeitsbedingungen sich gemeinsam auf die Mitarbeiter*innen auswirken. Weniger aussagekräftig ist die Fokussierung einzelner Aspekte, beispielsweise des Zusammenhangs zwischen Einflussmöglichkeiten von Mitarbeiter*innen auf die Ausführung der Arbeit und der Abwesenheitsrate (Parker, Knight & Ohly, 2017). Im Folgenden geht es um zentrale Arbeitsmerkmale und deren Effekte auf wichtige Ergebnisse der Teamarbeit. Im Mittelpunkt stehen zwei Kernaussagen:
• Teamarbeit ist letztlich Mittel zum Zweck, nämlich zum Erreichen eines Endergebnisses. Die Gestaltung von Teamarbeit setzt ein gemeinsames Verständnis der Stakeholder darüber voraus, was genau dieses Endergebnis sein soll.
• Arbeitsgestaltung heißt, verschiedene miteinander verbundene Gestaltungsaspekte gleichzeitig und in Übereinstimmung mit der gesamten Organisationsstruktur und den Prozessen zu orchestrieren.
Zahlreiche Studien, Reviews und Metaanalysen belegen, dass Arbeitsgestaltung eine Reihe von individuellen, Team- und organisationalen Ergebnissen beeinflusst (z. B. Fried & Ferris, 1986; Hackman & Oldham, 1980; Humphrey, Nahrgang & Morgeson, 2007; Parker, Morgeson & Johns, 2017; Stewart, 2006). Auf der anderen Seite gibt es bisher nur begrenztes Wissen darüber, wie Interventionen der Arbeitsgestaltung die Leistung auf individueller, Team- und Organisationsebene beeinflussen. Eine Forschungsübersicht über 55 Interventionen der Arbeitsgestaltung (Knight & Parker, 2019) fasst zusammen, dass 39 Studien positive Effekte aufzeigen, zwei Studien negative Effekte und 14 Studien sowohl positive als auch negative Effekte. Diese Ergebnisse sollten Anlass sein, dieses Wissen in Entwicklungs- und Veränderungsprozessen umzusetzen. Arbeitsgestaltung wirkt auf die Ausführung von Einzel- wie auch Teamaufgaben, auf routinisierte und nicht routinisierte Aufgaben sowie die Adaptivität, d. h. den Grad, in dem adäquat auf Veränderungen und Herausforderungen reagiert wird (z. B. Griffin, Neal & Parker, 2007). In diesem Kapitel werden die Einflüsse verschiedener Arbeitsformen und -merkmale auf Individuen und Teams detaillierter dargestellt.
Eine Metaanalyse von 250 Studien mit 217.081 Teilnehmenden zeigt, dass neun Arbeitsmerkmale (u. a. Autonomie, Aufgabenkomplexität, Variabilität) im Mittel 34 % der Varianz der Einstellungen und des Verhaltens der Mitarbeiter*innen erklären (Humphrey et al., 2007). Diese Befunde werden auch von aktuellen Studien gestützt (Parker, Morgeson & Johns, 2017; Sverke, Falkenberg, Kecklund, Magnusson-Hanson & Lindfors, 2016). Die Arbeitsgestaltung ist ein wichtiger Faktor dafür, ob Mitarbeiter*innen gern zur Arbeit gehen (vielleicht sogar der wichtigste Faktor).
Mitarbeiter*innen führen nicht nur zugewiesene Aufgaben statisch aus, sondern engagieren sich auch in aktuell dringenden, sozialen oder selbst initiierten Tätigkeiten. Dazu etablieren sie flexible Arbeitsrollen, die über die vorgeschriebene Arbeit hinausgehen (Hacker, 2001; Parker, van den Broeck & Holman, 2017). Ilgen und Hollenbeck (1992) argumentieren, dass Arbeitsrollen breiter sind als die festgelegten objektiven Aufgabenelemente und deshalb auch sich entwickelnde und selbst initiierte Elemente beinhalten können. Die Rollenbreite beschreibt, wie viele verschiedene Rollen Mitarbeiter*innen einnehmen. So können Teammitglieder beispielsweise Rollen als Sprecher*innen, als Teamleitung oder Verantwortliche für verschiedene Bereiche (wie Einhaltung von Sicherheitsvorschriften, Organisation sozialer Aktivitäten) übernehmen. Diese Rollen können vorgegeben oder selbst initiiert sein.
In letzter Zeit hat der Bereich der individuellen Arbeitsgestaltung (»job crafting«) an Aufmerksamkeit gewonnen. Mit »job crafting« werden Mitarbeiter-Initiativen zur Veränderung der eigenen Arbeitsrolle bzw. der eigenen Arbeit beschrieben. In ihrer Metaanalyse unterscheiden Lichtenthaler und Fischbach (2019) zwischen »job-crafting« mit Fokus auf Promotion (für den Erhalt größerer Ressourcen und Herausforderungen mit dem Ziel einer stimulierenderen Arbeit) bzw. Prävention (Reduzierung der Arbeitsanforderungen) und stellen dabei fest, dass bei Fokus auf Promotion ein positiver Zusammenhang mit Engagement besteht und ein negativer mit Burnout. Bei Fokus auf Prävention sind diese Beziehungen umgekehrt. Die mit der Gestaltung der Rollen und des Verhaltens verbundene Suche der Mitarbeiter*innen nach Ressourcen, Herausforderungen und angemessenen Anforderungen wirkt sich positiv auf das Arbeitsverhalten, die Aufgabenerfüllung sowie die berufliche Zufriedenheit aus (Dubbelt, Demerouti & Rispens, 2019; Böhnlein & Baum, 2020).
Bei der Arbeitsgestaltung scheint es sich um eine reziproke Beziehung zu handeln: Die Merkmale der Arbeit, wie Autonomie und Komplexität, beeinflussen, ob die Mitarbeiter*innen über die vorgegebene Aufgabe hinausgehen, was wiederum Einfluss auf die Arbeitsleistung hat (Hacker, 2001; Parker, Morgeson et al., 2017).